Krankenkassen:So können Krankenversicherte sparen

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Krankenkassenbeiträge: Das geht auch günstiger.

(Foto: dpa)

Viele gesetzlichen Krankenkassen verlangen wieder Zusatzbeiträge. Wer vergleicht und umsteigt, kann im besten Fall Hunderte Euro sparen.

Fragen und Antworten von Berrit Gräber

Für Kassenpatienten lohnt sich in nächster Zeit der Vergleich. Wer bei der gesetzlichen Krankenversicherung den Markt sondiert, die günstigste Kasse herauspickt und wechselt, kann im besten Fall mehrere Hundert Euro pro Jahr sparen. Seit Jahresbeginn geht die Beitragsschere zwischen den mehr als 120 gesetzlichen Krankenkassen wieder spürbar auseinander, hat Holger Rohde beobachtet, wissenschaftlicher Leiter für Versicherungen bei der Stiftung Warentest.

Ausgerechnet die Senkung des allgemeinen Beitrags von 15,5 auf 14,6 Prozent zu Jahresbeginn hat dazu geführt, dass die Preise sich stark unterscheiden. Dadurch entsteht für 2015 eine Finanzierungslücke von rund elf Milliarden Euro. Jede Kasse darf deshalb nun einen eigenen Zusatzbeitrag verlangen - und die Mitglieder dafür zur Kasse bitten. Die Arbeitgeber sind außen vor. Das bedeutet für Millionen Arbeitnehmer und Rentner, dass es absehbar für sie teurer wird.

Momentan locken die billigsten regionalen Kassen, die vor allem in den neuen Bundesländern aktiv sind, noch mit 14,6 - 14,9 Prozent, also null Euro bis 0,3 Prozentpunkten Aufschlag. Die oft günstigeren Behandlungskosten in Ostdeutschland bei vollem Zuschuss aus dem Risiko-Strukturausgleich machen es offenbar möglich. Die bundesweit tätige Konkurrenz verlangt mit 15 bis 15,9 Prozent schon spürbar mehr.

Gleichzeitig steigen die Ausgaben im Gesundheitswesen immer weiter. Schon zum Jahreswechsel werden viele Kassen ihre Preise erhöhen. "Unter dem Strich rechnen wir im Durchschnitt aller Krankenkassen damit, dass die Zusatzbeiträge Anfang 2016 um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte angehoben werden müssen", sagt Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen. Und danach dürfte es weiter gehen. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), hält Beitragsanhebungen auf breiter Front um 0,25 Prozentpunkte jährlich für realistisch. Für Kassenpatienten empfiehlt es sich jetzt, die Höhe des Zusatzbeitrags im Auge zu behalten. Vergleichen ist wieder das Gebot der Stunde: Wo gibt es die beste Leistung für das kleinste Geld?

Warum muss sich der Versicherte selbst kümmern?

Die Zeiten, in denen gut wirtschaftende Kassen ihren Mitgliedern noch Prämien von bis zu 200 Euro allein fürs Dabeisein zahlten wie noch 2013 und 2014, sind definitiv vorbei. Die meisten schreiben jetzt wieder rote Zahlen. Allein im ersten Halbjahr summierte sich das Minus auf eine halbe Milliarde Euro, erläutert Verbandschefin Pfeiffer. Die Ausgaben der Kassen für Arzneien, Ärztehonorare und Krankenhäuser stiegen stärker als ihre Einnahmen. Das hohe Defizit sei auch die Folge gesetzlicher Veränderungen, kritisieren Experten.

Dass Kassen einen Zusatzbeitrag erheben können, wurde schon 2009 zusammen mit dem Gesundheitsfonds eingeführt. In diesen Fonds fließen die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Steuermittel. Seit 2012 hat aber keine Kasse mehr einen Aufschlag verlangt - bis jetzt. Derzeit zahlen mehr als 60 Prozent aller Versicherten ein Extra von 0,9 Prozent des Bruttolohns. Bis 2019 sei mit einer Erhöhung auf 1,4 bis 1,9 Prozent zu rechnen, prognostiziert Pfeiffer. Das Problem: Während die Beitragslast der Arbeitgeber bei 7,3 Prozent eingefroren ist, müssen Arbeitnehmer und Rentner 7,3 plus x Prozent schultern. Die SPD fordert bereits, den fixierten Arbeitgeberbeitrag wieder anzuheben.

Wie viel Ersparnis ist drin?

Vergleichen zahle sich aus, sagt Fachmann Rohde. Der Unterschied zwischen preiswerten und teuren Kassen sei schon jetzt sehr hoch. Wechselt ein Arbeitnehmer mit 4125 Euro Monatsverdienst von einer Kasse mit 15,5 Prozent Beitrag zu einer mit nur 14,6 Prozent, spart er rund 445 Euro im Jahr. Bei 2000 Euro Gehalt sind immer noch 200 Euro Ersparnis drin. Bei den günstigsten Kassen mit Sätzen zwischen 14,6 und 14,9 Prozent handelt es sich allerdings um rein regionale Anbieter, darunter die AOK Sachsen-Anhalt, die AOK plus in Sachsen und Thüringen, die BKK MEM in Thüringen, die KK Euregio in Hamburg und Nordrhein-Westfalen sowie die Metzinger BKK in Baden-Württemberg. Nur wer im jeweiligen Einzugsgebiet lebt, kann Mitglied werden und vom günstigen Beitrag profitieren.

Was gilt bundesweit?

Unter den für alle Bürger offenen Kassen ist momentan die hkk mit einem Beitrag von 15 Prozent die günstigste. Bei 3000 Euro Bruttogehalt im Monat ist beim Umstieg aus einer 0,5 Prozentpunkte teureren Kasse eine Ersparnis von 180 Euro jährlich drin. Der Branchenriese Techniker Krankenkasse (TK) etwa verlangt 15,4 Prozent, die DAK 15,5 Prozent. Die Securvita BKK erhöhte den Beitrag zum 1. Juli um 0,2 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent und zählt jetzt zu den teuersten Anbietern. Schon der moderate Aufschlag von 0,2 Prozentpunkten koste bei einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro im Monat sechs Euro, rechnet Stephan Nuding von der Verbraucherzentrale Bayern vor. Doch nur wenige Verbraucher seien sensibilisiert für die Sparchance, weil der Zusatzbeitrag automatisch von Lohn oder Rente abgezogen wird.

Wie wichtig sind die Leistungen?

"Der Beitrag ist natürlich ein Argument für den Wechsel, aber nicht alles", betont Rohde. Viele gesetzliche Versicherer bieten spürbar mehr fürs Geld als andere - mehr Geschäftsstellen, Geld für Brille oder Osteopathie bis hin zu schnelleren Facharztterminen. Manche Kassen spendieren mehr Ultraschalluntersuchungen für Schwangere oder zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen für Kinder. Viel Geld wert sind auch gesponserte Extras wie Zahnreinigung oder Ausgaben rund um die Geburt.

Wer Nachwuchs möchte, für den können die Zuschüsse zu einer künstlichen Befruchtung wichtig sein. Versicherte mit Familie brauchen womöglich keine Haushaltshilfe bei Krankheit, legen aber Wert auf Zuschüsse zur alternativen Medizin. Für Vielreisende können kostenlose Schutzimpfungen interessant sein. Allein schon die Immunisierung gegen Hepatitis A und B kostet rund 230 Euro. Das müssten die Patienten normalerweise aus der eigenen Tasche zahlen. Bei manchen Kassen gibt es sogar einen Geldbonus von beispielsweise 100 Euro für gesundheitsbewusstes Verhalten. Aber: Es gibt keine Kasse, die alle Extras zusammen abdeckt.

Wie geht der Wechsel?

Wer sich von seiner Kasse verabschieden will, muss mindestens 18 Monate Mitglied gewesen sein. Dann kann er mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende gehen. Wer also bis Ende September kündigt, kann ab 1. Dezember bei der neuen Kasse sein - selbst wenn aktuell beim alten Versicherer noch Behandlungen laufen. "Wer gerade eine ambulante Psychotherapie macht, in einer Zahnbehandlung steckt oder eine Pflegeeinstufung hat, sollte das der neuen Kasse allerdings zur Sicherheit mitteilen, damit es nicht zu Verzögerungen kommt", rät Nuding.

Für die Zusatzleistungen des neuen Anbieters oder die Erstattung apothekenpflichtiger Rezepte gibt es keine Wartefristen. Sie können gleich nach dem Wechsel in Anspruch genommen werden. Nur wer einen speziellen Wahltarif bei seiner bisherigen Kasse hat, ist an andere Wechselfristen gebunden. Außerdem gilt: Wer im Dezember die Information erhält, dass es ab 2016 teurer wird, hat ein Sonderkündigungsrecht von ebenfalls zwei Monaten. Und das völlig unabhängig davon, wie lange er schon bei seiner Kasse dabei ist.

Gibt es Hürden für Senioren und Kranke?

Nein. Gesetzliche Versicherer sind dazu verpflichtet, jeden Wechselwilligen aufzunehmen. Eine Gesundheitsprüfung, wie bei privaten Anbietern üblich, existiert nicht. Auch eine Altersbeschränkung für den Wechsel innerhalb des gesetzlichen Krankenkassensystems gibt es nicht. "Keine Kasse darf Interessenten ablehnen, sie abwimmeln oder hinhalten", betont Nuding. Auch Greise und kranke Menschen können jederzeit ihrer bisherigen Kasse den Rücken kehren. Bei Problemen helfen unter anderem die Verbraucherzentralen vor Ort weiter.

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