Kostbares Erbe:Schlösser, Kirchen, Karusselle

Eine Wanderausstellung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zeigt, wie Baudenkmäler erfolgreich restauriert wurden.

Von Joachim Göres

Keine Fenster, keine Türen, kein Dach, Büsche im Kirchenschiff - nach der Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs war die 1445 erbaute Wismarer Kirche St. Georgen, eine der bedeutendsten Kirchen der norddeutschen Backsteingotik, eine der größten deutschen Ruinen. Als 1990 der Nordgiebel bei einem Orkan einstürzte, konnte nur noch rasches Handeln helfen. Seit 2010 kann die restaurierte Kirche wieder genutzt werden, nicht zuletzt durch mehr als 15 Millionen Euro, die die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zur Verfügung gestellt hat. In einer DSD-Wanderausstellung, die seit Kurzem im niedersächsischen Celle zu sehen ist, wird die Rettung von St. Georgen wie auch von weiteren 35 Denkmälern aus allen Bundesländern ausführlich dargestellt.

"St. Georgen ist für unsere Stiftung das größte Projekt. Unsere Fördersummen beginnen ab 1000 Euro aufwärts", sagt Hans-Stefan Bolz, der bei der DSD für Ausstellungen zuständig ist. Jährlich etwa 20 Millionen Euro gibt die Stiftung für den Erhalt von Denkmälern aus. Die Einnahmen setzen sich je zur Hälfte aus privaten Spenden - es gibt mehr als 200 000 regelmäßige Spender - und aus Mitteln der Glücksspirale zusammen. Im vergangenen Jahr flossen 23,7 Millionen Euro in mehr als 490 Restaurierungsprojekte, vor allem nach Sachsen-Anhalt (3,2 Millionen), Nordrhein-Westfalen (3,1 Millionen) und Bayern (2,7 Millionen). "Von fünf Anträgen können wir zwei positiv bescheiden. Die Zahl der Anträge bei uns steigt, weil viele Bundesländer ihre Denkmalförderung kürzen", sagt DSD-Pressesprecherin Ursula Schirmer, die betont, dass die private Stiftung immer nur einen Teil einer Sanierung finanziere.

Kirchenruine St. Georgen wieder aufgebaut

Erfolgreich restauriert: die St. Georgenkirche in Wismar.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Vor allem für sakrale Gebäude (271 Projekte) hat die Stiftung 2015 Geld gegeben, gefolgt von Wohnbauten wie Bürger- und Pfarrhäuser (79 Projekte) und herrschaftliche Bauten wie Schlösser (76 Projekte). "Vor 20 Jahren verstand man unter Denkmälern vor allem Kirchen und Schlösser. Das hat sich heute geändert, wir fördern auch den Erhalt historischer Industriesiedlungen, von Fachwerkhäusern oder von Bauten der Nachkriegsarchitektur. Kirchen stehen bei uns nach wie vor an der Spitze, denn viele Geldgeber legen fest, was mit ihrer Spende passieren soll, und für Dorfkirchen wird gerne Geld gegeben", sagt Schirmer. Im Jubiläumsjahr der Reformation zeigt die Ausstellung in Celle erstmals Lutherstätten, die mit DSD-Mitteln hergerichtet wurden wie das Geburtshaus von Martin Luther in Eisleben.

Doch es werden in der Ausstellung auch ganz andere erfolgreich instand gesetzte Baudenkmäler vorgestellt. Dazu zählt die Alte Schmelz in St. Ingbert, eine 1730 für ein Eisenwerk errichtete Arbeitersiedlung, deren heutige Bewohner sich bei der Wiederherstellung engagieren. Dazu gehört die Glienicker Brücke in Berlin, auf der zu DDR-Zeiten noch Spione ausgetauscht wurden. Der Rost der Stahlverbindungen bedrohte die Standsicherheit der Kolonnaden - sie wurden abgebaut und mit einer Edelstahlverbindung wiedererrichtet. Auch der Leuchtturm Roter Sand, der Großsegler Seute Deern von 1919 oder ein Holzpferdekarussell aus Wilhelmsbad bei Hanau werden präsentiert - letzteres wurde 1779 in einer Kuranlage aufgestellt und zuerst von Menschen, dann von Pferden und zuletzt von einem Motor angetrieben, bis das verformte Holz den Antrieb blockierte. Seit vergangenem Jahr dreht sich das wohl älteste festverbaute Karussell der Welt im Staatspark von Wilhelmsbad nach mehreren Jahrzehnten Pause wieder. Die Holzpferde dürfen nicht mehr bestiegen werden, aber Besucher können in vier Kutschen Platz nehmen.

Ausstellung

Die Ausstellung "Seht, welch kostbares Erbe!" läuft bis zum 4. März im Neuen Rathaus Celle.

Weitere Termine:

9.-31.3. Bad Segeberg (Sparkasse)

5.4.-7.5. Lübeck (Heiligen-Geist-Hospital)

11.5.-18.6. Erfurt (Augustinerklosterkirche)

22.6.-22.7. Neuss (Romaneum)

27.7.-3.9. Zerbst (Schloss)

7.9.-8.10. Berlin (Schloss Biesdorf)

Weitere Informationen unter www.denkmalschutz.de/ausstellung.

Eine Erfolgsgeschichte reiht sich in der Ausstellung an die nächste. Bilder, die verfallene Denkmäler zeigen, sucht man hier vergebens. Davon gibt es bei geschätzten einer Million Denkmälern in Deutschland allerdings immer noch mehr als genug. "Nach der Wende haben wir bis zu 90 Prozent unserer Mittel nach Ostdeutschland gegeben, weil dort der Verfall besonders groß war. Heute ist die Verteilung unserer Gelder nach Ost und West etwa Hälfte Hälfte", sagt Schirmer und Bolz ergänzt: "In Bayern besteht inzwischen ein großer Handlungsbedarf. In Dinkelsbühl fühlt man sich außerhalb der Altstadt wie im Osten nach der Wende."

Schirmer blickt derweil aufmerksam nach Thüringen. Dort hat die Landesregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken ein Enteignungsverfahren für das 1827 erbaute Schloss Reinhardsbrunn in Friedrichroda eingeleitet, das seit Jahrzehnten verfällt. Damit wird erstmals in Deutschland eine denkmalrechtliche Enteignung betrieben. "Das Schloss ist für den Besitzer ein Spekulationsobjekt. Wir schauen auf den Ausgang des Verfahrens mit positivem Interesse. Eine Enteignung wäre ein Schuss vor den Bug derjenigen, die ein Denkmal erwerben und verfallen lassen, weil sie an dem wertvollen Grundstück interessiert sind. Der klassische Eigentümer eines historischen Gebäudes muss sich keine Sorgen machen, denn er liebt sein Denkmal", sagt Schirmer.

Sie lobt das von der Bundesregierung aufgelegte Förderprogramm für national bedeutende Denkmäler, für die der Bund im vergangenen Jahr sechs Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Sie kritisiert die Mehrheit der Bundesländer, die die zu Denkmälern erklärten Nachkriegsbauten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren noch nicht in ihre Listen aufgenommen haben - ohne die Inventarisierung fließen keine Fördermittel. Und sie erinnert daran, dass sich die Auffassung ständig verändert, was überhaupt als Denkmal gilt: "In Hessen gab es früher Förderprogramme für das Abschlagen von Stuckfassaden, heute werden sie mit finanzieller Förderung wieder hergestellt." Für das Berliner Schloss oder andere Rekonstruktionen gibt die Stiftung übrigens kein Geld. Schirmer: "Wir fördern keine Neubauten. Der Eindruck der Reproduzierbarkeit zerstörter Bauten mindert den Wert der Originale. Das freut uns nicht."

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