Konsequenzen aus der Krise:Die kranken Banken

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Totgesagte leben länger: Das Geschäftsmodell der Wall Street inklusive Milliardengewinne und horrender Boni ist auferstanden.

Nikolaus Piper

Es ist, als wäre nichts geschehen. Goldman Sachs, die größte der verbliebenen Wall-Street-Banken, legt eines der besten Quartalsergebnisse der Geschichte vor. Fast 3,5 Milliarden Dollar Gewinn - das wäre schon vor der Krise sensationell gewesen und ist es heute umso mehr, neun Monate nach dem Fast-Zusammenbruch des Weltfinanzsystems. Bleiben die Zahlen so gut, wird jeder Bankmitarbeiter im Durchschnitt eine dreiviertel Million Dollar verdienen, so viel wie noch nie.

Banken in Schieflage - und der Staat hilft. (Foto: Fotos: istock; Montage: sueddeutsche.de)

Goldman ist ein Extremfall, aber auch andere große Banken in den USA werden in dieser Woche sehr gute Ergebnisse vorlegen, die Deutsche Bank dürfte Ende Juli folgen. Wieder wird mit hochkomplexen Wertpapieren gehandelt und verdient, jenen "finanziellen Massenvernichtungswaffen", vor denen der Investor Warren Buffett einst warnte. Wieder werden Milliarden-Boni ausgeschüttet. Das Geschäftsmodell der Wall Street, das schon für tot erklärt wurde, ist auferstanden.

Haben die Banker nichts gelernt in der Krise? Doch, das haben sie. Sehr viel sogar. Sie versuchen so viel Geld wie möglich zu verdienen, um sich für den Wettbewerb der Zukunft zu wappnen. Sie versuchen, die besten Mitarbeiter mit attraktiven Gehältern an sich zu binden. Und sie nutzen das nahe Ende der Rezession in den USA ebenso wie die Tatsache, dass in der Krise viele Konkurrenten verschwunden sind, deren Geschäft sie jetzt übernehmen können. Sie gehen dafür auch massiv neue Risiken ein. Fairerweise ist aber einzuräumen, dass zumindest Goldman Sachs dabei vorsichtig vorgeht: Die Risikoanlagen sind gewachsen, der Anteil des geborgten Geldes aber ist wesentlich geringer als vor der Krise.

Goldmans Gewinn ist zunächst einmal schlicht ein Erfolg. Eine Bank mit 25 Prozent Gewinn ist allemal besser als eine mit 25 Prozent Verlust. Nachhaltig sind gute Ergebnisse in dieser Zeit aber noch nicht. Die Verhältnisse auf den Weltfinanzmärkten sind alles andere als normal. Auch Banken, die keine Staatshilfe brauchen, hängen indirekt von ihnen ab. Würden Regierungen und Notenbanken das System nicht mit Billionen Dollar, Euro, Pfund oder Yen stützen, gäbe es überhaupt nichts zu verdienen. Die Gefahr liegt dabei nicht in den Gewinnen von Goldman und anderen, sondern darin, dass die Lobby diese Gewinne als Argumente nutzt, um die fällige Neuregulierung des Geschäfts zu verwässern.

Das Weißbuch von US-Finanzminister Timothy Geithner zur Zukunft der Banken ist in der Struktur richtig. Ob es wirkt, hängt aber davon ab, wie es umgesetzt wird. Und da gibt es noch viel zu manipulieren. So müssen die Banken gezwungen werden, wesentlich mehr Reserven zu bilden als vor der Krise. Sie werden sich dagegen wehren, weil höhere Reserven zu höheren Kosten und niedrigeren Gewinnen führen. Hier muss Geithner hart bleiben. Die berüchtigten komplexen Wertpapiere wie verbriefte Kreditversicherungen ("Credit Default Swaps") oder Hypothekenanleihen werden nicht von den Märkten verschwinden, einfach deshalb, weil sie, richtig eingesetzt, nützliche Finanzierungsinstrumente sind. Aber die Banken müssen gezwungen werden, diese Papiere an regulierten Börsen zu handeln und mit ausreichend Kapital zu unterlegen. Auch hier darf die Regierung keine Kompromisse machen.

Die Quartalsergebnisse dieser Woche geben einen Hinweis darauf, wie die Bankenwelt der Zukunft aussehen wird: Ein kleiner Kreis global operierender Banken geht gestärkt aus der Krise hervor. Neben Goldman Sachs dürften dazu JPMorgan und die Deutsche Bank gehören. Die breite Masse der Kreditinstitute ist jedoch geschwächt und wird noch lange mit den Folgen der Rezession kämpfen müssen. Dieses Problem steht hinter der Klage vieler kleiner und mittlerer Unternehmer über die "Kreditklemme". Auch wenn es einigen besser geht, der Bankensektor insgesamt ist noch lange nicht genesen und auf absehbare Zeit auf das Geld der Steuerzahler angewiesen.

Die Vereinigten Staaten sind hier momentan im Vorteil, weil sie die Sanierung ihrer Banken schneller und aggressiver betrieben haben als die Europäer. Auf der deutschen Wirtschaft lastet vor allem das ungelöste Problem der Landesbanken. Es ist kaum zu verstehen, warum die Bundesregierung - immerhin handelt es sich dabei um eine große Koalition - nicht schon längst eine Radikalkur erzwungen hat. Jetzt rächt es sich, dass die Deutschen das Problem der Banken zu lange als eines fehlinterpretiert haben, das nur die Wall Street betrifft und dort gelöst werden muss.

Die Wirtschaft kann nur dann aus der Rezession finden, wenn es stabile und gesunde Banken gibt. So ernst wie die Lage immer noch ist, liegt es in der Hand von Politikern, ob diese sich entwickeln oder nicht. Die Banker selbst aber müssen begreifen, dass eine strenge und umfassende Regulierung in ihrem ureigensten Interesse liegt.

Es reicht nicht, dass Goldman Sachs oder die Deutsche Bank gut geführt werden, es kommt auf die Stabilität des Gesamtsystems an. Im vergangenen Winter stand die Weltwirtschaft am Rande des Abgrunds. Wenn dies zu schnell vergessen wird, droht irgendwann wirklich eine Wiederholung der Katastrophe.

© SZ vom 16.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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