Kommentar:Kommt der Crash?

Auch im ersten Halbjahr haben die Verkaufssummen für Immobilien neue Rekordwerte erreicht. Die Mieten und Preise steigen vielerorts weiter. Dennoch sprechen viele Gründe dagegen, dass plötzlich eine Blase platzen wird.

Von Andreas Remien

Zwei Statistiken der vergangenen Woche fassen den Zustand des deutschen Immobilienmarktes gut zusammen. Käufer haben für Häuser, Wohnungen und Gewerbebauten 26 Milliarden Euro ausgegeben, allein im ersten Halbjahr, und das nur in Bayern. So hat es der Immobilienverband Deutschland (IVD) anhand des Grunderwerbsteueraufkommens berechnet. Das ist, natürlich, wieder ein neuer Rekord. Die zweite Statistik kommt vom Forschungsinstitut Empirica, das einen sogenannten Blasenindex kreiert hat. Aus Jahresmieten, Einkünften und der Bautätigkeit ermitteln die Experten, ob die Gefahr einer spekulativen Übertreibung steigt oder fällt. Und, keine Überraschung: Die Gefahr ist im ersten Halbjahr wieder gestiegen.

Platzt in Deutschland nun also doch bald flächendeckend eine Immobilienblase? Stürzen die Preise, ähnlich wie schon mal in Spanien oder den Vereinigten Staaten, plötzlich in den Keller? Wohl eher nicht. Das liegt erstens an der starken deutschen Wirtschaft, die vor allem in den Metropolen Arbeitsplätze schafft. Zweitens treibt noch immer das historisch niedrige Zinsniveau die Märkte an. Drittens ist die Kreditvergabe in Deutschland konservativ, etwa im Vergleich zu Großbritannien oder den USA, wo Käufer völlig ohne Eigenkapital ihr Haus finanziert hatten und das Auto noch dazu. Und viertens ist der deutsche Markt mit seinen unterschiedlichen Regionen, seinem großen Mieteranteil, den privaten Eigentümern, kommunalen Unternehmen und Genossenschaften ein vergleichsweise heterogenes und gerade deshalb stabiles Gebilde. Hinzu kommt: In den Städten, wo Wohnungen am dringendsten gebraucht werden, wird noch immer zu wenig gebaut.

Vor allem steigende Zinsen würden die Märkte deutlich abkühlen

Allerdings: Jeder Zyklus hat auch mal ein Ende. Gerade die heiß gelaufenen Wohnungsmärkte werden sensibel schon auf kleine Änderungen reagieren. Mit Abstand der größte Hebel ist das Zinsniveau. Zwar ist eine große Wende derzeit noch nicht absehbar. Aber schon ein Anstieg um wenige Prozentpunkte würde den Immobilienkauf in einigen Lagen so verteuern, dass Kapitalanleger vom Markt verschwinden würden. Schon heute machen große Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen einen Bogen um die teuersten Lagen, weil sich dort kaum mehr Renditen erwirtschaften lassen. Sollten die Zinsen spürbar steigen, könnten zudem noch weniger Selbstnutzer ihren Traum von der eigenen Immobilie realisieren. Die Nachfrage könnte noch aus einem anderen Grund zurückgehen: Empirica rechnet damit, dass der Zuzug in die Metropolen deutlich an Fahrt verlieren wird.

Welche Konsequenzen das für Immobilienkäufer hat, hängt vor allem von deren Motiven ab. Für eine Familie zum Beispiel, die ein größeres Zuhause sucht und im Alter mietfrei wohnen will, spielt die Blasendiskussion noch die geringste Rolle. Wer für den Nachwuchs ein Kinderzimmer braucht, kann seine Entscheidung nicht von der aktuellen Zinspolitik abhängig machen. Selbstnutzer sollten vor allem auf eine lange Zinsbindung achten und so viel wie möglich tilgen. Sie müssen für den Fall gewappnet sein, dass sie bei der Anschlussfinanzierung nicht von höheren Zinsen aus der Bahn geworfen werden.

Kapitalanleger dagegen, für die es in erster Linie auf die erzielbaren (Miet)einnahmen und die Wertentwicklung der Immobilie ankommt, müssen mit jeder neuen Rekordmeldung von den Wohnungsmärkten noch vorsichtiger sein. Wer mit weiter deutlich steigenden Mieten und einem großen Wertzuwachs spekuliert, wird sich mit immer höherer Wahrscheinlichkeit verzocken.

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