Knausrige Lebensversicherungen:"Erschütternd wenig" Geld für Versicherte

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Viele Versicherungsgesellschaften kümmern sich zu sehr um die Erträge ihrer Aktionäre - die Versicherten haben das Nachsehen.

Caspar Dohmen

Alle Jahre wieder schauen die deutschen Lebensversicherer nach Stuttgart, wenn die Allianz Leben dort in der Vorweihnachtszeit bekannt gibt, welche Überschussbeteiligung sie ihren Lebensversicherungskunden für das folgende Jahr gut schreiben wird.

Die Überschussbeteiligungen der Lebensversicherungen orientieren sich meist an den Vorgaben der Allianz. (Foto: Foto: ddp)

An der Entscheidung des Marktführers orientieren sich regelmäßig viele Konkurrenten. Am Donnerstag teilte die Allianz nun mit, dass die Überschussbeteiligung für ihre Kunden bei 4,5 Prozent stagnieren wird.

Höhere Erträge wären machbar

Der Versicherungsexperte Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes map-report, kann die Entscheidung der Allianz Leben nicht nachvollziehen. Überhaupt schütte die Branche erschütternd wenig an die Versicherten aus, sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Angesichts der guten Börsenentwicklung und steigender Zinsen hält er eine höhere Gewinnbeteiligung der Kunden für machbar.

Ein Sprecher der Allianz Leben verteidigte dagegen die Ausschüttungspolitik. Das Unternehmen habe sich vorsichtig verhalten. Schließlich sei ungewiss, wie sich veränderte Vorgaben wie das neue Versicherungsvertragsgesetz auf das Kundenverhalten auswirken werde.

Das Modell zur Kapitalbildung

Wer eine kapitalbildende Lebensversicherung in Deutschland besitzt, der erhält jedes Jahr einen gesetzlich festgelegten Garantiezins, der je nach Abschlussjahr der Police zwischen 2,75 und vier Prozent schwankt und nächstes Jahr auf 2,25 Prozent sinken wird.

Zusätzlich sagen die Versicherer ihren Kunden zumeist einen selbst festgelegten, dann verbindlich zu zahlenden Aufschlag zu. Beide Komponenten ergeben die Überschussbeteiligung. Oft kommen weitere, nicht garantierte Leistungen hinzu, was letztlich die Gesamtverzinsung ergibt.

Bisher haben nur einige wenige Lebensversicherer für das kommende Jahr höhere Überschussbeteiligungen angekündigt. Dazu zählt die Axa mit vier Prozent, die Gothaer mit 4,2 Prozent und die Victoria mit 3,6 Prozent. Alle drei Anbieter lagen im laufenden Jahr aber unter dem Marktdurchschnitt bei den Überschussbeteiligungen, der laut map-report 4,22 Prozent betrug.

Damit ging es seit der Börsenkrise des Jahres 2001 bergab. Zuvor zahlten Lebensversicherer durchschnittlich 7,1 Prozent. Im kommenden Jahr liegen die Europa mit 5,4 Prozent und die Debeka mit 5,1 Prozent vorne.

Aktionäre wichtiger als Versicherte

Poweleit beobachtet, dass Lebensversicherte vor allem bei als Aktiengesellschaft organisierten Anbietern niedrigere Renditen erhalten. Der Aktionär erhält mehr, der Kunde gerät ins Hintertreffen, beschreibt Poweleit den Verteilungskonflikt.

Besser bedient würden Kunden häufig bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, die keine Aktionäre haben. Die Aktionäre seien anspruchsvoller geworden, sagt auch Kurt Wolfsdorf, Vorstandschef der Ergo-Lebensversicherer, zu denen beispielsweise Victoria Leben und Hamburg-Mannheimer Leben gehören.

Höhere Renditen gefordert

Seiner Meinung nach müssen die Lebensversicherer insgesamt höherer Rendite erzielen, damit sie die Aktionären und Kunden gerecht werden können.

Auf dem Weg haben die Versicherer Fehler gemacht. So kritisierte WestLB-Analyst Carsten Zielke wiederholt deren Zurückhaltung bei der Aktienanlage. Dadurch sei der Börsenboom an vielen Versicherern vorbei gegangen.

Die durchschnittliche Aktienanlage der Branche betrug rund zehn Prozent, erlaubt sind 35 Prozent. Das galt allerdings nicht so sehr für die Allianz Leben, die ein Fünftel ihrer Gelder in Aktien investiert.

© SZ vom 15.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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