Klinikleiter:Auch mal leise

Roland Laszig

Neben der Lautstärke sei die Dauer der Belastung entscheidend, sagt Roland Laszig, Leiter der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Freiburg.

(Foto: oh)

Lärm verursacht Stress, aber in Ruhepausen können sich die Ohren wieder regenerieren, sagt der Mediziner Roland Laszig.

Interview von Felicitas Witte

SZ: Wenn die Wohnung nebenan renoviert wird und der Bohrer dröhnt - nimmt das Ohr dann Schaden?

Roland Laszig: Das kommt darauf an. Macht er mehr als 85 Dezibel Lärm und müssen Sie ihn über mehr als 40 Stunden pro Woche hören, dann ja.

Woher weiß ich, ob 85 Dezibel erreicht sind?

Sie können das mit einem Schallmesser bestimmen, den gibt's sogar als App für Ihr Handy. Allerdings sind die nicht validiert und können fehlerhaft messen. Man braucht das aber auch nicht so genau zu wissen, es gibt grobe Anhaltspunkte: Eine Bohrmaschine verursacht etwa 90 Dezibel. Aber die Arbeiter hören hoffentlich nachts auf - dann können sich die Ohren erholen. Problematisch wäre es, wenn Sie tagsüber ständig den Lärm hören, danach mit Ihrem iPod und lauter Musik joggen und sich nachts in der Disco zudröhnen lassen.

Was passiert dann in den Ohren?

Im Innenohr gibt es Zellen, die den Schall von außen aufnehmen und in Nervensignale umwandeln. Die Signale werden ans Gehirn weitergeleitet und dort als Hörempfinden registriert. Trifft nun ständig Schall von mehr als 85 Dezibel auf die Zellen, macht die das total fertig. Gönnen Sie den Zellen eine Erholungspause über Nacht, können sie sich wieder regenerieren. Wenn nicht, werden sie ziemlich geschädigt oder sterben, und Sie hören nicht mehr gut.

Also ist es gar nicht so schlimm, wenn ich Lärm unterhalb der Schwelle von 85 Dezibel ausgesetzt bin?

Das würde ich nicht so sagen. Wenn Sie sich über den Lärm ärgern, löst das in Ihrem Körper eine Stressreaktion aus und das erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Aus neuen Studien wissen wir, dass es zu der Stressreaktion auch ohne Ärgern kommt.

Man sollte also gar nicht mehr laute Musik hören?

Nein, natürlich nicht. Ich höre auch ab und zu die Stones richtig laut - sonst macht das ja auch keinen Spaß. Es geht darum, dass wir unser Leben insgesamt etwas leiser machen. Aber ich fürchte, das wird schwierig. Der eine will einen superkurzen Rasen und braucht dafür einen lauten Rasenmäher, der andere bläst die Blätter im Garten mit diesen furchtbar lauten Bläsern weg, der dritte übt jeden Abend auf dem Schlagzeug.

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