Kleine Blogschau:"A touch of schadenfreude"

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Zwischen Schadenfreude und Hysterie: In den Finanz-Blogs wird heftig über die aktuellen Ereignisse an der Wall Street diskutiert - manche wittern auch ein gutes Geschäft.

Kim Bode

Der Banker Michael M. Grynbaum gibt in seinem Blog im DealBook der New York Times einen Einblick in die Großbaumbüros des gescheiterten Finanzinstituts Lehman Brothers: "Viele Angestellte fummeln vor den Augen aller Kollegen an ihrem Lebenslauf herum. Andere durchforsten Jobangebote im Internet und vergleichen Angebote von Headhuntern."

Ehemalige Lehman-Mitarbeiter räumen ihre Büros - einiges aus den Kisten wird nachher bei Ebay versteigert. (Foto: Foto: AP)

"Hast du schon was gehört?" ist eine oft gehörte Frage. Schulterzucken und Schweigen die einheitliche Antwort. "An einem PC-Monitor hängt ein gelbes Post-it-Zettelchen: 'Get back to BlackRock' ('Gehe zurück zu BlackRock') ist darüber gekritzelt."

Kein guter Punkt für den Lebenslauf

"Wollen die wirklich Lehman Brothers auf ihren Lebenslauf schreiben?" ist der Kommentar des Users Leeman dazu. "Lasst es euch einen guten Rat sein: Jeder Lebenslauf, der in meiner Firma ankommt und auf dem Lehman Brothers aufgeführt ist, landet sofort im Papierkorb. Auch in Gesprächen mit den Personalabteilungen anderer Unternehmen ist deutlich geworden, dass Lehman Brothers in der Branche ein schlechtes Omen bedeutet."

Tipps geben allerdings nur wenige. In der weiten Welt des Internets wird überwiegend gegen die Lehman-Angestellten gehetzt. Lee Glendinning stellt in ihrem Blog beim englischen Guardian fest: "Normalsterbliche sind jetzt hin- und hergerissen zwischen der Schadenfreude über die Demütigung der 'Masters of the Universe'. Jene, die sich selbst tolle Gehälter zahlten, weil sie meinten, sie wüssten wie der Kapitalismus funktioniert. Und gleichzeitig der grauen Vorahnung, dass wir alle für ihr Versagen einstehen werden müssen."

Gefährdete Luxusbranche

Dass es den gescheiterten Investmentbankern bisher aber noch ganz gut zu gehen scheint, hat Robert Frank festgestellt. Er geht in seinem "The Wealth Report"-Blog beim Wall Street Journal der Frage nach, welchen Einfluss die Ereignisse der vergangenen Tage auf New Yorks Luxusindustrie haben könnten: "Die verlorenen Jobs und die schrumpfenden Boni werden die Heerscharen von Luxusunternehmen und exklusiven Ausstattern in Manhattan zu spüren bekommen: Nobelrestaurants, Galeristen, Lamborghini-Verkäufer, Anbieter von afrikanischen Safaris, Privat-Jet-Unternehmen, Innenarchitekten und vor allem die Immobilienbranche - sie alle könnte es treffen, wenn auch nicht sofort."

Bei seinen Recherchen fand er allerdings heraus, dass die Luxusgeschäfte bisher kaum unter der Finanzkrise leiden. "Wir haben uns darauf eingestellt, dass der Verkauf angesichts der Finanzkrise irgendwann einbricht", zitiert er den Präsidenten des Edeluhren-Herstellers Wempe, Ruediger Albers. "Dies ist aber nicht eingetreten." Das Unternehmen verzeichne sogar ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Lediglich die Lehman-Kunden seien seit einigen Monaten weggeblieben. Diese wegfallenden Einnahmen konnten jedoch sofort mit den Ausgaben anderer Wallstreet-Banker, Börsenmakler und ausländischer Kunden kompensiert werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Lehman-Mitarbeiter doch noch gute Geschäfte machen wollen.

Plaudereien über die Lehman-Pleite sind nicht nur ein netter Zeitvertreib für Blogger, mit dem Konkurs des ehemaligen Wall-Street-Flaggschiffs lassen sich auch auf Ebay prima Geschäfte machen. 36 Dollar für eine Wasserflasche? Wenn "Lehman Brothers" draufsteht, sind die Leute bereit, diesen Preis zu zahlen.

Geschäfte mit der Pleite

Die Flasche und andere Lehman-Devotionalien sind momentan der Renner bei Ebay. "Dick Fuld hat mir gesagt, dass diese brandneue Flasche unzerbrechlich ist. Das Gleiche sagte er auch über unser Hypotheken-Geschäft, vor zwei Monaten noch," schreibt der Verkäufer. Sein halbes Leben habe er bei Lehman Brothers gearbeitet. "Keine Garantie darauf, nehme ich also an", fügt er sarkastisch hinzu.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Sammlerstücke zu ersteigern: Wie wär es mit einem Lehman-Shirt, dessen Erlös der Verkäufer für seine nächste Miete braucht. Oder der "Business Continuity"-Stressball? Ob der hält, was er verspricht, ist allerdings auch fraglich.

Der Nutzwert der Popularität

Ein weiteres Angebot: Die Internetadresse thefalloflehmanbrothers.com. "Das wird die meistgesuchte Finanzgeschichte im Jahr 2008 werden! Sichern Sie sich jetzt diese Adresse, die Ihnen Millionen Besucher bescheren wird", verspricht der Adressenhändler mit dem Nickname lieby888.

Tragisch erscheint auch die Auktions-Anzeige zum Prinzipien-Würfel: "Ich nutze diese Möglichkeit, um wenigstens etwas aus den Jahren bei Lehman Brothers mitnehmen zu können. Ich wünschte das Management hätte selbst auf die Sprüche auf diesem Würfel gehört. Dann wären talentierte Leute heute nicht arbeitslos." Auf dem Würfel stehen Sätze wie "Wir beweisen kluges Risiko-Management" - sie sollten die Angestellten motivieren.

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