Klage gegen Hypo Real Estate:"Doppelte Chance auf Schadenersatz"

Anleger, die sich von der Hypo Real Estate geschädigt fühlen, verlangen eine Milliarde Euro von der Skandalbank. Nun hat das Oberlandesgericht München einen Musterkläger bestimmt, der im Namen aller Geschädigter vor Gericht zieht.

Martin Hesse und Klaus Ott

Am 15. Januar 2008 herrschte bei vielen Anlegern in Deutschland helle Aufregung. Vor allem Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE) waren erschüttert: Der damalige Vorstandschef Georg Funke räumte ein, dass die HRE im Zusammenhang mit der Kreditkrise in den USA 390 Millionen Euro abschreiben muss, die Aktie stürzte um 35 Prozent ab. Bis dahin hatte Funke mehrfach sinngemäß erklärt, die Krise berühre seine Bank nicht. Die Aufregung schlug in Entsetzen um, als die HRE im Herbst 2008 mit vielen Milliarden Steuergeld vor dem Kollaps bewahrt werden musste.

Hauptversammlung der Hypo Real Estate Holding AG

Mut zur Wut: Im Oktober 2009 demonstrierten aufgebrachte Anleger bei der Hauptversammlung der Hypo Real Estate.

(Foto: dpa)

Die Anleger, die sich von Funke getäuscht fühlten, zogen scharenweise vor die Gerichte, um Schadenersatz zu erstreiten. Jetzt hat das Oberlandesgericht München einen Musterkläger bestimmt, der im Namen aller anderen für die Ansprüche streitet: den Juristen Christian Wefers. Es geht um rund eine Milliarde Euro. Damit ist das Musterverfahren jetzt offiziell eröffnet.

"Das OLG hat Wefers zum Musterkläger bestimmt, trotz vorausgegangener massiver Angriffe der HRE gegen ihn persönlich", sagte der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp, der Wefers vor Gericht vertritt.

Viele kleine und große Investoren

Hinter Wefers wiederum stehen viele kleine und große Investoren, beispielsweise Fonds der Deka Bank sowie die Fondsgesellschaft Union Investment. "Unser Mandant macht mehr als 900 Millionen Euro Schaden geltend", sagte Tilp. Das OLG hatte im vergangenen Jahr eine Musterklage zugelassen, um nicht Hunderte Fälle einzeln behandeln zu müssen. Ein solches Sammelverfahren ist grundsätzlich möglich, wenn mindestens zehn gleichlautende Klagen zu einem Sachverhalt vorliegen.

Neben Tilp hatten auch andere Kanzleien Anlegerklagen gegen die HRE gebündelt. Allein bei der Münchner Kanzlei Rotter liegen Klagen von rund 70 ehemaligen HRE-Aktionären. Sie unterstützen das Musterverfahren, das nun stellvertretend Wefers führt. "Es ist eine Art konzertierte Aktion", sagt Rotter-Anwalt Felix Weigend. Üblicherweise bestimmt das Gericht denjenigen Kläger als Musterkläger, der die höchste Forderungssumme vertritt. Die anderen Kläger können sich beim OLG äußern, dürften sich aber nicht in Widerspruch setzen zum Musterkläger.

Bis es zum Gerichtsverfahren kommt, könnte aber noch einige Zeit vergehen. Die HRE hat den Vorlagebeschluss, in dem die Kläger ihre Forderungen begründen, vor dem Oberlandesgericht angegriffen. Das Gericht muss zunächst darüber entscheiden, erst dann kann das Verfahren beginnen. Weigend sagte, die HRE versuche immer wieder, den Prozess zu verzögern. So habe man hartnäckig versucht, Wefers als Musterkläger zu verhindern. Tilp rechnet frühestens im zweiten Halbjahr mit dem Verfahrensbeginn.

HRE: "Keine Aussicht auf Erfolg"

Die früheren Aktionäre werfen der HRE beziehungsweise ihrem früheren Management vor, sie immer wieder über den wahren Zustand der Bank getäuscht und ihnen wichtige Informationen vorenthalten zu haben.

Gegenstand sind Ansprüche von institutionellen und privaten Anlegern, die im Zeitraum 2007 bis 15.01.2008 Aktien der Hypo Real Estate Holding AG erworben hatten. Laut Gerichtsbeschluss werde auch der Börsenzulassungs-Prospekt für die Übernahme der in Irland ansässigen Pfandbriefbank Depfa durch die HRE im Jahr 2007 geprüft, sagte Tilp. Damit seien der Streitgegenstand und der Zeitraum, in dem HRE-Aktionäre geschädigt worden sein könnten, deutlich ausgeweitet worden. "Damit besteht eine doppelte Chance auf Schadenersatz."

Die HRE weist die Vorwürfe zurück. "Den Klagen der Anleger liegen behauptete Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten in den Jahren 2007 und 2008 zu Grunde. Wir sehen keine solchen Verstöße, wir geben den Klagen keine Aussicht auf Erfolg."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: