Kaufrausch bei Immobilien:Das bisschen Risiko

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Werden die sicherheitsverliebten Deutschen in der Krise plötzlich zu Spielern? Neue Zahlen legen nahe, dass die Bundesbürger ihre Immobilienkäufe mit immer weniger Eigenkapital finanzieren. Das könnte gefährlich werden.

Angelika Slavik

Es gab da mal diesen schönen Werbespot vom Autohersteller VW. Da konnte man sehen, wie ein paar weiß bekittelte deutsche Ingenieure versuchten, einen funky dance aufs Parkett zu legen - vergeblich. Die Hüften waren steif, das Rhythmusgefühl nun ja: begrenzt. "Wir Deutschen sind vielleicht nicht die Lockersten", hieß es da. "Aber wer will schon ein Auto, das auseinanderfällt?"

Können die Deutschen ihre Wohnungen überhaupt bezahlen? In München etwa legten die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen zwischen 2007 und 2012 um fast 40 Prozent zu. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Deutschen haben es gerne solide, sagt man. Das gilt für Autos ebenso wie für Finanzen. Auch in der Krise suchten die Bundesbürger nach Solidität und Sicherheit, und wo glaubten sie sie zu finden? In Immobilien. Es entstand ein Ansturm auf Häuser und Wohnungen, in manchen Städten gilt der Markt praktisch als leer gekauft. Die Preise explodierten. In München etwa legten die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen zwischen 2007 und 2012 fast 40 Prozent zu. Für Hamburg verzeichneten die Statistiker ein Plus von 36 Prozent, in der vermeintlich billigen Hauptstadt wurden 32 Prozent Preisanstieg registriert. Schon diese Entwicklung machte manchen Beobachter nervös. Sind diese Preise noch angemessen? Und: Werden die Käufer dieses Geld jemals wiedersehen, wenn sie ihr Eigentum irgendwann wieder verkaufen wollen? Das Risiko einer Blase beschäftigte sogar die Bundesbank.

Doch die Geschichte könnte noch einen anderen bedenklichen Aspekt bekommen, wenn man sich ansieht, wie die Deutschen ihre Immobilienkäufe finanzieren: offenbar mit immer weniger Eigenkapital.

Das Onlineportal Immobilienscout24 wertete kürzlich 12 000 Kreditanfragen aus. Demnach sank etwa im Raum Berlin die Eigenkapitalquote der Kreditnehmer von 24 Prozent im dritten Quartal 2011 auf zwölf Prozent im zweiten Quartal dieses Jahres - eine Halbierung. Eine ähnliche Entwicklung zeigen die Zahlen für den Großraum München: Hier sanken die Eigenmittel im selben Zeitraum von 27 auf 17 Prozent.

Die vermeintlich so sicherheitsorientierten Deutschen: Werden sie in der Krise zu Spielern?

"Die niedrigen Baugeldzinsen verleiten zunehmend auch Haushalte mit geringem Einkommen und wenig Ersparnissen zum Immobilienkauf", sagt Immoscout-Finanzierungsexperte Ralf Weitz. Beim Verband der privaten Bausparkassen will man von so einer Entwicklung noch nichts bemerkt haben, ein Sprecher sagt aber: "Eine Immobilie muss man sich leisten können. Wer sie sich nicht leisten kann, sollte die Finger davon lassen."

Belastbare Zahlen, etwa vom Bankenverband, gibt es nicht, doch der Immobilien-Kaufrausch der Deutschen macht sogar die nervös, die gut daran verdienen. "Es kann schon sein, dass in zehn Jahren viele Menschen wieder verkaufen müssen, weil sie sich finanziell übernommen haben", sagt ein Münchner Makler. "Da werden dann viele Objekte plötzlich sehr günstig zu haben sein."

In zehn Jahren, da werden sich die meisten der Käufer von heute um eine Anschlussfinanzierung kümmern müssen, sprich: Sie werden dann die Kreditkonditionen mit ihrer Bank wieder neu verhandeln müssen. Wegen der Krise sind derzeit die Zinsen auf einem historischen Tiefstand, Baugeld ist dementsprechend billig. Wenn das Zinsniveau in den nächsten Jahren aber wieder anzieht, steigt entsprechend auch die finanzielle Belastung für die Kreditnehmer durch das Darlehen. Nicht alle, davon muss man wohl ausgehen, werden diese Belastung auch wirklich stemmen können. Und dann könnte das Haus oder die Wohnung, die eigentlich finanzielle Sicherheit garantieren sollten, schnell wieder auf den Markt geworfen werden - möglicherweise zu einem deutlich geringeren Preis als jenem, den man 2012 bezahlt hat. Ein finanzielles Debakel. Absturz statt Sicherheit.

Finanzierungen mit sinkenden Eigenkapitalquoten bedeuten auch ein steigendes Kreditausfallrisiko für die Banken. Bislang galten die Deutschen als solide Finanzierer, die zwischen 20 und 30 Prozent des Immobilienpreises als Eigenmittel einbringen. Dementsprechend ist auch der Anteil der Bevölkerung, der im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung lebt, ziemlich gering. Etwa jeder zweite Deutsche wohnt in eigenem Besitz - läppisch, verglichen mit anderen europäischen Ländern oder mit den USA.

In Amerika ist das gründlich schiefgegangen. Der US-Immobilienmarkt war der Ausgangspunkt der Krise, die nun schon fünf Jahre anhält. Allerdings waren die Auswüchse dort deutlich krasser: Viele Amerikaner finanzierten ihre Häuser nicht nur komplett ohne Eigenkapital, sie borgten sich sogar deutlich mehr Geld, als sie für den Kauf des Hauses benötigt hätten - und erhöhten damit ihren allgemeinen Lebensstandard. Das war eine ziemlich mutige Spekulation auf steigende Immobilienpreise. Eine Spekulation, die gründlich schiefgegangen ist - und die von den finanzierenden Banken überhaupt erst ermöglicht wurde.

Wird nun also auch die Kreditvergabe der deutschen Banken ein wenig lockerer, so wie es die Immoscout-Untersuchung nahelegt? Der Bankenverband wollte das mangels eigener Zahlen vorerst nicht kommentieren.

© SZ vom 12.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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