Kaufhaussanierung:Musterhaft in Buer

Die Bürger des Gelsenkirchener Stadtteils erweckten das ehemalige Karstadt-Warenhaus zu neuem Leben, um einen längeren Leerstand in prominenter Lage zu verhindern.

Von Stefan Weber

Die Menschen im Gelsenkirchener Stadtteil Buer haben eine ganz besondere Beziehung zur Linde. Sie ist ihr Wappenbaum, seit das Dorf Buer vor mehr als 550 Jahren zur Freiheit Buer wurde. 1928 war es zwar vorbei mit der Eigenständigkeit - da wurde Buer in Gelsenkirchen eingemeindet. Aber die Tradition der "Buerschen Linde" halten sie nach wie vor hoch im Norden von Gelsenkirchen. Und so ist es auch kein Zufall, dass in der Fußgängerzone von Buer am Altmarkt seit August vergangenen Jahres eine stattliche Winterlinde steht - ein Exemplar der Sorte "Tilia cordata Greenspire", deren Blätter leuchten in einem besonders kräftigen Grün.

Gepflanzt hat den sechs Meter hohen Baum die Buer Management GmbH (BMG), eine Investorengemeinschaft, der auch die benachbarte Immobilie gehört - ein ehemaliges Karstadt-Warenhaus mit sehr wechselvoller Geschichte. Die Linde, sagt Siegbert Panteleit, der Sprecher der BMG, solle signalisieren, dass tatkräftige Bürger den Umbau und die Umnutzung des lange Zeit leer gestandenen Kaufhauses im Konsens mit der Stadt selbst in die Hand genommen hätten.

Kaufhaus Bueren

Das Warenhaus an der Hochstraße in Buer hat eine wechselvolle Geschichte.

(Foto: Markus Hawig)

Das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengung ist ein Objekt, das viele Immobilienexperten für ein Musterbeispiel dafür halten, wie man einem alten Warenhaus neues Leben einhauchen kann. Und zwar nicht, indem man es mit finanzieller Unterstützung national oder gar international agierender Investoren ausschließlich für neue Mieter aus dem Einzelhandel herrichtet. Auch nicht, indem man es aus lauter Verzweiflung der Kommune zur Nachnutzung überlässt. Sondern indem Bürger, die sich dem Standort verbunden fühlen, viel Geld in die Hand nehmen und eine Melange aus Handel, Dienstleistungen und Wohnen schaffen.

In Buer waren das 16 Kaufleute, Unternehmer, Handwerker und Immobilieneigentümer, die nicht weiter zusehen wollten, wie das Haus, das Theodor Althoff 1912 für seine später mit Karstadt fusionierte Warenhauskette gebaut hatte, immer weiter verfiel. Karstadt hatte die Immobilie im Zentrum von Buer bereits 2005 aussortiert, Konkurrent Hertie führte es noch vier Jahre weiter. Dann meldete der Kaufhauskonzern Insolvenz an, das Haus war leer.

Die Eigentumsverhältnisse waren schwer zu fassen. Das schreckte Investoren ab

Kaufhaus Bueren

Von Theodor Althoff 1912 errichtet, ging es schon 1920 an Karstadt und firmierte ab 2007 unter Hertie.

(Foto: Christian Schramm)

Häufig wechselnde Mieter, mal ein Möbel-Verkäufer, mal ein Wohnaccessoires-Anbieter, hielten die Vitalität der Immobilie und ihres Umfelds zwar noch ein Stück weit aufrecht. Aber der Abstieg war unübersehbar. Wenn sich überhaupt jemand für die Immobilie mit der schönen Natursteinfassade interessierte, so geriet er bald in ein unübersichtliches Gestrüpp von Insolvenzverwaltern, Banken, Vermarktern und Grundpfandrechtsgläubigern. Kurz: Die Eigentumsverhältnisse waren schwer zu fassen. Das schreckte viele potenzielle Investoren ab. Nicht so die 16 Bueraner Bürger. Sie investierten jeweils zwischen 100 000 und 1,1 Millionen Euro, kauften die Immobilie und machten sich an die Sanierung.

Das alles nicht nur aus Liebe zur Heimat, sondern auch in Sorge um Geschäfte, Mieten und Immobilienpreise in der Nachbarschaft. Die Stadt zog mit. Denn wie abschreckende Beispiele anderer Kommunen zeigen, ist ein längerer Leerstand in prominenter Lage das Letzte, was ein Stadtzentrum gebrauchen kann. Dann sinkt die ohnehin in vielen Städten niedrige Kundenfrequenz noch weiter - mit der Folge, dass weitere Ladenbesitzer aufgeben. Ein Teufelskreis.

Kaufhaus Bueren

Dann kam das Aus - und der Neubeginn mit einer Investorengemeinschaft.

(Foto: Christian Lord Otto)

Was nach dem Eigentumswechsel folgte, war, wie der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski meint, "eine Geschichte, die durchaus ihre Spannungsbögen hatte." Panteleit sagt, dass man beim Umbau eines mehr als hundert Jahre alten Gebäudes nie sicher sein könne, was einen erwarte. Im Keller beispielsweise fanden Bauarbeiter einen extrem dicken Zwischenboden, von dem niemand wusste, warum er einst eingezogen worden war. Das Wichtigste aber, sagt Panteleit, sei es gewesen, in die oberen Etagen "Tageslicht reinzubringen". Denn in der abgeschlossenen Welt der traditionsreichen Warenhäuser seien Fenster nur im Erdgeschoss vorgesehen gewesen. Dunkle Räume aber lassen sich nicht gut vermieten.

Glück für die neuen Eigentümer: Die Jahrhundert-Immobilie besaß einen Lichtschacht, der einst vom Dach bis zum Boden reichte, aber in den Sechzigerjahren Rolltreppen weichen musste. Dessen Wiederbelebung brachte Licht in die zweite, dritte und vierte Etage. Das Innere der Immobilie wurde vollständig entkernt. Die denkmalgeschützte Natursteinfassade erhielt eine behutsame Sanierung. Neue, großzügige Fenster und Schaufenster sowie Eingangsbereiche verschafften dem Bau eine moderne Optik.

In den oberen Etagen eines Gebäudes erfolgreich Einzelhandel zu betreiben, ist eine Herausforderung - das wussten auch die Investoren in Buer. Deshalb wollten sie die Immobilie nach dem Umbau nicht mehr komplett als Kaufhaus, sondern gemischt nutzen: Läden sollte es nur noch im Erdgeschoss geben. Das Konzept ist aufgegangen. Parterre gibt es seit Sommer 2014 einen guten Handelsmix aus Mode, Drogerie, Wohnaccessoires, Spielwaren und Gastronomie. In der ersten Etage ist ein Fitnesscenter eingezogen. Im Stockwerk darüber ist seit diesem Jahr eine Niederlassung der Stadtbibliothek zu Hause, und in den beiden oberen Geschossen sind altengerechte Wohnungen entstanden.

Immobilienentwickler und Stadtplaner sind voll des Lobes über die Revitalisierung des Warenhauses. "Unterstützt durch die Stadt Gelsenkirchen haben tatkräftige Bürger einen die Bestandsstrukturen erhaltenden und identitätsstiftenden Baustein für Gelsenkirchen-Buer geschaffen", urteilt die Landesinitiative Stadtbaukultur Nordrhein-Westfalen.

Beim Blick auf die Rendite "strahlen die Investoren"

Aber so gelungen dieses Projekt ist, ist das Konzept auf andere ungenutzte ehemalige Kaufhäuser übertragbar? "Das funktioniert nur, weil sich alle Beteiligten dem Standort verbunden fühlen, menschlich harmonieren und das Zusammenspiel mit der öffentlichen Hand klappt", betonte Panteleit. Das Investment rechnet sich ganz offensichtlich. Beim Blick auf die Rendite, so sagt er, "strahlen die Investoren". Und natürlich haben die Eigentümer dem früheren Karstadt-Haus einen Namen gegeben, der besonders gut zu Buer passt: Linden-Karree.

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