Kauf vom Bauträger:Fix und unfertig

Baustelle der "Pasing Arcaden II", 2011

Deutschland erlebt einen Bauboom. Viele wollen die günstigen Zinsen noch nutzen und sich eine Eigentumswohnung zulegen.

(Foto: Robert Haas)

Der Ansturm auf neue Eigentumswohnungen ist groß. Interessierte haben nicht viel Zeit und müssen sich oft schon entscheiden, wenn das Haus noch gar nicht gebaut ist. Es ist daher ratsam, sich vorab gut zu informieren.

Von Berrit Gräber

Die Lage könnte kaum vertrackter sein: Immer mehr Bundesbürger möchten sich Wohneigentum zulegen. Baugeld ist billig. Vor allem Eigentumswohnungen stehen hoch im Kurs. Doch der Markt ist in vielen Städten leer gefegt. In den Wachstumsregionen komme das Angebot der Nachfrage nicht hinterher, heißt es beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Bezahlbare Altbauwohnungen sind schon lange Mangelware, also konzentriert sich der Ansturm auf neue Objekte. Aber auch die sind knapp. Die Folge: Geplante Projekte werden den Bauträgern schon Jahre vor der Fertigstellung aus den Händen gerissen. Wer vom Bauträger kauft, spart sich viel Arbeit und hat auch viele Vorteile. Aber es gibt auch Risiken. Häufig nehmen sich auch die Käufer zu wenig Zeit. Manche investierten mehr Energie in den Kauf eines Autos als in den Kauf einer Immobilie, berichtet ein Bauträger. "Vielen Leuten ist nicht ansatzweise klar, worauf sie sich einlassen", sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband privater Bauherrn (VPB).

Alt oder neu

Der Kauf einer neuen Immobilie vom Prospekt weg ist risikoreicher als der Erwerb einer Bestandswohnung. Schließlich kann die Qualität der Bauausführung nicht beurteilt werden, wenn das Haus noch gar nicht steht. Wer dagegen einen Altbau besichtigt, kann in der Regel mithilfe von Experten ganz gut abschätzen, ob die einzelne Wohnung in Ordnung ist und ob auch die Bausubstanz des ganzen Hauses stimmt, das Dach, der Keller, die Heizung, wie Jörg Sahr, Baufinanzierungsexperte von der Stiftung Warentest erklärt. Kalkulierbar ist meist auch die zu erwartende finanzielle Belastung durch anstehende Renovierungs- und Sanierungsarbeiten, ob die Instandhaltungsrücklage der Gemeinschaft reicht, welche Nachbarn dort schon wohnen, wie die Stimmung im Haus ist. Gekauft wird wie gesehen. "Kein Immobilienkauf ist ganz ohne Risiken, aber im Altbau sind sie meist überschaubar", sagt auch Architektin Reinhold-Postina.

Gebühr für Unentschlossene

Wer eine Neubauwohnung sucht, muss sich in vielen Städten bereits zu einem frühen Zeitpunkt zum Kauf entscheiden. Attraktive Wohnungen sind zum Teil schon verkauft, bevor der erste Bagger auf die Baustelle gerollt ist. Viele Bauträger verzichten daher auch auf Musterwohnungen. Ärgerlich für Käufer sind die hohen Reservierungsgebühren für Unentschlossene. Sie werden zwar beim Erwerb verrechnet. Storniert der Interessent aber den Kauf, ist das Geld meist weg.

Komplexe Verträge

Bauverträge sind kompliziert. Kaufwillige sollten deshalb wissen: Mindestens 14 Tage bleibt ihnen Zeit für die Prüfung. Der Notar muss den Käufern die Bauunterlagen zwei Wochen vor dem Beurkundungstermin zur Verfügung stellen. Ohne Prüfung durch einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sollte man einen Kaufvertrag besser nicht unterschreiben, rät Reinhold-Postina. Erst nach dem Experten-Check kann der Käufer ausreichend beurteilen, was etwa in Sachen Ausstattung, Sicherheiten, Hausgeld, Gemeinschaftsordnung oder Zahlungszielen auf ihn zukommt. "Die Leute kaufen nicht nur eine Tranche Wohnung, wie viele glauben", sagt Reinhold-Postina. Sie werden zu Mitbesitzern der ganzen Wohnanlage. Immer wieder fehlen in den Unterlagen Pläne und Berechnungen, so die Erfahrungen der VPB-Prüfer. Käufer sollten vorsichtshalber mit etwa einem halben Jahr Bauzeitverzögerung rechnen und die Mietwohnung nicht vorschnell kündigen, rät der VPB. Wer keine Extra-Ausgaben einplant, kommt schnell finanziell ins Schleudern. Die Mitgliedschaft in einem der Bauherrenschutz-Verbände kann sich bei der Vertragsprüfung schon auszahlen.

Absichern gegen Pleite

Der gesetzliche Verbraucherschutz für private Immobilienkäufer bei Bauträgergeschäften sei mangelhaft, kritisiert der VPB. Käufer sollten sich daher vorab gut informieren. Dazu gehört etwa, bestehende Objekte des Bauträgers anzuschauen, sich umzuhören, frühzeitig eine Bonitätsauskunft über den Bauträger einzuholen, empfiehlt der Verein "Wohnen im Eigentum". Bei Bauträgern, die bereits lange im Geschäft sind und viele Referenzen haben, sind Käufer meist am besten aufgehoben. Kleine Bauträger ohne Erfahrung dagegen bergen ein Risiko - vor allem dann, wenn sie insolvent werden. Kämpfte die Firma wiederholt mit finanziellen Schieflagen, lieber nicht unterschreiben. Denn geht sie während der Bauzeit insolvent, ist das ein echtes Fiasko. Sollte der Baufortschritt schon vor der Insolvenz ins Stocken geraten, dürfen Käufer auf keinen Fall vom Kaufvertrag zurücktreten, warnt der VPB. Sonst ist ihr einziges insolvenzsicheres Faustpfand verloren, nämlich die Auflassungsvormerkung im Grundbuch, die den Käufer als zukünftigen Eigentümer der Immobilie ausweist. Ist die Pleite nicht abzuwenden, ist das gezahlte Geld in der Regel weg. Der Baukredit läuft aber weiter.

In Raten zahlen

Erst dann, wenn der Notarvertrag unterschrieben ist, hat sich der Käufer auch zur Zahlung verpflichtet. Das Geld sollte nach Baufortschritt fließen. Vorauszahlungen sind nur dann akzeptabel, wenn der Bauträger von seiner Bank eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft auf den Käufer-Namen ausstellen lässt. Die erste Rate sollte erst mit der Auflassungsvormerkung im Grundbuch fließen. Trotz aller Vorsicht lauern immer wieder Fallstricke beim Rücktrittsrecht, sagt die VPB-Sprecherin. Während der Käufer nicht kündigen könne, behielten sich manche Verkäufer gern eine Rücktrittsmöglichkeit von vier Wochen vor, sollte sich ein Interessent finden, der noch mehr Geld für die Neubauwohnung zahlt. Lässt die Firma tatsächlich den Deal platzen, sitzt der erste Käufer in seinem Kreditvertrag fest.

Einer für alle

Auch wenn der Neubau problemlos läuft, sollten sich Käufer für die gesamte Anlage interessieren, nicht nur für die eigene Wohnung. Geht es um Essenzielles wie Wärmedämmung, Dach, Anschlüsse, Haus- und Heiztechnik, Außenanlagen und Tiefgaragen, sollten sich die künftigen Eigentümer zusammenschließen und eigene unabhängige Experten zum Baustellen-Check vorbeischicken, rät der VPB. Das ist erlaubt. Viele Immobilien werden schnell hochgezogen. Je mehr Sachverständige hingucken, umso mehr Mängel können rechtzeitig entdeckt werden. Aufgepasst: Der erste Hausverwalter wird grundsätzlich vom Bauträger bestimmt. Das steht so in den Verträgen. Vorsicht ist auch angebracht, wenn das Gemeinschaftseigentum von Kontrolleuren abgenommen werden soll, die vom Hausverwalter vorgeschlagen werden. Das hieße letztlich: Die Baufirma kontrolliert sich selbst.

Teurer Streit

In vielen Fällen läuft der Kauf konfliktfrei. Nach einer Studie des Bauherren-Schutzbundes müssen private Bauherren vom ersten bis zum dritten Jahr nach Fertigstellung mit den meisten Bauschäden und Gewährleistungsmängeln rechnen. Weil aber schon direkt nach der Bauabnahme in der Regel 94,4 Prozent der Gesamtsumme überwiesen sind, haben die Käufer bei Beschwerden kein Druckmittel mehr in der Hand. Ziehen private Bauherren letztlich vor Gericht, geht es im Durchschnitt um stolze 26 000 Euro Streitwert plus Anwalts- und Gerichtskosten, so die BSB-Studie. Für Gutachten fallen zudem etwa 3800 Euro an, für selbständige Beweisverfahren 9300 Euro.

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