Kandidatur für EZB-Spitze:Alles klar für Draghi

Das Zögern hat ein Ende: Monatelang stand Angela Merkel ohne eigenen Kandidaten für den Präsidentenposten der Europäischen Zentralbank da. Doch erst jetzt macht die Kanzlerin den Weg für den italienischen Kandidaten frei.

H. Einecke, Frankfurt

Lange galt er nur als Favorit der Italiener und Franzosen, nun unterstützen ihn auch die Deutschen. Der italienische Notenbankpräsident Mario Draghi soll am 1. November dem Franzosen Jean-Claude Trichet als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) folgen. Italien dürfte ihn spätestens am kommenden Montag beim Treffen der Finanzminister der Euro-Zone offiziell als Kandidaten für den EZB-Chefposten vorschlagen.

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Er machte auf seinem Weg nach oben keine Fehler: Mario Draghi, der stets elegant und freundlich auftretende Kandidat für den höchsten Posten bei der Europäischen Zentralbank.

(Foto: AFP)

Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Dienstagabend mit dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi. Dabei soll sie ihr Okay gegeben haben. "Er steht unseren Vorstellungen von Stabilitätskultur und solidem Wirtschaften sehr nahe. Deutschland könnte eine Kandidatur von ihm für das Amt des EZB-Präsidenten unterstützen", begründete sie ihre Zustimmung in einem Interview mit der Zeit. Ob und welche Gegenleistungen Merkel für ihre Zustimmung aushandelte, wurde nicht bekannt.

Das Zögern der Deutschen hatte mehrere Gründe. Bis Mitte Februar galt der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber noch als Favorit für die Trichet-Nachfolge. Seit dessen Rückzug mangelt es Deutschland an einem passablen Gegenkandidaten zu Draghi.

Außerdem galt bisher ein Mann aus dem hoch verschuldeten Mittelmeerland als schwer vermittelbar. Der "Mister Euro" soll aus deutscher Sicht nämlich für eine stabile Währung stehen, saubere Staatsfinanzen anmahnen und das Erbe der Bundesbank hochhalten.

Vor Merkels Wende hin zu Draghi, 63, hatten sich Marketing-Strategen um eine Image-Aufbesserung bemüht. Der Italiener machte sich öffentlich für eine Stabilitätskultur nach deutschem Vorbild stark und redete den Bankern und der Regierungsmitgliedern in Italien ins Gewissen.

Reserviertes Verhältnis zu Berlusconi

Typisch deutsche Tugenden wie Haushaltsdisziplin, Preisstabilität oder Ordnungspolitik wurden ihm mehr und mehr zugeschrieben, vor allem von Fachleuten. Sein Verhältnis zu seinem skandalumwehten Regierungschef Berlusconi bezeichneten seine Weggefährten als reserviert bis unterkühlt.

Neben seinem italienischen Pass hat Draghi noch einen Schatten auf seiner ansonsten makellosen Karriere. Er arbeitete für die Investmentbank Goldman Sachs, ausgerechnet in der Zeitspanne, als die den Griechen beim Verdunkeln ihres wahren Schuldenstands geholfen haben soll.

Der italienische Notenbankpräsident hat stets seine Unschuld bei diesen Transaktionen beteuert. Sein Intermezzo im Kreis der Investment-Banker bescherte ihm den Spitznamen "Super-Mario", den er inzwischen als seriöser Währungspolitiker sicher nicht mehr gern hört.

Draghis Freunde betonen dessen Fachkompetenz, die er sich als Professor, als Beamter im italienischen Finanzministerium und zuletzt als Chef des Finanzstabilitätsrats mit neuen Regeln für das globale Finanzwesen erwarb. Auf jeden Fall machte der stets elegant und freundlich auftretende Kandidat bei seinem Weg nach oben keine Fehler. Er hielt sich meistens bedeckt, überließ anderen die Bühne.

Seine Statements zur Finanzkrise und zu den Lösungen der Euro-Krise klingen diplomatisch. Sie enthalten aber auch genügend grundsätzliche Schlüsselworte, ohne die ein Notenbanker nicht auskommt. Preisstabilität sei die Grundlage deutschen Wachstums gewesen und müsse nun auch zum Grundsatz für ganz Europa werden, sagte er vor kurzem.

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