Kampf um Rohstoffe:Viel Lärm um wenig Öl

Die Unruhen in Libyen machen Anleger nervös. Das ist gut so, denn erst wenn das Bestehende zu teuer wird, findet ein Umdenken statt. Ein weiter steigender Ölpreis kann die Innovationsbereitschaft deutlich steigern.

Simone Boehringer

Hilfe, der Ölpreis steigt. Die Unruhen in Libyen haben am Montag zu einer übertriebenen, aber vielleicht auch heilsamen Panikreaktion an den Märkten geführt. Ein Fass (159 Liter) Rohöl kostete am Montag zeitweise rund 104 Dollar, fast vier Prozent mehr als vor dem Wochenende. Ein einflussreicher Stammesführer hatte in dem nordafrikanischen Opec-Land damit gedroht, die Öllieferungen in den Westen binnen 24 Stunden einzustellen, falls die Gewalt der Aufständischen nicht aufhöre.

Gewalt in Libyen treibt Ölpreise

Das Camp der Mitarbeiter der BASF-Tochter Wintershall in der libyschen Wüste.

(Foto: dpa)

Ein libyscher Stammesführer bringt die Rohstoffbörsen in Aufruhr, in einem Land, das täglich etwa eine Million Fass von weltweit benötigten 85 bis 90 Millionen exportiert? Das klingt übertrieben und ist daher nur zum Teil verständlich: Zum einen ist Öl der wichtigste Schmierstoff der weltweit auf Hochtouren laufenden Konjunktur. Zum anderen auch ein Rohstoff, der wie kaum ein anderer, immer nur just für den Bedarf gefördert wird. Öl auf Lager zu nehmen kostet Geld, und daran haben die Ölförderländer kaum Interesse, monieren viele doch ohnehin schon länger, dass sie ihren teuren Rohstoff gegen schwächelnde Dollar an den Weltmärkten verkaufen müssen.

Die "Just in time"-Produktion, wie es im Fachjargon heißt, führt zu Überreaktionen, wenn ein Glied in der Kette nicht mehr funktioniert. Allerdings: Sollte Libyen ausfallen, stehen andere Länder bereit. Nicht sofort, aber doch binnen weniger Wochen, kann der mit Abstand wichtigste Ölförderer aus der Region, Saudi-Arabien, eigenen Angaben zufolge seine Produktion deutlich ausbauen und damit die libysche Lücke schließen, und gegebenenfalls auch noch weitere Ausfälle kompensieren - falls sich etwa die Lage in Ägypten wieder zuspitzen sollte und womöglich der Suezkanal gesperrt werden müsste.

Die Route ist wichtig für Öllieferungen nach Europa. Für die Ölversorgung der Vereinigten Staaten ist der Kanal weniger relevant, weshalb der Preis für die amerikanische Ölsorte WTI zuletzt auch deutlich unterhalb der Notierung für das europäische Brent-Öl notiert.

Warum dann die ganze Aufregung? Weil der Ölpreis wie im Übrigen die Notierungen vieler Rohstoffe stark von Terminmärkten beeinflusst wird. Dort werden nicht aktuell verfügbare Mengen, sondern künftig voraussichtlich förderbare Volumina gehandelt. Die Erwartung also, was noch passieren könnte im krisengeschüttelten Nordafrika, bestimmt den Preis für Rohöl stärker als die momentan ausreichend verfügbare Menge. Hinzu kommt: Je mehr Investoren sehen, wie gut und schnell sich offenbar mit Ölkontrakten Geld verdienen lässt, desto mehr Anleger greifen zu.

Märkte übertreiben, von Wettgeschäften getriebene Rohstoffmärkte sowieso. Sie deshalb stark zu regulieren oder Termingeschäfte selektiv gleich ganz einzustellen, wie es einige Politiker für Energie- und vor allem auch für Agrarrohstoffe immer wieder fordern, ist allerdings keine zielführende Lösung, solange die Wetten dem grundlegenden Trend entsprechen. Und der ist bei den meisten Rohstoffen intakt. Die Weltbevölkerung steigt, die Erde ist bereits stark ausgebeutet. Die Nachfrage nach vielen Rohstoffen steigt folglich und das Angebot kann nicht immer mithalten.

Dies gilt für Agrarrohstoffe - die Ackerfläche wächst weniger stark als der Hunger auf der Welt - und eben für fossile Energien. Neue Ölquellen lassen sich zumeist nur noch in großer Tiefe erschließen wie zum Beispiel in 4000 Meter Tiefe vor der Küste Brasiliens. Das ist teuer und schadet zudem der Umwelt, falls etwas schiefläuft, wie die Welt bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010 schmerzlich mitbekommen hat.

Die Erfahrung zeigt: Ein Umdenken findet nur statt, wenn das Bestehende (zu) teuer wird. Und das ist die gute Nachricht hinter der schlechten. Sie ist genauso wenig neu wie die immer wiederkehrenden Überreaktionen an den Börsen - schon vor 40 Jahren warnten die Gesellschaftskritiker des Club of Rome vor der Knappheit von Ressourcen. Aber erst 30Jahre später wurden alternative Energien ein lohnenswertes Geschäftsmodell. Ein weiter steigender Ölpreis kann die Innovationsbereitschaft weiter steigern.

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