Kampf gegen Kreditklemme:Zwangshilfe für Banken

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Berlin denkt über einen radikalen Kurswechsel nach: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erwägt die Regierung, sich an Geldinstituten zu beteiligen - auch gegen deren Willen.

Claus Hulverscheidt

Die Bundesregierung denkt im Kampf gegen die Wirtschaftskrise über einen radikalen Kurswechsel nach. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird intern erwogen, den Banken - ähnlich wie in den USA und Großbritannien - staatliche Hilfe aufzuzwingen. Im Gegenzug würde sich der Staat an den Instituten beteiligen. Grund ist die Sorge, dass die Banken im Herbst kaum noch in der Lage sein könnten, benötigte Darlehen an die Wirtschaft zu vergeben.

Die Skyline von Frankfurt: Möglicherweise wird den Banken staatliche Hilfe aufgezwungen. (Foto: Foto: AP)

Die Regierung würde bei einer sogenannten Rekapitalisierung das Eigenkapital deutscher Banken mit Steuergeld aufstocken und zugleich zum Großaktionär der Institute aufsteigen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatten solche Zwangshilfen bisher stets abgelehnt und auf freiwillige Lösungen gesetzt. Dagegen beteiligte sich die amerikanische Regierung bereits im vergangenen Herbst an allen namhaften Instituten ihres Landes, die britische Regierung verstaatlichte mehrere Großbanken.

Mittlerweile reift auch bei Merkel und Steinbrück die Erkenntnis, dass die Kreditmärkte trotz aller Bemühungen, die Banken zu stützen, austrocknen könnten.Nach übereinstimmenden Analysen des Kanzleramts, des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums steht die gesamte deutsche Wirtschaft mittlerweile vor der Gefahr, dass ihre Finanzierungsquellen versiegen.

Derzeit klagen vor allem kleine und sehr große Betriebe über Probleme. Bis zum Herbst könnte sich daraus eine allgemeine Kreditklemme entwickeln - mit womöglich dramatischen Folgen. Im schlimmsten Fall könnte sich die Rezession weiter verschärfen.

Der Grund dafür ist, dass die Kreditinstitute zurzeit gleich von drei Seiten unter Druck geraten: Zum einen schlummern in ihren Bilanzen immer noch viele faule Wertpapiere. Zum Zweiten wird im Zuge der Krise eine wachsende Zahl von Firmen ihre Darlehen nicht mehr tilgen können. Und zum Dritten zwingen die neuen internationalen Bilanzregeln die Banken dazu, Kredite mit mehr Eigenkapital zu unterlegen.

"Es war ein Fehler ausschließlich freiwillige Lösungen anzubieten"

Das gilt für neue, aber auch für bereits vergebene Darlehen, falls deren Ausfallwahrscheinlichkeit wegen der Rezession steigt. Ein Versuch Deutschlands, die EU-Partner zu einer Aussetzung dieser Regeln zu bewegen, war kürzlich gescheitert. Dies drohe das Eigenkapital der Banken weiter aufzuzehren, hieß es in Regierungskreisen.

Ob es am Ende tatsächlich zu einer Zwangsrekapitalisierung kommen wird, ist dennoch offen. Während aus einem Ministerium verlautete, es sei offensichtlich ein Fehler gewesen, bei der Bankenrettung "ausschließlich freiwillige Lösungen anzubieten", zeigte man sich an anderer Stelle skeptisch.

Es gebe auch in Großbritannien und den USA noch keinen Beweis dafür, dass die dortigen Hilfskonzepte die Kreditvergabe stimuliert hätten, hieß es. Zudem könnte die Regierung auch bei der Teilverstaatlichung einer Bank nur mittelbar - nämlich über den Aufsichtsrat - Einfluss auf Darlehensentscheidungen des Managements nehmen.

In Deutschland haben bisher vor allem die Commerzbank und die Hypo Real Estate von der Möglichkeit der Kapitalhilfe gegen staatliche Beteiligung Gebrauch gemacht.

In den kommenden Monaten dürften allerdings einige Institute hinzukommen: So muss sich jedes Geldhaus, das faule Wertpapiere in eine Bad Bank auslagern will, einem sogenannten Stresstest unterziehen. Ergibt dieser, dass das Institut bei einer weiteren Verschlechterung der Geschäftsbedingungen in Existenznöte geraten könnte, steigt der Staat als Anteilseigner ein.

Ein Gesetz für eine generelle Zwangsrekapitalisierung könnte dagegen schon aus Zeitgründen wohl erst nach der Bundestagswahl verabschiedet werden. Zudem fehlt der Regierung eine Ausstiegsstrategie: "Wer das anfängt, sollte schon heute wissen, wie er da wieder herauskommt", hieß es in den Kreisen. Deshalb prüft der Bund auch mögliche Alternativen: So könnte etwa die staatliche Förderbank KfW ihr Darlehensgeschäft erheblich ausweiten.

Im Gespräch sind auch sogenannte Verbriefungen. Dabei verkaufen die Banken Darlehens-Pakete an einen Investor, der den Erwerb über die Ausgabe von Wertpapieren finanziert. Zudem will sich die Regierung mit bis zu 50 Prozent an der Versicherung von Krediten beteiligen.

© SZ vom 20.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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