Kabinett billigt Gesetzentwurf:Neue Aktien für die Immobilienbranche

Nach jahrelanger Debatte will die Bundesregierung börsennotierte Immobilienfonds (REITs) im kommenden Jahr auch in Deutschland zulassen. Zahlreiche Auflagen schützen die Mieter.

Simone Gröneweg

Das federführende Finanzministerium bezeichnete den Beschluss als Stärkung des Finanzplatzes Deutschland. Ressortchef Peer Steinbrück (SPD) hatte auf Druck seiner Parteifreunde aus Fraktion und Regierung Kompromisse eingehen müssen, um den Entwurf noch durchzubringen.

Kabinett billigt Gesetzentwurf: Zahlreiche Auflagen sollen private Mieter vor Spekulanten schützen.

Zahlreiche Auflagen sollen private Mieter vor Spekulanten schützen.

(Foto: Foto: dpa)

So sollen nur nach 2007 gebaute und überwiegend gewerblich genutzte Wohnimmobilien in einen Reit eingebracht werden dürfen. Allerdings ist in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Die Unionsfraktion drängte darauf, die Änderungen wieder aufzuheben. Mieterschützer begrüßten hingegen die Korrekturen an dem Gesetz. Sie hatten nach eigenen Angaben befürchtet, dass Wohnungen zum Spielball von Spekulanten werden könnten.

Der Name "Reit" ist aus den Initialen des englischen Begriffs "Real estate investment trust" gebildet. Das heißt übersetzt "Immobilienfonds" und ist eine spezielle Spielart dieser Anlageklasse.

Milliardengeschäft

Banker und Immobilienexperten forderten seit Jahren, diese steuerbegünstigten Gesellschaften auch in Deutschland einzuführen. Das ist wenig verwunderlich, denn das neue Anlageprodukt wird für die Branche wahrscheinlich zum Milliardengeschäft.

Nach jahrelangem Verhandeln - insbesondere mit der SPD-Linken - und vielen Diskussionen ist auch Steinbrück diesem Ziel näher gekommen. Er hofft, dass die neuen Immobiliengesellschaften dem Staat zusätzliche Steuereinnahmen bescheren.

Kommen die neuen Aktien zu Beginn 2007 tatsächlich, verändert sich der Immobilienmarkt gewaltig: Immobilien werden zum handelbaren Gut, und darauf zielt die Einführung der neuen Immobilienaktien ab.

Riesiger deutscher Markt

Das in Immobilien gebundene Vermögen hierzulande ist gigantisch. Es wird auf 7,2 Billionen Euro geschätzt, etwa 1,63 Billionen davon dienen gewerblichen Zwecken. "Deutsche Firmen besitzen ein immenses Vermögen an Gebäuden und Grundstücken", sagt Wissenschaftler Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Die Analysten der Privatbank M.M. Warburg haben ausgerechnet, dass allein das Immobilienvermögen der 30 Dax-Unternehmen bei etwa 167 Milliarden Euro liegt. Während in den USA nur 25 Prozent der Firmen ihre Immobilien selbst besitzen, sind es in Deutschland 73 Prozent.

Das soll sich mit Einführung der Reits ändern. Die bisherigen Besitzer von Bürogebäuden, Fabrikhallen oder Pflegehäusern sollen ihre Bestände verkaufen und in einen Reit einbringen, so die Pläne der Finanzexperten.

Dann käme ein riesiges Potenzial zusammen. Bei Roland Berger schätzt man das Marktvolumen bis 2010 auf 57 Milliarden Euro. Bei der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) glaubt man, dass sogar ein Volumen von bis zu 122 Milliarden Euro zusammenkommt.

Neue Aktien für die Immobilienbranche

Davon könnte auch der Staat profitieren. "Kaufen Reits als Investoren die Bestände der Firmen, fällt Grunderwerbsteuer an", sagt Matthias Roche, Partner bei Ernst & Young.

Roche weiß, warum die Konzerne ihre Immobilien bisher nicht in großem Stil verkauft haben. "Die stehen oft mit niedrigem Buchwert in den Bilanzen." Bei einem Verkauf würden stille Reserven gehoben, die zu versteuern sind.

Um die Verkäufe anzukurbeln, ist eine steuerliche Sonderbehandlung geplant. Bei der Aufdeckung stiller Reserven durch Veräußerung soll der Gewinn nur zur Hälfte besteuert werden, und zwar für drei Jahre.

Trotz dieser Vergünstigung - so hat man bei der IFD ausgerechnet - könne sich der Finanzminister wahrscheinlich noch über ein zusätzliches Steueraufkommen von zehn Milliarden Euro freuen.

Neue Arbeitsplätze

"Um die Reits herum werden neue Arbeitsplätze entstehen", sagt Experte Roche. Das sei wie bei einem Autokonzern. "Für den gibt es auch Zulieferer, die mitverdienen." Und so sind die IFD-Experten beim Rechnen noch einmal auf weitere vier Milliarden Euro Steuern durch indirekte Effekte gekommen, die in die Staatskasse fließen könnten.

Aber auch für die Betriebe hat der Verkauf des Immobilienvermögens Vorteile, sagen Experten. " Sie gewinnen damit finanziellen Spielraum für große Investitionsvorhaben", so Voigtländer. Die Immobilien würden professioneller verwaltet, und zwar mit einem einheitlichen Gebäude- und Grundstücksmanagement.

Die potenziellen Interessenten an den deutschen Immobilien sitzen vor allem im Ausland. Angelsächsische Fondsgesellschaften haben bereits große Wohnungsportfolios gekauft. Mittlerweile stehen auch Gewerbeimmobilien auf den Einkaufszetteln.

Günstige Besteuerung

Das Besondere an den Reits: Die Gesellschaften sind von der Gewerbe- und Körperschaftsteuer befreit. Die Gewinne werden größtenteils an die Anleger ausgeschüttet und dort voll besteuert. Problematisch könnte dabei aber die Besteuerung ausländischer Anleger sein, denn die ist in den verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen mit den jeweiligen Staaten geregelt.

Um einen steuerlichen Totalausfall zu vermeiden, ist für die Anteilseigner eines Reit eine Obergrenze vorgesehen. Keiner darf direkt zehn und mehr Prozent an einem Reit halten. Grund: Läge ein Investor aus dem Ausland über diesem Satz, bräuchte er unter Umständen in Deutschland gar keine Steuern auf seine Gewinne zu zahlen.

Und das würde dem Finanzminister nun gar nicht gefallen. Denn dann dienten die Reits - wie von einigen SPD-Politikern kritisiert - als neues Steuervermeidungs-Modell.

(SZ vom 03.11.2006)

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