Jakarta:Bauen bis zum Untergang

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Unter der Last immer neuer Bauten sackt Indonesiens Hauptstadt stetig ab. Nun hat eine Weltbank-Studie das Datum ihres Untergangs errechnet.

Oliver Meiler

Am 6. Dezember 2025 geht Jakarta unter. Vom Meer her gemessen verschwinden dann fünf Kilometer des Zentrums von Indonesiens Hauptstadt, einer Megalopolis mit dreizehn Millionen Einwohnern, unter dem Wasser. Die ganze Altstadt wird dann überspült. Dazu die neuen Quartiere im Norden und im Westen samt den Luxuswohnungen der Reichen, den modernen Shoppingzentren und den Slums an den Rändern.

Bauland überall: Jakarta wächst und wächst. (Foto: Foto: Reuters)

So jedenfalls steht es in einer neuen Studie, einer seriösen, die gerade von der Weltbank veröffentlicht wurde. Ausgearbeitet nicht etwa von Klimaexperten, sondern von Geologen und Statikern.

In ihrer präzisen Terminierung hört sich die Prognose etwas gewagt an, gerade in Zeiten von Erderwärmung und kontroversen Mutmaßungen über den apokalyptischen Weltenlauf.

Doch nur auf den ersten Blick: Am 6. Dezember 2025 wird nach einem erprobten astronomischen Zyklus, der jeweils genau 18,6 Jahre dauert, der Meeresspiegel wieder am höchsten stehen. Das war immer schon ein schlimmer Moment für das tief gelegene Jakarta, das einst von niederländischen Kolonialherren als Hafenstadt auf nachgiebigem Sumpfboden angelegt worden war. Und die Holländer hätten sich ja mit den Gewalten, die vom Meer kommen, eigentlich auskennen sollen.

Neuerdings aber könnte der zyklisch hohe Meeresspiegel sogar fatal sein. Denn Jakarta sackt gleichzeitig ab, jedes Jahr um einige Zentimeter mehr. Die rasend wachsende Stadt sinkt unter dem Druck immer neuer Gebäude deutlich schneller noch, als der Meeresspiegel steigt.

Bis zum Jahr 2025, so die Studie, soll Jakarta noch einmal vierzig bis sechzig Zentimeter tiefer liegen als heute schon, einige Gebiete sogar bis fünf Meter tiefer. Die Bauwut der Indonesier frisst Grünflächen weg und greift jeden freien Küstenmeter an. Die meisten neuen Quartiere liegen in Gebieten, die einst den "grünen Gürtel" bildeten und als unbebaubar galten. Doch der Städtebauplan, der diese Zonen definierte, wurde über die vergangenen Jahrzehnte ständig angepasst und "entgrünt" - freilich ohne Rücksicht auf die geologischen und geomorphologischen Besonderheiten der Stadt.

Berücksichtigt wurden dagegen die Gelüste der Bauherren und Spekulanten. Diese zeigten sich für den Erhalt von Baulizenzen bei den indonesischen Beamten und Politikern erkenntlich - Korruption ist auch in Indonesien ein altes, scheinbar unbezwingbares Übel. Es gab schon Vorstöße von Verbänden und Parteien, die Kompetenzen der Lokalpolitiker bei der Vergabe von Baubewilligungen zu entziehen und an den Staatspräsidenten weiterzugeben. Oder an das Militär. Vorerst ohne Erfolg.

Nichts ist sicher vor der Gier. Früher hatte Jakarta viele Seen, natürliche und künstliche, die auch als Becken dienten und einen Teil der Regengüsse auffangen sollten. In den Tropen regnet es schließlich oft und meistens heftig. 1990 gab es 200 solcher Seen, heute sind es noch knapp fünfzig.

Die übrigen wurden aufgeschüttet, zu Bauland umfunktioniert. Das alte Kanal- und Abwassersystem der Niederländer, erstellt vor Jahrhunderten, hätte eine dringende Verbesserung nötig, die sich an der neuen Größe der Stadt orientieren müsste. Doch selten fließen die dafür im Staatsbudget vorgesehenen Gelder auch tatsächlich in die Modernisierung der Infrastruktur.

Das Wasser kommt von überall: vom Himmel, vom Meer, nur noch längst nicht überall in Jakarta aus den Wasserhähnen. Manchmal, wie zuletzt vor einigen Monaten wieder, standen nach starken Regenfällen während Tagen fast zwei Drittel der ganzen Stadt unter Wasser - mit tragischen Folgen.

Auf einmal traf das Problem aber nicht nur die armen Bevölkerungsschichten, die sich ihre Wohnquartiere nicht aussuchen können. Es traf auch die Residenzen der Reichen in den schönen neuen Vierteln, erbaut im einst "grünen Gürtel". Auf nachgiebigem Terrain, das sinkt und sinkt. Und nahe am Meer, dessen Spiegel steigt und steigt. Am 6. Dezember 2025 soll es seinen höchsten Stand erreichen.

© SZ vom 17. 4. 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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