IWF-Tagung in Washington:Berlin keilt gegen die USA

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Vor der IWF-Tagung teilen die USA kräftig aus - gegen den chinesischen Yuan, aber wegen der Exporte auch gegen Deutschland. Die Bundesregierung ist empört und greift die Amerikaner an.

Claus Hulverscheidt und Martin Hesse

Der Streit der großen Wirtschaftsnationen über die Währungs- und Finanzpolitik hat nun auch zu einem Zerwürfnis zwischen Deutschland und den USA geführt. Die Bundesregierung wies in scharfer Form die Kritik der Amerikaner am wirtschaftspolitischen Kurs Europas zurück.

Yuan, Yen, Dollar und Euro: Die Warnungen vor einem internationalen Währungskrieg mit unübersehbaren Folgen für die Weltwirtschaft werden immer lauter. (Foto: dpa)

Die USA machen seit einigen Wochen unverblümt Deutschland und China für ihre anhaltende wirtschaftliche Misere verantwortlich, wobei die Bundesrepublik meist nicht namentlich genannt wird. Aus Sicht der Amerikaner überschwemmen beide Länder die Welt mit ihren Waren, statt die Nachfrage daheim anzukurbeln.

China wird zudem beschuldigt, die eigene Währung künstlich niedrig zu halten, um zu Dumpingpreisen exportieren können. Diesem Vorwurf hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) grundsätzlich angeschlossen. Ihr Sprecher Steffen Seibert verwies jedoch am Freitag darauf, dass neben dem chinesischen Renminbi auch der Dollar tendenziell unterbewertet sei. Die lockere Geld- und Finanzpolitik der US-Behörden habe dazu geführt, dass auch der Kurs der amerikanischen Währung "vielleicht nicht dem ganz reellen Wert entspricht".

Es ist ausgesprochen selten, dass sich ein Regierungssprecher zu Wechselkursfragen äußert. Umso mehr zeigen Seiberts Aussagen, wie sehr sich Merkel über die Angriffe aus Washington ärgert. In Regierungskreisen hieß es, die Amerikaner wollten mit ihren Angriffen davon ablenken, dass die nicht nur Opfer, sondern auch "Teil des Währungsproblems" seien. Das Verhalten Washingtons sei "eine Unverfrorenheit". Seibert äußerte sich im Ton diplomatischer, in der Sache aber ebenso klar: Die Bundesregierung könne sich die Aussagen führender US-Politiker "nicht erklären", sagte er.

Adressat der Kritik ist vor allem Finanzminister Timothy Geithner, der am Mittwoch zu einem Rundumschlag gegen China und Europa ausgeholt hatte. Nach Ansicht Geithners frönen viele Europäer einer übertriebenen Sparwut, statt das Wachstum anzukurbeln. Zudem seien die EU-Staaten für einen allgemeinen Vertrauensverlust in die Industrieländer verantwortlich, weil sie im Frühjahr zu lange über das Rettungspaket für Griechenland diskutiert hätten. Das zögerliche Krisenmanagement habe Zweifel geweckt, "ob Europa den Willen und die Fähigkeit hat, seinen Mitgliedern durch einen sehr langen und sehr schweren Reformprozess zu helfen".

Seibert entgegnete, der Fall Griechenland habe die Handlungsfähigkeit der EU nicht in Frage, sondern im Gegenteil unter Beweis gestellt. Deutschland habe hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet. Was das Verhältnis zwischen Konjunkturförderung und Haushaltskonsolidierung angehe, setze die Bundesregierung die Beschlüsse des G-20-Gipfels von Toronto um. Dort war beschlossen worden, die Konjunkturhilfen Schritt für Schritt auslaufen zu lassen und 2011 mit der Etatsanierung zu beginnen.

China und Türkei handeln zukünftig ohne Dollar

Nahrung erhielt der Streit um die Wechselkurse am Freitag durch neue Konjunkturdaten. Amerikanische Unternehmen bauten im September mehr Stellen ab als befürchtet. Das förderte an den Märkten die Angst vor einem Rückfall der USA in die Rezession, der Dollar gab erneut nach - bis sich Jean-Claude Juncker in den Währungsstreit einschaltete: Der Chef der Eurogruppe bezeichnete den Euro am Rande der IWF-Jahrestagung in Washington als zu stark, er sei mit einem Kurs von 1,40 Dollar nicht glücklich. Daraufhin gab der Kurs etwas nach, am Nachmittag lag er bei 1,3930 Dollar.

EZB -Präsident Jean-Claude Trichet hatte sich am Donnerstag gegen Interventionen am Devisenmarkt ausgesprochen und damit den Kurs auf mehr als 1,40 Euro katapultiert. Der Dollar geriet am Freitag auch deswegen unter Druck, weil China und die Türkei ankündigten, künftig bei der Abwicklung ihres Handels auf den Dollar zu verzichten.

IWF und Weltbank versuchen nun den Streit um die Wechselkurse zu schlichten. IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn warnte vor der Jahrestagung, es könne keine guten Folgen für die noch schwache Weltwirtschaft haben, wenn Staaten ihre Währungen als Waffen einsetzten. Weltbank-Präsident Robert Zoellick sagte, die derzeitigen Spannungen könnten in handfesten Ärger münden, werde mit ihnen nicht richtig umgegangen.

Strauss-Kahn schlug eine Stabilitätsinitiative im Rahmen des IWF vor, um Abwertungswettläufe zu verhindern. Auch die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde forderte, die internationale Abstimmung der Geldpolitik zu verbessern und Kapitalflüsse einzudämmen, die zu Turbulenzen an den Devisenmärkten führten. Frankreich übernimmt im November den Vorsitz der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer.

© SZ vom 09./10.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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