Interview zum Unicef-Skandal:"Mehr Ehrlichkeit, weniger Schönrednerei"

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Nach Ansicht von Philipp Hof, Geschäftsführer der Hilfsorganisation "Stiftungszentrum.de", haben Spender häufig falsche Erwartungen. Er fordert einen ehrlicheren Umgang mit dem heiklen Thema Verwaltungskosten.

Carsten Matthäus

Philipp Hof ist Geschäftsführer von Stiftungszentrum.de. Ziel der Organisation ist es, den Aufbau kleiner, gemeinnütziger Stiftungen zu fördern. Dabei wird die Verwaltung kleiner Stiftungen gebündelt, um die Kosten möglichst gering zu halten. Derzeit werden im Stiftungszentrum 615 Stiftungen betreut, die über ein Stiftungsvermögen von mehr als 50 Millionen Euro verfügen und bisher mehr als 21 Millionen Euro an Zinsen und Spenden für die Lösung gesellschaftlicher Aufgaben eingesetzt haben.

Stiftungsmanager Philipp Hof: "Der Anspruch der Spender ist sehr hoch." (Foto: Foto: oH)

sueddeutsche.de: Als die Unregelmäßigkeiten bei Unicef bekannt wurden, schwieg der Vorstand so lange, bis es ein handfester Skandal wurde. Warum haben Spendenorganisationen ein solches Problem mit Transparenz?

Philipp Hof: Die eigentliche Ursache liegt meines Erachtens in der Ansicht der Spender, dass Verwaltungskosten per se schlecht sind. Sie werden als nicht notwendig erachtet, geringe Kosten gelten als Qualitätsmerkmal. Deshalb tun sich Hilfsorganisationen schwer, über die wirklichen Kosten zu informieren. Auf der anderen Seite ist der Anspruch der Spender hoch: Sie wollen in Bild und Ton über die zu lindernde Not informiert werden, verlangen vorgedruckte Überweisungsträger, wollen schnell ihre Spendenquittung haben und hätten gerne noch einen persönlichen Ansprechpartner für weitergehende Fragen. Das ist ein verständlicher Anspruch, bei der durchschnittlichen Spendenhöhe von 30 Euro ist dies aber kaum mit weniger als 25 Prozent Verwaltungskosten zu schaffen.

sueddeutsche.de: Auf der Unicef-Internetseite ist von Spenden-Verwaltungskosten in Höhe von weniger als zehn Prozent die Rede.

Hof: Dies steht meines Erachtens nicht im Widerspruch, da bei den Prozentangaben alle Spenden einbezogen werden, auch Großspender. Wenn da von einer Großspende von - sagen wir - einer Million Euro etwa 30.000 Euro an Verwaltungskosten anfallen, dann sind das eben nur drei Prozent. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass für die Bearbeitung der Kleinspenden prozentual ein sehr viel größerer Teil für Verwaltungs- und Informationskosten abgezogen werden muss.

Zusätzlich wird das Bild noch in der Katastrophenhilfe verzerrt. Direkt nach einer solchen Katastrophe wird ohne jede Werbung viel gespendet, die Verwaltungskosten sind somit niedrig. In den Folgejahren, wo die Hilfe richtig angelaufen ist, die Erinnerung an die Katastrophe aber verblasst, muss um Spenden aktiv geworben werden. Die logische Folge: Die Verwaltungskosten steigen.

sueddeutsche.de: Warum redet niemand offen über dieses Problem?

Hof: Für die Verantwortlichen großer Organisationen, die auf das Wohlwollen der breiten Masse angewiesen sind, ist das Thema heikel. So hat es sich im Nonprofit-Sektor eingebürgert, dass zum Thema Verwaltungskosten - wenn überhaupt - nur sehr undeutlich kommuniziert wird. Die Empörung über den Unicef-Vorstand hat ja auch gezeigt, wie gering das Verständnis in der Öffentlichkeit ist. Dass 20 Prozent Verwaltungskosten ein Ausweis von Qualität sein können, würden nur wenige wahrhaben wollen.

Lesen Sie im zweiten Teil, was einzelne Spender tun können, um mehr Klarheit über die Verwendung ihrer Spende zu erlangen.

sueddeutsche.de: Was sollte im deutschen Spendenwesen zukünftig anders laufen?

Kleinspende für Unicef: "Besonders vertrauenswürdig ist eine Organisation, wenn auch über Probleme berichtet wird." (Foto: Foto: dpa)

Hof: Zunächst einmal sollte den Spendern von vorneherein klargemacht werden, wie wichtig die Informations- und Verwaltungsarbeit gerade bei Hilfsorganisationen ist. Ohne diese Arbeit würde das Geld überhaupt nicht an der richtigen Stelle ankommen. Die USA sind hier ein gutes Vorbild. Dort wird man eher skeptisch, wenn eine Organisation mit sehr niedrigen Verwaltungskosten um Spender wirbt. Überhaupt kein Problem ist es dagegen, wenn ein Viertel der Spenden für Werbung, Information und professionelle Mitarbeiter ausgegeben werden. Es ist dort auch in Ordnung, wenn eine Nonprofit-Organisation einem Berater für eine ordentliche Leistung ein hohes Honorar zahlt. In Deutschland wird dagegen immer noch der Helfer als Ideal gesehen, der neben dem Beruf abends und am Wochenende ehrenamtlich tätig ist. Das ist ab einer gewissen Größe nicht mehr realistisch.

sueddeutsche.de: Was kann der einzelne Spender tun? Ist das Spendensiegel des DZI hier eine Hilfe?

Hof: Das Siegel ist eine sinnvolle Ergänzung, wenn man sich über eine Organisation informieren möchte. Es wäre aber viel zu teuer für das DZI, alle diese Hilfsorganisationen einer vollständigen Prüfung zu unterziehen. Schon allein die Abgrenzung, was noch als Verwaltungskosten gelten muss und was schon in die Projektförderung gebucht werden kann, ist hochdifferenziert und komplex. Hinzu kommt die Frage, was im Ausland in Rechnung gestellt wird und was in Deutschland. Ein solches Siegel oder auch die Mitgliedschaft im Deutschen Spendenrat ist also nicht automatisch der Beleg für eine gute Organisation. Es zeigt aber ein grundsätzliches Bemühen um Transparenz.

sueddeutsche.de: Hat der einzelne Spender sonst noch Möglichkeiten?

Hof: Viel wichtiger als Verwaltungskosten ist doch die Effektivität der Hilfe. Die Organisation sollte die Frage beantworten können, was mit dem Spendengeld eines Jahres alles erreicht wurde - das ist ja ihr Produkt. Besonders vertrauenswürdig wird ein Hilfsprojekt für mich dann, wenn auch über die Probleme bei der Hilfe berichtet wird und nicht allein über die Erfolge.

Meiner Erfahrung nach ist es beispielsweise in Afrika ein nicht zu unterschätzendes Problem, für eine Schule die richtigen Lehrer zu finden und einzustellen. Ich möchte hier vor allem die Mühe erkennen. Das kann auch beinhalten, dass eine Organisation Forschung und Entwicklung betreibt, bevor sie ein Hilfsprojekt - beispielsweise in der Landwirtschaft - startet. Einfach gesagt, wünsche ich mir im Spendenbereich mehr Ehrlichkeit und weniger Schönrednerei.

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