Interview mit Peer Steinbrück:"Das war ein ziemliches Durchwursteln"

In der großen Krise hat sich der damalige Finanzminister Peer Steinbrück profiliert. Vor dem Euro-Gipfel kritisiert er das Verhalten der Bundesregierung - und den EZB-Chef Trichet gleich mit.

Claus Hulverscheidt

Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundesfinanzministers hat sich Peer Steinbrück, 64, mit Äußerungen zur Tagespolitik zurückgehalten. Mit Blick auf das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder an diesem Freitag meldet er sich wieder zu Wort.

Bundestag - Steinbrück

Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) glaubt, dass Griechenland nicht um eine Umschuldung herumkommt.

(Foto: dpa)

SZ: Herr Steinbrück, eigentlich sind Sie ja mit schuld daran, dass ein weiterer Euro-Krisengipfel notwendig ist.

Peer Steinbrück: Ich? Warum das denn?

SZ: Weil Sie seinerzeit die riesigen Bankenrettungs- und Konjunkturpakete mitgeschnürt haben, die die Schuldenkrise in Europa erst ausgelöst haben.

Steinbrück: Welche Folgen hätte es denn gehabt, wenn wir der Finanzkrise damals tatenlos zugesehen hätten? Doch wohl noch schlimmere als die, mit denen wir es jetzt zu tun haben! Die Frage ist eher, was die Bundesregierung im vorigen Jahr getan hat. Aus meiner Sicht war das ein ziemliches Durchwursteln.

SZ: Was genau meinen Sie damit?

Steinbrück: Zum einen hat sie immer wieder ihre Meinung geändert und damit sowohl die Märkte irritiert, als auch die europäischen Partner verärgert. Nehmen Sie als Beispiel nur das Hin und Her um die Hilfen für Griechenland. Zum anderen geht sie bis zum heutigen Tag die wahren Probleme nicht an.

SZ: Als da wären?

Steinbrück: Die viel zu hohe Verschuldung einiger Euro-Länder und die nach wie vor zu große Zahl labiler Banken. Wenn es der Bundesregierung mit ihrem Versprechen tatsächlich ernst ist, dass innerhalb Europas kein Land mit seinen Problemen allein gelassen wird, dann wird sie dem deutschen Publikum irgendwann sagen müssen, dass der Euro-Rettungsfonds aufgestockt werden muss.

SZ: Dann stünde zwar mehr Geld zur Verfügung, die Ursachen der Probleme wären aber immer noch nicht beseitigt.

Steinbrück: Richtig. Deshalb muss die Regierung in einem zweiten Schritt Vorkehrungen für eine Umschuldung einzelner Länder treffen. Sie werden weltweit kaum einen Experten finden, der glaubt, dass Griechenland und vielleicht auch Portugal um eine solche Umschuldung herumkommen werden.

"Ihnen bleibt nur ein zeitweiser Ausstieg"

SZ: Es gibt aber auch Experten wie den Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, die davor warnen, das Wort Umschuldung auch nur in den Mund zu nehmen. Sie fürchten, dass sich die Banken aus dem Geschäft mit Staatsanleihen verabschieden und die Probleme damit erst recht eskalieren könnten.

Steinbrück: Bei aller sonstigen Wertschätzung für Herrn Trichet: Hier liegt er falsch. Wenn Staaten wie Griechenland und Portugal über sieben Prozent Zinsen auf ihre Anleihen zahlen müssen, wie das derzeit der Fall ist, dann werden sie diese Schuldenlast selbst bei einer Nettokreditaufnahme von null nicht tragen können. Das ist reine Mathematik, und das wissen auch die Kapitalgeber.

SZ: Wie soll eine solche Umschuldung denn vonstatten gehen?

Steinbrück: Es muss zunächst eine Umschuldungsquote definiert werden, beispielsweise 30 Prozent. Das würde bedeuten: Die Finanzhäuser verzichten auf 30 Prozent ihrer Ansprüche, erhalten dafür aber die Garantie, dass die verbleibenden 70 Prozent auch tatsächlich zurückgezahlt werden. Dafür steht im Zweifel der Euro-Rettungsfonds, also die Gesamtheit der Euro-Länder, gerade.

SZ: Rein ordnungspolitisch betrachtet spricht sicher vieles für eine Gläubigerbeteiligung. Manch klamme Bank würde solch einen Schnitt aber nicht überleben.

Steinbrück: Das ist richtig.

SZ: Das bedeutet, dass wir nach dem Euro-Rettungsschirm den nächsten Banken-Rettungsschirm bräuchten.

Steinbrück: Korrekt. Und zugleich bräuchten wir ein europäisches Insolvenzrecht für Banken, um Institute, die nicht überlebensfähig sind, geordnet abwickeln zu können. Auch hierzu habe ich von der Regierung noch nichts gehört.

SZ: Und was ist mit Ländern, die nicht einmal eine Umschuldung retten kann?

Steinbrück: Ihnen bliebe nur ein zumindest zeitweiser Ausstieg aus der Euro-Zone. Das Land erhielte damit die nationale Hoheit über die Zinspolitik zurück, könnte seine Währung abwerten und so die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Auch in einem solchen Fall müssten die EU-Partner dem betroffenen Land aber weiter finanziell zur Seite stehen.

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