Crash-Prophet Max Otte:"Ich habe von der Krise schamlos profitiert"

Max Otte gilt als Deutschlands Krisenprophet. Ein Gespräch über das Geheimnis seines Buchs "Der Crash kommt" und warum wir den Euro nicht brauchen.

A. Mühlauer und H. Wilhelm

Seit er 2006 das Buch Der Crash kommt veröffentlicht hat, gilt Max Otte als Deutschlands Krisenprophet. Keine Frage. Der Saal während seines Vortrages in München ist dicht gedrängt voll. Danach wollen die Menschen mit ihm reden, diskutieren, plaudern. Über die Finanzkrise und jeder Einzelne über seine ganz persönliche Verschwörungstheorie. Otte bleibt trotzdem freundlich. Ja, als berufsmäßiger Pessimist ist man gefragt in diesen Tagen. 40 Vorträge hält Otte in den nächsten zweieinhalb Monaten. Außerdem ist er - mittlerweile in Teilzeit - Professor der BWL an der FH Worms und hat ein Unternehmen, das Privatanleger und Mittelständler berät. Promoviert hat er in Princeton, in Boston war er kurze Zeit Professor. Doch es zog ihn zurück nach Deutschland.

Wirtschaftsprofessor Otte

"Crash-Prophet" Max Otte verdiente an der Krise mindestens 230.000 Euro.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

SZ: Herr Otte, Irland hin, Griechenland her: Der Euro macht uns mal wieder zu schaffen.

Max Otte: Es war klar, dass es so kommt.

SZ: Ach, kommen Sie. Als Krisenprophet müssen Sie das natürlich sagen.

Otte: Mein Vortrag, mit dem ich mich 1998 für die Professur in Boston bewarb, hatte das Thema: Warum der Euro politischer und ökonomischer Wahnsinn ist und warum es in zehn Jahren Probleme damit geben wird. Den Amerikanern hat dieser eurokritische Ansatz natürlich gefallen und ich habe den Job bekommen. In Europa habe ich dann aber niemanden gefunden, der diese These veröffentlichen wollte.

SZ: Warum brauchen wir den Euro nicht?

Otte: Es ist ein Mythos, dass wir den Euro brauchen, um Europa zusammenzubringen. Ein völliger Wahnsinn. So verschiedene Volkswirtschaften unter ein Dach zu zwingen. Der Euro ist schädlich. Er hat den spanischen Immobilienboom doch erst ermöglicht, weil die Spanier dort plötzlich unsere günstigen Zinsen hatten.

SZ: Der Euro ist alternativlos, sagt Kanzlerin Angela Merkel.

Otte: Wenn man lange nicht darüber nachdenkt und sich dann in eine Ecke drängen lässt, dann kommt man aus der Ecke nicht mehr raus. Es war halt eine rein politische Entscheidung gewesen, jetzt muss man damit umgehen.

SZ: Ihren Ruf als Pessimist verdanken Sie Ihrem Bestseller "Der Crash kommt", den Sie 2006 veröffentlichten. Seither gelten Sie als der deutsche Krisenprophet. Wie kam Ihnen die Idee für das Buch?

Otte: Krisen fand ich schon immer spannend. 1986 habe ich einen Vortrag des Krisen-Forschers Charles Kindleberger gehört. Der hat mich begeistert. Außerdem bin ich verhinderter Historiker, Geschichte hätte ich lieber studiert als Volkswirtschaft. Aber man muss ja auch auf die Zweckmäßigkeit des Studiums achten.

SZ: Im Studium der VWL haben Sie doch gelernt, dass der Markt alles regelt.

Otte: Diese Ansicht ist mir immer fremd gewesen. Ich musste das gezwungenermaßen inhalieren und auch wieder von mir geben. Aber in Wirklichkeit ist es doch anders: Krisen sind die Bruchstellen der Geschichte, die zeigen, dass es eben nicht funktioniert. Und jetzt, jetzt verrate ich Ihnen ein großes Geheimnis. 1988 erschien in den USA ein Buch von einem relativ unbekannten Professor aus den Südstaaten, Ravi Batra, es hieß "The Great Depression of 1990". Das war der Mega-Bestseller in den USA, gerade als ich in Princeton anfing zu promovieren.

SZ: Was stand in dem Buch?

Otte: Das Buch war nicht dumm. Ravi Batra hatte grundsätzlich ähnliche Ideen wie John Maynard Keynes: Wenn die Vermögensverteilung zu weit auseinandergeht, dann bekommt man eine strukturelle Nachfrageschwäche. Das ist schon fast sozialistische Krisentheorie. Aber das stimmt ja eigentlich auch. Er schrieb viel über das Verschuldungsproblem in den USA.

SZ: Und dann?

Otte: Ich dachte: Eigentlich hat er ja recht. Aber die Krise kam nicht. 2000 hat er es dann noch mal probiert und noch ein Krisen-Buch veröffentlicht. Er hatte immer noch recht. Doch wieder kam keine Krise. Dann veröffentlichte auch der Analyst Robert Prechter ähnliche Gedanken. Die Logik konnte ich teilen - natürlich nicht komplett, aber im Grundsatz schon. Da steckt viel historisches und politisches Wissen drinnen. Diese Gedanken habe ich dann zusammengezogen.

SZ: Das war alles? Das soll das ganze Geheimnis Ihres Erfolgs sein?

Otte: Na ja, hinzukam: Als ich in Boston lebte und nicht wenig verdiente, fraß mein nicht besonders schönes Apartment die Hälfte meines Gehaltes auf. Da merkte ich: Die Relationen am amerikanischen Immobilienmarkt passen einfach nicht mehr. Tja, und dann hatte ich den richtigen ökonomischen Instinkt, um zu sagen: Jetzt ist es so weit. Jetzt kommt die Krise. Ich schrieb mein Buch.

SZ: Das klingt einfach. Wann schreiben Sie Ihr nächstes Crash-Buch?

Das erste Unternehmen: Krachend in die Insolvenz

Otte: Ich werde kein zweites Crash-Buch schreiben. Jetzt gibt es ja genügend: "Der Staatsbankrott kommt", "Der Abschwung kommt", "Die nächste Krise kommt bestimmt", "Die Inflation kommt".

SZ: Wie verkaufte sich Ihr Crash-Buch zu Beginn?

Otte: Bis Sommer 2008 etwa 50000 Stück. Ich war sehr zufrieden.

SZ: Und dann kam die Krise. . .

Otte: . . . und die Verkaufszahlen gingen hoch. Bis heute habe ich knapp 500000 Stück verkauft und 230000 Euro mit dem Buch verdient.

SZ: Sie haben von der Krise profitiert.

Otte: Schamlos.

SZ: Es war einfach nur das richtige Buch zur richtigen Zeit.

Otte: Jetzt werde ich mit diesem einen Buch identifiziert. Dabei ist das nur ein Bausteinchen in meinem Leben. Es gab so viele andere Momente, Momente des Scheiterns und des Neuanfangs. Da ist nichts gradlinig verlaufen. Als junger Mensch hatte ich den festen Vorsatz, in die USA auszuwandern. Jetzt bin ich zwar amerikanischer Staatsbürger geworden, bin aber doch zurück nach Deutschland gekommen. Anfang der Neunziger, da hatte ich überlegt, doch auf die dunkle Seite zu wechseln und Investmentbanker zu werden. Aber die wollten mich alle nicht. Für meine Dissertation habe ich sieben Jahre gebraucht. Und mit einem ersten Unternehmen habe ich eine Insolvenz hingelegt.

SZ: Wie ist das, wenn man pleite geht?

Otte: Nach nur drei Semestern in Boston habe ich gekündigt. Ich habe einfach eine unternehmerische Ader und wollte und will auch was bewegen. Also bin ich ins kalte Wasser der New Economy gesprungen, im Jahr 2000. Ich wollte ein Internetportal für Anleger machen. Das waren Sitten in der Zeit! Das Unternehmen, mit dem ich zusammenarbeitete, wollte das Projekt verkaufen. Dann habe ich eine Insolvenz hingelegt, um das zu verhindern. Das ging hin und her. Da folgten sechs bis sieben Prozesse. Das ging schon an die Existenz, ja. Wegen der Rechtsstreitigkeiten habe ich dann meine Gitarrensammlung verkauft. Das war hart.

SZ: Spielen Sie noch Gitarre?

Otte: Ich war begeisterter Hobbyrocker in einer Band. Wir haben laut und heavy Musik gemacht, die Musik der Siebziger halt. Zurzeit komme ich nicht dazu und bin weder körperlich noch musikalisch fit genug. Aber da wird bald wieder trainiert.

SZ: Herr Krisenprophet, was kommt nun? Alle sprechen ja gerade vom Ende des amerikanischen Zeitalters - zu Recht?

"Vier, fünf Prozent Inflation wären gut"

Otte: Amerika steht mit dem Rücken zur Wand. Wir haben dort 15 Prozent echte Arbeitslosigkeit. Wir haben einen drohenden Kollaps der Wirtschaft. Es kann sein, dass sie sich qua Inflation entschulden. Die Amerikaner könnten es schaffen, den großen Reset-Knopf zu drücken und so wieder neu anzufangen. Aber wir kommen in eine wirtschaftspolitisch und weltpolitisch unübersichtliche Phase. Das ist schon riskant gerade. Normalerweise gab es immer Kriege, wenn sich das Zentrum der Weltpolitik verschoben hat. Von Portugal nach Spanien, von Spanien nach Holland, von Holland nach England, von England in die USA.

SZ: Der Krieg als Reset-Knopf.

Otte: Eben.

SZ: Wann geht es denn los mit der Inflation?

Otte: Es ist eine merkwürdige Zeit. Wir haben einerseits viele deflationäre Impulse: Arbeitslosigkeit, Pleiten, sinkende Häuserpreise. Auf der anderen Seite wird die Geldmenge massiv ausgedehnt. Ich denke, wir werden in den nächsten zwei Jahren Klarheit haben, wo es hingeht. Es ist nicht gesagt, dass Bernanke und Co das in den USA hinbekommen. Wenn nicht, dann Heidewitzka! Wenn die eine Hyperinflation kriegen, dann gute Nacht. Die EZB hält viele Dollars, die dann wertlos wären. Die Japaner und Chinesen noch mehr. Dann kocht die Suppe richtig. Wir kommen in sehr turbulente Zeiten.

SZ: Was wäre denn Ihr Wunschszenario?

Otte: Eine leichte Inflation. Vier, fünf, sechs Prozent, dann könnte man die Staatsschulden abtragen. Für Berufseinsteiger wäre das gut. Für die junge Generation.

SZ: Aber für die Älteren nicht. Deren Ersparnisse würden ihren Wert verlieren. Kann man das verantworten?

Otte: Ach, aber ich finde, wir in Deutschland sind ansonsten doch sehr fair zu der Generation meiner Eltern.

SZ: So ein richtiger Optimist sind Sie aber nicht. Sie haben sich Ackerland gekauft. Für den Fall einer Weltwirtschaftskrise?

Otte: Ich habe in der Pfalz Ackerland gekauft, ja. Aber nicht wegen der Krise. Die Vorfahren meiner Mutter kommen von dort. Und ich bin im Sauerland aufgewachsen. So habe ich einen Bezug dazu. Ich will meinen Kindern das Gefühl mitgeben, was es bedeutet, eigenes Land zu besitzen. Es ist aber verpachtet. Es bringt ein, zwei Prozent Rendite. Die steigt aber mit der Inflation, das ist wie ein inflationsgesichertes Sparbuch.

SZ: Sie haben sich das durchgerechnet?

Otte: Klar, das Ackerland ist Lifestyle und Investment.

SZ: Wie groß ist es?

Otte: Zehn Hektar. Das reicht, um eine Familie zu ernähren.

SZ: Also doch ein wenig Krisenangst!

Otte: Ein bisschen vielleicht (lacht).

Interview: Alexander Mühlauer und Hannah Wilhelm

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