Interview: Gertrud Höhler:"Beim Geld geht's nicht mit rechten Dingen zu"

Lesezeit: 11 min

Die Publizistin und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler über den Umgang mit der "Geldreligion", den "Moral-Rambo" Peer Steinbrück - und das besondere Verhältnis von Frauen zum Geld.

Hans-Jürgen Jakobs

Gertrud Höhler hat eine farbenreiche Karriere hinter sich: von der Lyrikerin und Literaturprofessorin hin zur hochdotierten Politik- und Unternehmensberaterin. Die Pfarrerstochter aus Wuppertal ist öffentlich als Autorin, TV-Moderatorin und Rednerin in Erscheinung getreten, in den achtziger Jahren wurde sie mehrfach als Ministeranwärterin in CDU-Regierungen gehandelt. Bekannt wurden Beratungsmandate für die Deutsche Bank und Volkswagen.

Die Unternehmensberaterin Gertrud Höhler. (Foto: picture-alliance/ ZB)

Mit vielen Büchern hat Gertrud Höhler gesellschaftliche Debatten begleitet und stimuliert. Vor Kurzem erschien ihr Buch Götzendämmerung - die Geldreligion frisst ihre Kinder. Zum Gespräch in einem Münchner Hotel reist sie pünktlich aus ihrem Wohnort Zürich an. Der versprochene "Salon 1" ist besetzt, im Restaurant wird umgräumt - also findet das Gespräch über die Hochfinanz, politische Maulhelden, Gehälter und die fehlende Ethik in der in Rot gehaltenen Tagesbar statt.

sueddeutsche.de: Frau Höhler, in Ihrer Beschreibung des aktuellen Wirtschaftssystems sprechen Sie von "Geldreligion". Ist das nicht eine schöne, aber haltlose Überspitzung? Wo gibt es beispielsweise die Bibel oder den Koran dieser Geldgläubigen?

Gertrud Höhler: Ich habe beschrieben, wie es zur Sucht kommt, wenn man maßlos mit Geld umgeht. Und dass es eine Geldreligion gibt, weil hier Heilsversprechungen gemacht werden, die unerfüllbar sind. Das hat die Finanzkrise gezeigt. Da wurden alle Regeln außer Kraft gesetzt. Das ist wie mit der Gnade in der Religion, deren Botschaft ist: "Du brauchst nichts zu machen!" Auf die Wirtschaft bezogen, heißt das: "Du bekommst so oder so eine irrsinnige Rendite!"

sueddeutsche.de: Religion meint ein festgefügtes Glaubenssystem. Die Finanzwelt scheint eher ein Verbund materialistischer Anarchisten zu sein.

Höhler: Das Interessante ist, dass alle Religionen der Welt verbunden sind in der Abhängigkeit vom Geld. Schauen Sie sich doch nur den aktuellen Geldwäscheskandal im Vatikan an. Im katholischen Weltreich spielt Geld eine riesengroße Rolle. Man fragt sich: Warum geben die nicht alles den Armen, so wie es im Neuen Testament empfohlen wird?

sueddeutsche.de: Wie gelangt man in die Geldgemeinde der Finanzindustrie?

Höhler: Investmentbanker sagen mir, man müsse eine Glaubensbereitschaft an den Erfolg haben. Sonst wird das nichts. Es reicht nicht, nur ein guter Zahleningenieur zu sein. Das Gewerbe hat mit Ratio nur am Rande zu tun, es geht nicht mit rechten Dingen zu.

sueddeutsche.de: Gibt es in dieser Geldreligion, von der Sie reden, einen Papst?

Höhler: Es gibt große Gurus. Lange Jahre war das Alan Greenspan, der Chef der amerikanischen Notenbank. Er hat die Strategie der niedrigen Zinsen, die Wohlstand für alle versprach, in den USA zusammen mit der Politik ins Rollen gebracht, am Anfang mit Ronald Reagan. Mit dem US-Präsidenten Reagan begann die Ära der Deregulierung. Die Finanzkrise rund um den Crash der Lehman Bank vor zwei Jahren hat dieses Konzept entzaubert.

sueddeutsche.de: Nimmt die Geldreligion noch immer einen Platz ein, der ihr nicht gebührt?

Höhler: Die Gefahr des Absturzes ist außerordentlich groß, weil das Geld nach wie vor nicht mehr in Bezug zur realen Warenwelt unterwegs ist. Geldprodukte zielen auf Geldprodukte. Damit ist das Geld erst einmal befreit von der dumpfen Containerwelt, in der alles viel zu langsam geht. Das hat viele begabte junge Wirtschaftsleute erst so richtig angezogen.

sueddeutsche.de: Aber erklärt das den Kollaps des Finanzsystems?

Höhler: Alles zielt nur noch darauf ab, Geld mit Geld zu vermehren. Damit ist nicht mehr klar, wie die Qualität der Produkte zu messen ist. Vor der Finanzkrise hat man sich darüber einfach hinweggetröstet und gesagt: "Egal, guckt nicht hin. Jetzt wird erst mal kassiert!" Geldgeschäfte, die gut sind, zum Beispiel der Kauf von Weizen, haben immer Ziele, die mit Geld nicht zu bezahlen sind.

sueddeutsche.de: Die großen Problemfälle in den USA, die Subprime-Kredite, waren sehr wohl an konkrete Produkte gebunden, an Immobilien.

Höhler: Ja, aber der Zusammenhang war extrem verwässert. Wie konnte es passieren, dass sich die Geldgestalt so weit vom realen Produkt ablöst und dass niemand fragt: Entspricht die Immobilie dem Wert? Gibt es die überhaupt? Beim Skandal der "Neuen Heimat" vor 25 Jahren gab es viele Häuser nicht. Oder nehmen Sie China, die nächste Blase: Was wird da alles an hinfälligen Werten erzeugt! Ich sage, die Finanzkrise ist die Krise unseres Ethos.

sueddeutsche.de: Es sieht doch eher nach einem Aufsichtsproblem aus, nach mangelnder Kontrolle der Geldgeschäfte.

Höhler: Das wird allgemein von der Politik angenommen. Sie befindet sich jetzt in der Phase der Überregulierung des Finanzsystems. Die Folge ist, dass die Banken zu wenig Kredite geben, um die Wirtschaft in Gang zu halten.

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sueddeutsche.de: Tatsache ist, dass sich ohne eine bessere Aufsicht die Krise wiederholen könnte.

Den früheren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kritisiert Höhler als "Moral-Rambo". (Foto: dpa)

Höhler: Das Problem ist ja, dass die Aufseher für Geldprodukte in der Regel schlechter qualifiziert sind als die Banker selbst. Und selbst in den Finanzhäusern verstehen die Leute an der Spitze die Produkte nicht. Das tun nur die Leute in den Katakomben, im Maschinenraum ...

sueddeutsche.de: Leute wie der Franzose Jérôme Kerviel, der bei der Société Générale freihändig mit Milliarden hantierte, am Ende Riesenverluste machte und vor Gericht landete.

Höhler: Ein wunderbarer Fall, wie im Hollywood-Kino. Wie er seine Chefs entlarvt hat ...

sueddeutsche.de: Aber noch einmal: Ohne die Politik wären vor zwei Jahren reihenweise Banken pleitegegangen. Das spricht doch für ihr Engagement.

Höhler: Wir müssen aufpassen, dass die bei den Landesbanken mit in den Rausch geratenen Politiker jetzt nicht ihr Mütchen kühlen, indem sie das Finanzsystem so eng an die Kette legen, das kein Wagemut mehr möglich ist. Wenn wir Risiko verbieten, ja kriminalisieren, dann ist es mit dem Wohlstand und den Sozialtransfers zu Ende.

sueddeutsche.de: Die Politik hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass die Banken dank der "Basel III"-Regelungen mehr Eigenkapital vorhalten müssen. Alle Ökonomen haben das begrüßt.

Höhler: Das ist okay. Aber es geht ja nicht nur um mehr Eigenkapital. Gleichzeitig wird den Banken ja untersagt, bestimmte Geschäfte zu machen - wie Leerverkäufe. Den Eigenhandel müssen sie reduzieren. Vom Investmentbanking sollen sie die Finger lassen. Deshalb können sie weniger Geld machen. Und dadurch wird der Weg länger, bis genügend Eigenkapital vorhanden ist.

sueddeutsche.de: Also geben Sie zu, dass die Politik als Korrektor eine gewisse Berechtigung hat.

Höhler: Die Feuerwehr-Leistung nach dem Lehman-Crash war richtig. Ich bin aber nicht sicher, ob das richtige Maß gewahrt bleibt. Die Politiker haben nach der Phase der Selbstüberschätzung in den Landesbanken jetzt eine neue Phase der Selbstüberschätzung eingeleitet. Nehmen Sie Peer Steinbrück mit seinem Satz: "Die Banken kriegen Schwimmwesten."

sueddeutsche.de: Vom einstigen Finanzminister scheinen Sie nicht viel zu halten. Sie nennen ihn sogar "Moral-Rambo".

Höhler: Steinbrück liefert einen sehr gemischten Auftritt. Der Kauf der gestohlenen Steuerdaten-CD aus Liechtenstein, den er zu verantworten hatte, war nicht in Ordnung. Wie kann der Staat sich zum Vertragspartner von Kriminellen machen? Steinbrück hat mit einem kriminellen Produkt Geld herangeschafft und ein Beispiel gesetzt, dem auch sein Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble gefolgt ist. Steinbrück bot der Bevölkerung ein Doppelspiel, weil er Moral aushöhlt und Hehlerware salonfähig machte.

sueddeutsche.de: Steinbrück hat durch beherztes Eingreifen das Schlimmste in der Finanzkrise verhindert.

Höhler: Und er zieht jetzt durch die Lande als Star, ganz so, als könne er Kanzlerkandidat werden. Dabei verwechselt er in der Talkshow die einfachsten Dinge, zum Beispiel Hedgefonds mit Private-Equity-Gesellschaften. Er hat nicht mal die Durchschnittsprodukte verstanden, die er abschaffen will.

sueddeutsche.de: Eigentlich müsste es doch darum gehen, dass in der Politik und im Staat mehr ökonomisches Know-how aufgebaut wird - und qualifizierte Leute in Aufsichtsräte und andere Gremien geschickt werden.

Höhler: Da haben Sie recht. Das ist eines meiner Plädoyers. Die Qualifikation der Aufsichtsräte in den politisch dominierten Landesbanken wird neuerdings geprüft. Eine wirkliche Besserung gelingt noch nicht, weil Politiker ein schlechtes Gewissen haben. Keiner darf merken, dass sie mit den Bankern früher ganz anders verkehrt haben als heute.

sueddeutsche.de: Der Staat ist in Banken wie der Hypo Real Estate (HRE) oder Commerzbank eingestiegen. Ein Fall von dauerhafter Geldsicherung? Immerhin kappten die Politiker in diesen Banken die Gehälter und problematisieren Boni.

Höhler: Politiker können Politik, Banker können Bankwesen. Die Politik sollte nicht Bank spielen. Der HRE-Chef Axel Wieandt ist ja abgerückt, weil durch die ständigen Einmischungen des Staats kaum tragfähige Entscheidungen zustande kamen. Dabei brauchen wir in den Banken das "Täterwissen", um es besser zu machen. Das kann nur von den Finanzmanagern selbst kommen. Die Politik weigert sich anzuerkennen, dass in der Finanzindustrie geballte Intelligenz sitzt. Wenn schlechte Bezahlung aus politischen Gründen zum Standard wird, kommen auch nur schlechte Leute.

sueddeutsche.de: Sie meinen, die Banker werden verkannt?

25 Prozente Rendite, wie zum Beispiel von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann als Ziel proklamiert, hält Höhler nicht für unmoralisch. (Foto: dapd)

Höhler: Allgemein ist eine Jagdstimmung da. Die Tüchtigsten müssen nun mal angemessen bezahlt werden. Im Fußball oder bei gewissen Schlagerstars akzeptieren wir dies doch auch. Bei Schlagerstars und Sportlern haben die Menschen das Gefühl: "Die spielen für uns." Bei den Bankern dagegen glauben sie: "Für mich machen die nichts. Die sind gegen mich." Dafür hat die Politik gesorgt.

sueddeutsche.de: Ist es kein Exzess der Geldreligion, wenn Banken 25 Prozent Rendite und mehr haben wollen?

Höhler: Ich kann das nicht besonders unmoralisch finden, wenn es sich um Produkte handelt, bei denen die Kunden nicht belogen und betrogen werden.

sueddeutsche.de: Ab wann wird es unmoralisch?

Höhler: Das ist nicht die Frage. Wichtiger ist doch, dass ein Drogenpotential im Geld steckt. Es geht den Machern in den Kreditinstituten irgendwann nicht mehr ums Geld. Die Investmentbanker sagen einem ja: "Ich war 28. Da hatte ich genug Geld." Aber sie können einfach nicht aufhören, kommen nicht mehr heraus. Da wird auch mit Kokain nachgeholfen, den Stress zu bewältigen.

sueddeutsche.de: Ist die Finanzkrise ein menschliches, wirtschaftliches oder politisches Problem?

Höhler: Die Entwicklung, Geldprodukte völlig von der Warenwirtschaft zu entkoppeln, wird uns auch künftig große Probleme bereiten. Es gibt in der Finanzindustrie bei vielen kein Maß mehr, wie viel man maximal verdienen muss, ganz nach dem Motto: Mein Haus, mein Pferd, mein Auto, meine Frau. Die Banker leben in einer Sonderwelt. Da bildet sich eine destruktive Elite. Die glaubten, die Wohlstandsstaaten würden immer proletarischer, weil die Mehrheiten andere mit elitären Bedürfnissen überrollen. Sie sehen überall Subventionsempfänger. Viele flüchten in die Welt der Finanzen und der Top-Wirtschaft.

sueddeutsche.de: Wie sollen sich Banken nach der Krise ändern?

Höhler: Im Geschäftsbericht von Goldman Sachs steht ein Kapitel, das nie zitiert wird, weil es wohl nicht ins Hasskonzept passt. Es wird darin ethisches Wohlverhalten beschrieben. Zum Beispiel, dass hochriskante Produkte nicht den Normalkunden angeboten werden sollten. Das schade der Bank am Ende, ihr Ruf leidet Schaden. Die Aktie stürzt ab, das Management ist mit dem Thema okkupiert, es kann nicht mehr genügend Neugeschäft machen. Goldman erklärt auch: Wenn uns die Presse nicht verstanden hat, sind wir schuld.

sueddeutsche.de: Der Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein sprach von seiner Arbeit sogar als "Gottes Werk".

Höhler: Da war er wohl zu gottgefällig. Goldman ist wirklich überall und hilft jetzt beispielsweise Hochtief, den Angriff eines spanischen Unternehmens abzuwehren. Die Bank ist gut durch die Krise gekommen, weil sie schon vorher ein sehr spezielles Risikomanagement eingeführt hatte. Schlechte Produkte haben sie rechtzeitig auf die Loser-Seite geschoben - und dabei leider vergessen, die Kunden zu informieren.

sueddeutsche.de: Ihr Rezept heißt Ethik. Aber sind die Unternehmen auch bereit dafür?

Höhler: Wir kommen in eine neue Gesprächssituation. Künftig wird nicht mehr der Mönch zur Abendveranstaltung im Konzernforum bestellt, der mal was zur Ethik sagt, sondern Business-Ethik wird Teil des täglichen Wirtschaftens.

sueddeutsche.de: Es langt also nicht, ein guter "Unternehmensbürger" zu sein? Davon spricht Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank. Sein Haus sichere ja Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.

Höhler: Das reicht schon deshalb nicht, weil Ackermann für einige Versprechen kein Datum nennt, an dem sie erfüllt sein sollen. Was in seiner sehr coolen Beschreibung definitiv fehlt, ist Vertrauen. Dieser Schlüsselbegriff fehlt auch im Hausslogan passion to perform.

sueddeutsche.de: Immerhin: Leistung aus Leidenschaft.

Höhler: Ja, aber nicht Leistung im Rausch. Ein Kollege von mir sagt immer: Leidenschaft ist das, was Leiden schafft.

sueddeutsche.de: Der US-Investmentprofi Joseph Perella vermutet, nach der Krise seien die größeren Banken stärker als zuvor.

Höhler: Das stimmt. Schauen Sie sich die Bank of America mit ihrer Neuerwerbung Merrill Lynch an. Wenn Sie einen Mann wie den Privatbankier Friedrich von Metzler fragen, einen konservativen Unternehmer mit niedrigen Renditen, dann sagt er ihnen: Wir brauchen große Einheiten.

sueddeutsche.de: So wie beispielsweise bei den Landesbanken, die jetzt in Deutschland fusioniert werden?

Höhler: Nein, das ist abwegig. Jede Landesbank ist ihrem Bundesland der Garant, dass eine letzte Zuflucht möglich ist. Wie sollen künftig kleinere Unfälle ausgeglichen werden? Eine Sanierung kann hier ja auch bedeuten, dass bei der Fusion von zwei Landesbanken die Schwächen verdoppelt werden.

sueddeutsche.de: Gilt das auch für die aktuellen Gespräche zwischen BayernLB und WestLB?

Höhler: Das befürchten viele Fachleute. Die müssten bei der ganzen Operation eigentlich viele Leute entlassen, das aber wird wegen der öffentlichen Wirkung verschleiert. So werden dauernd Kompromisse gemacht. Auch die EU hat Einwände angemeldet, weil eine Fusion ja nicht automatisch stärker macht. Wenn man zwei Kranke in ein Bett legt, werden sie nicht automatisch gesund.

sueddeutsche.de: Sie proklamieren eine neue Geld-Ethik: "Lasst uns die Ketten loswerden!" Was sollen die Hauptpunkte dabei sein?

Höhler: Wer in der realen Wirtschaft ein schadhaftes Produkt ausliefert, verliert Geschäft. Also muss im Finanzwesen die Qualitätskontrolle ausgebaut werden. Das ist bereits Ethik. Auch Missverständnisse kosten Geschäft. Produkte müssen durchschaubar sein. Versprechen müssen gehalten werden. Die Banken werden begreifen, dass Energie und Zeit, die sie zur Wiedergewinnung von Vertrauen einsetzen, dem Alltagsgeschäft verlorengehen. Professionelle Ethik ist ein harter Erfolgsfaktor für das Business.

sueddeutsche.de: Und was ist dabei Sünde?

Höhler: Ein Unternehmen darf nicht lügen. Das ist Betrug. Auch wenn man den Betrug delegiert, macht das die Sache nicht besser. Wir müssen die Ethik vom Feiertagspodest herunterholen und in die Unternehmen hineinholen. Der Gewinn muss geliefert werden an die Gesellschaft, er darf nicht verhindert werden durch gebrochene Versprechen und schlechte Arbeit.

sueddeutsche.de: Ist Ethik ein Fall für den Vorstand?

Höhler: Ja. Ethik muss im Vorstand verankert werden. Das ist eine todernste Variante von Risiko-Management. Wahrscheinlich wäre es gut, diese beiden Sektoren in einem Ressort zu vereinen. Die dominanten Alphatiere in den Top-Etagen sind sicherlich nicht Tag und Nacht mit der ethischen Dimension ihres Verhaltens beschäftigt - die brauchen einen Widerpart ganz oben. Auch für Verlautbarungen und jede Kommunikation. Jeder Wirtschaftsführer muss ein vorzeigbares Motiv für sein Handeln haben und auf Tricks verzichten.

sueddeutsche.de: Da wir von "Geldreligion" reden: Haben Sie etwas am Geldverhalten der Bürger auszusetzen? Deutsche-Bank-Aufseher Hilmar Kopper spricht ja von gierigen Anlegern, die vor der Krise eifrig riskante Produkte gefordert hätten.

Höhler: In dem ersten Erholungsschub nach Ausbruch der Krise haben Banken begeistert gemeldet, dass sie wieder gierige Anleger haben. Dass sie wieder ganz irre Produkte schaffen können, weil sich diese Klientel dabei aufregen will. Das ist prima - wenn es die Banken nur mit denen machen. Der Berater in den Bankfilialen hat einen hochsensiblen Job. Hat er einen ahnungslosen Abenteurer vor sich, den er über den Tisch ziehen kann oder einen Profi, der über das Risiko genau Bescheid weiß und der spielen will? Risiken müssen sein. Wir holen ja auch die Freeclimber an den Wänden nicht runter, auch wenn immer mal wieder jemand abstürzt.

sueddeutsche.de: Frau Höhler, hat sich über die Jahre Ihr persönliches Verhältnis zum Geld geändert?

Höhler: Nein. Ich war nie sehr an Geld interessiert, ich wollte vor allem Lebensqualität. Wie so viele Frauen.

sueddeutsche.de: Auch Sie werden um gutdotierte Verträge für Moderationen, Vorträge und Bücher gekämpft haben. Schließlich kann sich im Geld auch Wertschätzung ausdrücken.

Höhler: Ich musste nicht um Verträge kämpfen. Aber wir müssen die Marktmoral ernst nehmen und nicht beschädigen. Man kann dem Fliesenleger nicht sagen, er solle für ganz wenig Geld arbeiten, weil wir, seine Auftraggeber, ja so nett sind. Da bin ich strenger geworden mit der Zeit. In meinem Kalender sind viele Termine, da fragt man sich immer, ob dafür richtig bezahlt wird. Qualität kostet nun einmal. Sie macht viel Arbeit. Wem das nichts wert ist, der bekommt sie einfach nicht. Mehrmals sind mir attraktive Jobs in großen Unternehmen angeboten worden, beispielsweise 1988 in der Deutschen Bank oder später bei Volkswagen. Ich habe diese Offerten abgelehnt, weil ich eben den Verlust an Lebensqualität gefürchtet habe.

sueddeutsche.de: Ein Spitzenjob damals in der Deutschen Bank unter dem legendären Alfred Herrhausen war sicherlich attraktiv.

Höhler: Mag sein. Ich habe mich für Unabhängigkeit entschieden. Das galt auch für alle Angebote aus der Politik.

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