Integration in Berlin:Problem Neukölln, Lösung Neukölln

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Ein Berliner Projekt ist vorbildlich: Zu Stadtteilmüttern ausgebildete Migrantinnen holen türkische oder arabische Familien aus der Isolation heraus.

Philip Grassmann

Man muss nicht weit fahren, um vom Hauptstadtleben um das Brandenburger Tor in eine ganz andere Welt zu reisen, es sind gerade mal sieben U-Bahnstationen in Berlin. Dann steht man an der Neuköllner Sonnenallee. Es ist eine Einkaufsstraße, sie ist einige Kilometer lang, und die Schrift auf den Schildern ist fast immer Arabisch.

Warum soll ein Kind in die Kita? - Solche Fragen besprechen die als Stadtteilmütter geschulten Migrantinnen mit den Familien. (Foto: Foto: dpa)

In den umliegenden Straßen wohnen hauptsächlich Araber. Etwas weiter südlich, an der Hermannstraße, bietet sich ein ähnliches Bild: Nur liest man dort alles auf Türkisch. Es ist ein Phänomen, das es in vielen Großstädten gibt, und es hat eine ganz banale, menschliche Ursache: Wer in eine fremde Stadt kommt, zieht meist dorthin, wo seinesgleichen wohnt.

In Neukölln haben sich durch den Trend, der seit Jahren anhält, die sozialen Probleme verschärft. Der Bezirk leidet nicht nur unter hoher Arbeitslosigkeit und Armut. Durch den ungebrochenen Zuzug von Migranten in bestimmte Viertel haben sich außerdem noch homogene Milieus gebildet, die für eine Integration kaum zugänglich sind. Die Segregation wird immer schlimmer.

Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) beschreibt das Problem so: "Die Familien sind zwar physisch hier, aber sie sind nicht in Mitteleuropa angekommen." Sie leben oft in einer Parallelwelt, kennen die deutsche Kultur kaum. Das Jobcenter Neukölln hat dazu eine erstaunliche Beobachtung gemacht. Es bietet vielen jugendlichen Beziehern staatlicher Hilfen Qualifizierungskurse an. Wer nicht bis zum Ende bleibt, dem wird die Unterstützung gestrichen. Trotzdem bleiben die Meisten weg. Im Jobcenter vermutet man, dass sie in den Familienbetrieben durch Gelegenheitsjobs oder andere Geschäfte über die Runden kommen. Im Center tauchen sie jedenfalls nie mehr auf.

Die Lage in Neukölln unterscheidet sich von anderen Berliner Problemgebieten wie Kreuzberg, Wedding oder Moabit nur marginal. Überall steht die Politik vor demselben Problem: Wie kommt man an die Migranten heran, die an Integration bisher kaum Interesse zeigten?

In Neukölln hat das Quartiersmanagement ein Projekt entwickelt, das inzwischen erfolgreich ist bei der Überwindung der Grenzen zwischen den Welten. Dort wurden 80 arbeitslose Migrantinnen zu Stadtteilmüttern ausgebildet. Sie besuchen türkische oder arabische Familien und beraten sie in ganz alltäglichen Fragen: Warum ist es gut, wenn mein Kind in die Kita kommt, wie sieht eine gesunde Ernährung aus, was tut man bei Problemen in der Schule.

Das Projekt ist erfolgreich, oft reichen ein paar Besuche, um die Isolation, in der sich viele Migrantenfamilien eingerichtet haben, zu überwinden. Bis Mitte 2008 sollen weitere 70 Stadtteilmütter ausgebildet werden. Erst kürzlich war Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mit seiner französischen Amtskollegin Christine Boutin da, um das Projekt kennenzulernen. Boutin war beeindruckt. Sie werde, so sagte sie, ähnliche Vorhaben auch in Frankreich fördern.

© SZ vom 23.11.2007/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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