Initiative gegen Steuerhinterziehung:Ende der Grauzone

Lightning strikes over the headquarters of Swiss banks UBS and Credit Suisse during a thunderstorm over the Paradeplatz square in Zurich

Banken in Zürich: Die Schweiz beteiligt sich im Kampf gegen Steuerhinterziehung am automatischen Datenaustausch.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Geld bei einer verschwiegenen Bank im Ausland einzahlen und bei der nächsten Steuererklärung "vergessen"? Die OECD hat eine Initiative vereinbart, die Steuerhinterziehung unmöglich machen soll. Sogar die Schweiz ist dabei. Wie der Austausch funktionieren soll.

Von Charlotte Theile

Das Wichtigste, sagt Thomas Eigenthaler, Chef der deutschen Steuergewerkschaft und früherer Leiter des Finanzamts in Stuttgart, sei der Mentalitätswandel. Die Schweiz und Singapur, zwei der größten Steueroasen der Welt, beteiligen sich, wie am Dienstag bekannt wurde, am automatischen Informationsaustausch (AIA), den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einführen will. Auch wenn Eigenthaler noch skeptisch ist, wie schnell sich der Datentransfer umsetzen lässt; die Botschaft, die von der Deklaration ausgeht, gefällt dem Steuerinspektor außerordentlich: "Wer jetzt noch unversteuerte Kapitalanlagen in Betracht zieht, muss entweder wirklich hartgesotten sein - oder nicht sehr intelligent." Wie die OECD den Austausch im Detail organisieren will, wird in den nächsten Wochen veröffentlicht. Einige Aspekte sind aber schon bekannt.

Wie funktioniert der Austausch im Moment?

Die Standards, auf denen die Erklärung der OECD basiert, gehen im Wesentlichen auf das US-Gesetz Fatca zurück, mit dem die Vereinigten Staaten Finanzinstitute auf der ganzen Welt dazu bringen wollen, ihnen die persönlichen Daten und Erträge von Kunden, die in den USA steuerpflichtig sind, zu übermitteln. Deutschland hat 2013 ein entsprechendes Abkommen mit den USA geschlossen. Thomas Sutter von der Schweizerischen Bankiervereinigung sagt, die Schweiz habe im Moment fast 50 Einzel-Abkommen mit wichtigen Ländern wie den europäischen Nachbarstaaten - "gemäß aktuellem OECD-Standard". Doch anders als bei dem geplanten automatischen Verfahren werden die Informationen dabei nur auf Anfrage weitergegeben.

Was ändert sich mit dem neuen Verfahren?

"Diese Vereinbarungen werden an das automatische Verfahren angepasst", sagt Sutter. Das bedeutet: Einheitliche Standards statt Anfragen und Einzelverhandlungen. Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) in London hält die neue Übereinkunft für "einen Durchbruch". Trotzdem sei sie "nur ein halber Erfolg". Insgesamt 44 Staaten haben sich bereit erklärt, an dem Austausch teilzunehmen: Die Staaten der Europäischen Union, große Schwellenländer wie Argentinien oder Indien, alle 34 OECD-Länder. Entwicklungsländer wie Ghana oder Kenia aber sind nicht dabei. "Diese Länder haben am schlimmsten unter Steuerflucht zu leiden", klagt Meinzer, "sie können aber nicht bei den Steueroasen Auskunft verlangen". Bei Delikten wie Geldwäsche oder Korruption können Konten aus diesen Ländern allerdings bereits heute eingefroren werden.

Wann tritt das in Kraft?

Achim Pross, Abteilungsleiter Steuern bei der OECD, rechnet damit, dass die 44 Staaten, die jetzt beigetreten sind, im Jahr 2017 mit dem Austausch beginnen können. "2016 werden die Daten eingesammelt", erklärt er den Vorlauf. Außerdem müsse programmiert werden. Steuerinspektor Eigenthaler sieht hier das größte Problem. "Jeder, der mit EDV zu tun hat, weiß, dass diese riesigen Datenmengen nicht einfach zu verarbeiten sind." Bankiersvertreter Sutter sieht noch ein anderes Hindernis: "Wie spätestens seit der Zuwanderungsinitiative europaweit bekannt sein dürfte, braucht der Gesetzgebungsprozess in der Schweiz etwas mehr Zeit als zum Beispiel in der deutschen großen Koalition." Dennoch sei die Botschaft klar: "Das AIA kommt, ohne Wenn und Aber. Kein Zeitspiel, keine Verlängerung, kein Elfmeterschießen."

Wie hat sich die Finanzstrategie der Steueroasen verändert?

"Dass die Schweiz und Singapur dabei sind, ist ein wichtiges politisches Signal", sagt OECD-Mann Pross. Gleiches gelte für Luxemburg, Liechtenstein, Österreich, die sich bislang ebenfalls zurückhaltend gezeigt hätten. Markus Meinzer vom Tax Justice Network vermutet dahinter vor allem politischen Druck. "Den Steueroasen wäre es wohl am liebsten gewesen, weiter bilaterale Abkommen zu pflegen. Doch das war nicht mehr möglich." Schon seit einigen Monaten haben zum Beispiel die Schweizer Banken eine Weißgeldstrategie verfolgt, die angelegten Vermögen genauer auf Steuerkonformität überprüft. Wie sehr sich das auf die Anleger ausgewirkt hat, ist fraglich. "Es kann natürlich sein, dass deutsche Kunden von ihren Schweizer Banken aufgefordert wurden, sich selbst anzuzeigen", sagt Eigenthaler. Ob das tatsächlich ein Trend sei, könne man allerdings noch nicht sagen.

Darf ich jetzt kein Konto mehr in der Schweiz haben?

Doch. Jeder darf sein Geld anlegen, wo er möchte - auch auf den Bahamas. Nur darf man bei der Steuererklärung eben nicht vergessen, es anzugeben.

Werden Steuerhinterzieher bald schneller gefasst?

Genau das erhoffen sich Steuerfahnder und Gesetzgeber. "Für den normalen, bürgerlichen Handwerker, der ein gewisses Sicherheitsbedürfnis hat, waren die Schweizer Banken jahrzehntelang sehr attraktiv", sagt Steuergewerkschafter Eigenthaler. Dank Berichten über gekaufte CDs und prominente Steuersünder ändere sich das. Diejenigen, die ihr Geld jetzt in Steuerschlupflöcher im Pazifik verlagern, seien andere Kaliber. "Das ist etwas für Profis, die auch andere Kriminalität, etwa Drogen oder Waffen, verstecken müssen", sagt Eigenthaler. Allen anderen rät der Steuerinspektor, möglichst schnell zum Finanzamt zu gehen: Schon 2015 könnten die Auflagen für eine strafbefreiende Selbstanzeige deutlich strenger werden.

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