Immobilientag:Wenn der Überblick fehlt

Sonnenuntergang in Oberfranken

Gunzendorf in Franken. Nicht überall ist der Bedarf an neuen Baugebieten groß. In der Nähe von Ballungsgebieten aber werden immer mehr Äcker zu Bauland.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Politiker, Gemeinden und das Baurecht: Wie wichtig ist das Ziel noch, den Flächenverbrauch in Bayern zu reduzieren? Und wie funktioniert Mobilität? Eine Diskussionsrunde in Nürnberg.

Von Ingrid Weidner

Die bevorstehenden Wahlen machten sich auch beim Bayerischen Immobilientag des BFW-Landesverbands Bayern in Nürnberg bemerkbar. Weniger Verordnungen, weniger Gutachten und mehr Spielraum für die Immobilienbranche forderte BFW-Bayern-Präsident Andreas Eisele in seiner Eröffnungsrede. In die gleiche Kerbe schlug der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er plädierte für ein vereinfachtes Baurecht, schnellere Bebauung von Brachen wie beispielsweise ehemalige Kasernenflächen. Außerdem schlägt er innerstädtische Nachverdichtung und Aktivierung von vorhandenem Bauland vor. "Viele Gemeinden haben keinen Überblick, welche Grundstücke Baurecht haben", sagt der Politiker.

Mit neuen Baugebieten lassen sich mehr Stimmen fangen als mit Nachverdichtung

Dabei initiierte der Freistaat vor einigen Jahren ein interessantes Projekt. Mit einer kostenlos zur Verfügung gestellten Datenbank können Kommunen ihre Kataster-Daten pflegen und so schnell erkennen, welche Flächen im Ort noch unbebaut sind, wo es Bauland im Bestand gibt. Eigentlich soll die Software dabei helfen, Flächen einzusparen und die Zersiedelung zu reduzieren. Doch Herrmann räumt ein, dass die Datenbank kaum genutzt wird. Ob es an der möglicherweise komplizierten Handhabe, dem fehlenden politischen Willen oder den Gemeinden liegt, lässt er offen. Zwar gibt es immer noch das Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, doch wirklich darum bemühen will sich kaum jemand - mit Wachstum und neuen Baugebieten lässt sich eben besser Wahlkampf machen als mit Nachverdichtung.

Die weiteren Anliegen des bayerischen Bauministers gleichen denen des Branchenvertreters Eisele: energetische Standards vereinfachen, Grunderwerbsteuer reduzieren.

Dann das Thema Auto versus Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV). Carl Friedrich Eckhardt, Leiter Kompetenzzentrum Urbane Mobilität der BMW Group, lobte das Carsharing-Modell des Münchner Autobauers. Und Andreas Mäder, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg, sieht das Auto klar im Vorteil: "Der ÖPNV verliert gegenüber dem Auto, wenn es keine Gegenmaßnahmen gibt."

Doch wie funktioniert Mobilität in Ballungsräumen und auf dem Land? Im ländlichen Raum mit sinkenden Einwohnerzahlen lohnt sich der ÖPNV oft nicht, hier werden Linien ausgedünnt. In Nürnberg sind autonom fahrende U-Bahnen auf zwei Linien erprobt. Damit lasse sich ein 60-Sekunden-Takt anbieten und die Infrastruktur effizienter nutzen, sagt Mäder. Dass sich die Zahl der Autos über Carsharing-Projekte reduzieren lasse, bezweifelt er: "Junge Leute haben oft aus wirtschaftlichen Gründen kein Auto." Und weiter: "Der Flächenverbrauch durch den Individualverkehr nimmt zu."

BMW-Mann Eckhardt kritisiert die fehlenden Rahmenbedingungen für ein Mobilitätskonzept, das diesen Namen auch verdiene und fordert die Politik auf, sich hier stärker zu engagieren. Eckhardt schlägt konkret Minibusse vor; diese seien flexibel einsetzbar und digital steuerbar.

Optimistischer argumentiert Rolf Moeckel, Professor für Modellierung räumlicher Mobilität an der Technischen Universität München (TUM). "Das autonome Fahren als neuer Player hat großen Einfluss auf das Verkehrsverhalten", sagt er. Der Experte für Flächennutzungsmodelle sieht darin die nächste große Revolution: weniger Unfälle, mehr Carsharing, weniger Stellplätze und Straßen, die in naher Zukunft in Parks und Wohngebiete verwandelt werden. "Pkws werden weniger wichtig, Carsharing nimmt zu. Heute sollte man Parkhäuser bauen, die sich in 20 Jahren für neue Nutzungskonzepte umwidmen lassen", sagt Moeckel. Bei diesen Zukunftsperspektiven wird mancher der Immobilien-Manager unruhig - offenbar können sich nur wenige vorstellen, sich von ihrem Wagen zu trennen.

Einig waren sich die Vertreter von CSU, SPD, Grünen und FDP dann doch in einigen Aspekten. Etwa darin, dass über den Stellplatzschlüssel bei Neubauten nachgedacht werden müsse. Sebastian Körber, Architekt und FDP-Politiker, nannte dazu ein Beispiel: In Bamberg habe er ein Studentenwohnheim geplant; es seien zwei Tiefgaragenebenen notwendig gewesen, von denen eine aber kaum genutzt werde. Körber fordert auch mehr barrierefreien Wohnraum. Architekten sollten flexible Grundrisse entwerfen, die eine spätere Umnutzung erleichterten.

Carsten Träger, Bundestagsabgeordneter der SPD aus Fürth, setzt sich für mehr Lebensqualität in Städten ein. Doch die leide unter den Lärmschutzverordnungen. Die Regelungen führten dazu, dass Gaststätten kaum noch draußen bewirten könnten. Die Ortskerne von Dörfern verlören zudem immer mehr ihre Funktion, wenn kleinere Läden schließen müssten. Träger lobte daher ein Projekt in Oberfranken, für das mit Mitteln der Städtebauförderung ein Supermarkt im Ortskern erhalten werden konnte.

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