Immobilienmarkt:"Schwarzer Schwan"

In Deutschland scheint es unaufhaltsam aufwärts zu gehen. Mieten und Kaufpreise für Wohnungen steigen weiter, bei Büros werden die Flächen langsam knapp, die Logistik boomt. Das schürt bei manchen Ängste.

Von Sabine Richter

Auf dem deutschen Wohn- und Gewerbeimmobilienmarkt scheint es unaufhaltsam aufwärts zu gehen. Mieten und Kaufpreise für Wohnungen steigen weiter, bei Büros werden die Flächen knapp, die Logistik boomt, lediglich die Einzelhandelsvermietung schwächelt. Selten wurde die Immobilienwirtschaft durch so viele Nachfragekomponenten bei Kapitalanlegern und Nutzern in Verbindung mit anhaltend niedrigen Zinsen gestützt. Zu diesem Ergebnis kam der Immobiliendienstleister JLL auf seiner Jahresabschlusskonferenz.

Timo Tschammler, neuer Deutschland-Chef von JLL, zeichnet ein äußerst positives Bild für die deutsche Immobilienwirtschaft. Laut Prognose von JLL werden bis Jahresende in Deutschland Gewerbeimmobilien-Transaktionen für mehr als 55 Milliarden Euro über die Bühne gegangen sein. Damit wird 2017 das bisherige Rekordvolumen von 55,1 Milliarden Euro aus dem Jahr 2015 sehr wahrscheinlich übertroffen. Für 2018 seien zwischen 50 und 55 Milliarden Euro zu erwarten.

Vor allem Büroimmobilien sind gefragt, sowohl bei Käufern als auch bei Mietern. Die Leerstandsquote liegt zum Jahresende bei 4,8 Prozent, das ist der niedrigste Stand seit 15 Jahren. Für das kommende Jahr prognostiziert Helge Scheunemann, Research-Chef von JLL, einen weiteren Rückgang auf 4,7 Prozent, erst für 2019 sieht er wieder einen leichten Anstieg auf 4,9 Prozent.

Auch für 2018 seien die Aussichten aus heutiger Sicht durchgängig positiv, sagt Tschammler. Es gebe keinerlei konkrete Anzeichen für ein Ende des Immobilienbooms. Dennoch wird es manchen Akteuren unheimlich. Denn irgendwann muss der Boom ein Ende haben, nur ist der Auslöser noch nicht sichtbar. Deshalb wird immer wieder das Phänomen des "Schwarzen Schwans" bemüht, ein Ereignis, das zunächst von niemandem richtig wahrgenommen wird, dann aber die Märkte zum Einsturz oder zu einer deutlichen Korrektur bringt.

Experten erwarten, dass sich EZB-Chef Draghi mit einer Zinserhöhung verabschiedet

Neben den politischen Risiken könne die Zinsentwicklung deutliche Auswirkungen haben, sagt Hela Hinrichs, Leiterin EMEA Research bei JLL. Nach der jüngsten Zinserhöhung der US-Notenbank erwartet die Branche für 2018 in den USA mindestens drei weitere Steigerungen. Die Halbierung der Ankaufsvolumina von Staats- und Unternehmensanleihen ab Januar wird als erster Schritt zur Normalisierung der Geldpolitik im Euroraum gewertet. Erwartet wird auch, dass sich Notenbankchef Draghi Ende 2019 mit einer Zinserhöhung von seinem Amt verabschieden wird.

Ein moderater Zinsanstieg hat auch in Europa bereits begonnen, was bei sicheren Anlagen wie Festgeld oder Staatsanleihen erst mit Verzögerung ankommt. Damit werden Immobilienfinanzierungen langfristig teurer; Umschichtungen in den Investitionsentscheidungen sind wahrscheinlich. "Immobilien bleiben attraktiv, aber die Luft wird dünner", sagt Scheunemann. Zinsen und Mieten werden die entscheidenden Faktoren für die nächsten Jahre sein. Im Bürobereich sei aufgrund des hohen Neubauvolumens mit leicht sinkenden Mieten zu rechnen.

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