Immobilienmarkt München:Am Limit

Steigen die Preise weiter? Oder fallen sie sogar? Analysten sind sich uneins. Sicher ist: Die Nachfrage nach Wohnungen ist groß. Was es gibt, zeigt bis Sonntag die Messe MIM.

Von Andreas Remien

Vor allem mit ihrer Deutlichkeit hat die Studie des Forschungsinstituts Empirica im Februar für eine Überraschung gesorgt. In vielen Städten, so das Gutachten, seien Immobilien erheblich überbewertet - auch und vor allem in München. Bedeutet das die Wende in einem Wohnungsmarkt, der seit Jahren nur neue Rekorde kennt? Hört man sich bei Unternehmen und anderen Experten um, kommt man zu dem Ergebnis: eher nicht. Vieles deutet aber darauf hin, dass zumindest die Zeiten der großen Preissprünge vorbei sein könnten.

Olympiaturm in München, 2015

Wie hoch geht es noch? Darüber diskutieren Experten am Wochenende in München.

(Foto: Florian Peljak)

Die Empirica-Studie habe ein "Beben mittlerer Stärke in der Wohnimmobilienbranche ausgelöst", sagt Andreas Eisele, Präsident des Verbandes BFW Bayern, in dem vor allem Bauträger und Projektentwickler organisiert sind. Allerdings nicht, weil die Unternehmen nun einen plötzlichen Absturz befürchten, sondern eher, weil sie die Ergebnisse nicht für plausibel halten. Das wichtigste Argument der Bauträger: Die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Außerdem bauten die meisten Unternehmen Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern - also genau in jenem Segment, das besonders gefragt sei, betont Eisele. "So kündigt sich wahrlich kein Absturz an", sagt der BFW-Präsident. Anzeichen dafür ließen sich ohnehin "nicht an den Schreibtischen in Forschungsinstituten beobachten". Die Vermarktungszeiten hätten sich kaum verändert, berichtet auch Artur Riedl, Vertriebsleiter Wohnen bei der Bayerischen Hausbau und Sprecher der Messe MIM, "nach wie vor wird jede Wohnung vor der Fertigstellung verkauft".

Viele Menschen ziehen von München weg. Doch die Stadt wächst weiterhin

Die Autoren der Empirica-Studie gehen dagegen davon aus, dass die Nachfrage nach Wohnungen zurückgeht - vor allem, weil nicht mehr so viele Menschen in sogenannte Schwarmstädte wie München ziehen. Das Bevölkerungswachstum verdanke Deutschland ausnahmslos der starken Zuwanderung. "Mindestens zwei der drei Zuwanderungswellen neigen sich aber ihrem Ende zu", schreibt Empirica. Möglich sei sogar eine (wenn auch kleinere) Abwanderungswelle, ein sogenannter Echo-Effekt. Die Konsequenz laut der Studie: Die Neuvertragsmieten und damit auch die Kaufpreise steigen nicht mehr. In München sei wahrscheinlich mit einem "Trendbruch" zu rechnen. Diesen sieht Verkaufsleiter Riedl in der Praxis bisher allerdings nicht. "Die Wirtschaft wächst. Damit entstehen Arbeitsplätze und ein steigender Bedarf an Wohnungen."

Zweifel, vor allem am Ausmaß der prognostizierten Preisrückgänge, kommen aber nicht nur von den Unternehmen. Das Analyseunternehmen Bulwiengesa, das neben Unternehmen auch Kommunen wie die Stadt München berät, hatte sich schon kurz nach Veröffentlichung der Studie kritisch zu Wort gemeldet. Tenor: "Kein Absturz". Wie die Bauträger weisen auch die Bulwiengesa-Experten vor allem auf die guten Wirtschaftsdaten hin. "Gerade München hat eine sehr gute Beschäftigungsentwicklung, eine hohe Kaufkraft, eine breite Wirtschaftsstruktur", sagt Heike Piasecki, Niederlassungsleiterin von Bulwiengesa in München. Diese guten makroökonomischen Rahmenbedingungen "wirken sich natürlich positiv auf die Nachfrage nach Immobilien aus". Auch die Wanderungsbewegung müsse differenziert betrachtet werden, betont Piasecki. "Die Ströme haben sich tatsächlich verändert", sagt die Expertin. Und das vor allem innerhalb Bayerns: Während früher mehr Haushalte nach München gezogen sind, ist es heute genau andersherum. So ziehen heute zum Beispiel mehr Menschen von München nach Augsburg als von Augsburg nach München. Auch die Branche hat darauf reagiert, wie die Messe MIM zeigt. Dort gibt es immer mehr Angebote aus umliegenden Städten. Gehen München also die Einwohner verloren? Nein, denn im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern und dem Ausland ist der Saldo weiterhin positiv. "München wächst", sagt Piasecki. Allerdings sei in München "das Ende der Bezahlbarkeit erreicht", meint die Analystin. Schon heute gebe es Überhitzungen im hohen Preissegment. "Bei fünfstelligen Quadratmeterpreisen wird die Vermarktung schwierig", sagt Piasecki.

Mit einem großen Absturz rechnen die wenigsten Experten

"Der ganz große Druck ist raus", sagt Immobilienmakler Peter Hegerich, Geschäftsführender Gesellschafter von Hegerich Immobilien. Der Markt sei dabei, sich zu verändern. "Kaufen wollen zwar alle", meint Hegerich, "aber die, die es sich leisten können, werden immer weniger." Wie die Zahlen von Bulwiengesa zeigen, haben die Preise 2016 noch mal große Sprünge gemacht. Eine Neubauwohnung kostet im Mittel 7300 Euro pro Quadratmeter, gut zwölf Prozent mehr als im Vorjahr und exakt doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Der Hauptgrund dafür sind die extrem hohen Grundstückskosten, die Bauträger an die Eigentümer von Flächen zahlen müssen.

MIM

Auf der Münchner Immobilien Messe (MIM) zeigen Bauträger und Makler vom 24. bis einschließlich 26. März in der Kleinen Olympiahalle ihr Angebot. Zu den Ausstellern gehören auch die Stadt München und Dienstleister wie zum Beispiel Finanzierer. Träger der Messe ist der BFW-Landesverband Bayern. Neben der Ausstellung gibt es auch ein umfangreiches Rahmenprogramm, darunter Vorträge zu den Themen Immobiliensuche, Finanzierung, Kapitalanlage oder Fördermöglichkeiten. In den Gesprächsrunden diskutieren Experten unter anderem über die Finanzierung und die Entwicklung des Münchner Wohnungsmarkts. Die Messe ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Informationen unter www.mim.de. Andreas Remien

Aber nicht nur die gestiegenen Preise schränken den Kreis der Käufer ein. "Wir spüren auch deutlich die Auswirkung der Kreditrichtlinie", berichtet Hegerich. Gerade ältere Käufer hätten deutlich mehr Schwierigkeiten, eine Finanzierung zu bekommen. Mittelfristig könnten auch steigende Zinsen den Markt verändern. "Wenn die Zinsen steigen, kann sich der Wind schnell drehen", sagt Hegerich. Massive Auswirkungen auf den Münchner Wohnungsmarkt erwartet der Immobilienmakler allerdings nicht. "Es wird keinen Preisverfall geben", stellt Hegerich klar. Mit dem Brexit, einer protektionistischen US-Politik und den Wahlen in Europa gibt es zwar Risiken, die sich auf die Wirtschaft und damit den Wohnungsmarkt auswirken können. Aber auch die Analysten von Bulwiengesa rechnen nicht mit einem Knalleffekt. Es sei zwar wahrscheinlich, dass die Preise stagnierten. "Aber es gibt keine Blase, die platzt", sagt Piasecki.

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