Immobilienmarkt:Goldener Herbst

Büroflächen in den Zentren werden knapp, Hotelgebäude immer teurer, Logistikparks immer größer: Das Geschäft mit Gewerbe-Immobilien erlebt einen nie dagewesenen Boom. Die Frage ist: Wie lange noch?

Von Andreas Remien

Expo Real 2016; Expo Real

Ein Platz an der Sonne: Schon im vergangenen Jahr freuten sich Investoren auf der Expo Real über gute Geschäfte.

(Foto: Christian Hartlmaier/Messe München)

Zu Beginn des Jahres schien die erfolgsverwöhnte Immobilienbranche plötzlich nervös zu werden. Der Brexit-Schock war noch nicht verdaut, der neue US-Präsident forderte vehement einen neuen Protektionismus, in Frankreich und den Niederlanden schienen Wahlsiege der Rechtspopulisten möglich zu sein. Sollte es das gewesen sein? Bahnte sich mit den politischen Verwerfungen tatsächlich das Ende des Jahre dauernden Immobilienbooms an? Wohl nicht. Ein halbes Jahr später sind die skeptischen Stimmen weitgehend verhallt. Kurz vor Beginn der Immobilienmesse Expo Real in München ist wieder alles so wie in den vergangenen acht, neun Jahren: Es wird sehr viel Geld investiert, die Immobilienpreise und die Mieten steigen. Auf dem größten Branchentreff Europas, der in diesem Jahr zum 20. Mal stattfindet, lautet das Motto daher wieder "Weiter so".

Knapp zwei Drittel der Unternehmer erwarten, dass die Investitionen in Immobilien sogar weiter steigen werden. Das hat das Stimmungsbarometer der Messe München ergeben, die gut 1500 Branchenteilnehmer befragt hat. Gut 30 Prozent rechnen mit gleichbleibenden Summen. Skepsis? Übertreibungen? Gar eine Immobilienblase? Solche Szenarien scheinen den Unternehmen derzeit ziemlich fern zu sein. Nur vier Prozent der Befragten rechnen laut Stimmungsbarometer damit, dass demnächst weniger Geld investiert wird. Die Umfrage wurde zwar vor der Bundestagswahl erhoben - nur wenig spricht aber dafür, dass die neue politische Konstellation in Berlin viel an den optimistischen Prognosen der Immobilienwirtschaft verändern wird.

Expo Real

Vom 4. bis einschließlich 6. Oktober trifft sich die Immobilienbranche in München auf der Expo Real. Was 1998 als vergleichsweise kleine Messe ihren Anfang nahm, ist heute die wichtigste europäische Leitveranstaltung mit mehr als 1900 Ausstellern aus 35 Ländern. Unternehmen stellen neue Projekte vor, Investoren suchen nach Anlagemöglichkeiten, Finanzierer nach Kunden. Neu in diesem Jahr sind zum Beispiel die Unternehmen Blackrock und Hilton. Während in den Anfangsjahren nur wenige deutsche Kommunen wie München und Köln auf der Messe waren, sind mittlerweile Städte und Regionen aus aller Welt vertreten. Themenschwerpunkte in diesem Jahr sind unter anderem Start-ups, die Asien-Pazifik-Region und die Stadtentwicklung. SZ

Vor allem Wohnungsunternehmen blicken gespannt auf die Regierungsbildung in Berlin

Die Branche drängt jetzt vor allem darauf, dass sich möglichst bald eine neue Regierung bildet. "Wir dürfen uns nicht lange damit aufhalten, die Ergebnisse zu deuten. Viel wichtiger ist es, dass sich regierende Parteien zusammenfinden und mit der Arbeit beginnen können", sagt Andreas Mattner, Präsident des Verbandes Zentraler Immobilienausschuss (ZIA). Allerdings: Teile der Immobilienwirtschaft werden die Kompromissfindung in einer Jamaika-Koalition durchaus mit Spannung verfolgen. Das Geschäft mit Gewerbeimmobilien wie Bürotürmen, Hotels, Shoppingcentern oder Logistikparks wird von politischen Entscheidungen in Berlin der Erfahrung nach zwar wenig beeinflusst. Ganz anders sieht es allerdings in der Wohnungspolitik aus. Hier gäbe es vor allem in einer Jamaika-Konstellation sehr unterschiedliche Ansichten. Während die Grünen zum Beispiel dem freien Markt allein nicht zutrauen, die Probleme zu lösen und daher auch für eine Erweiterung der Mietpreisbremse eintreten, will die FDP viele Regeln für Investoren und Vermieter wieder abbauen. Mehr Ordnungspolitik oder Deregulierung: Vor allem Vermieter, Makler und Projektentwickler werden sehr genau hinsehen, wie um die politische Ausrichtung gestritten wird.

Ungebrochen groß ist die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien, bei deutschen Anlegern ebenso wie bei Investoren aus dem Ausland. "Unsere internationalen Kunden haben Deutschland als Anlagefokus. Auch das deutsche Kapital ist expansiv", sagt Matthias Leube, Deutschland-Chef des Immobiliendienstleisters Colliers International. Deutschland sei angesichts globaler geopolitischer und wirtschaftlicher Risiken ein "Stabilitätsanker". Für dieses Jahr rechnet Colliers damit, dass Gewerbeimmobilien im Wert von etwa 50 Milliarden Euro den Eigentümer wechseln werden - etwa fünf Mal so viel wie noch vor sieben Jahren. Weil es zu wenig Alternativen gibt, fließt noch immer sehr viel Geld in den Immobilienmarkt, darunter nach wie vor sehr viel Eigenkapital. Zum einen von Privatleuten, die zum Beispiel über Immobilienfonds in Gewerbeobjekte investieren. Die Fondsgesellschaften sammeln viel Geld ein, das irgendwie investiert werden muss. Auch Versicherungen oder Pensionskassen sind seit Jahren dabei, ihre Immobilienquoten zu erhöhen.

Die hohe Nachfrage treibt die Preise, besonders stark bei modernen Bürohäusern in den zentralen Lagen und ehemaligen Nischenprodukten wie Hotels oder Logistikzentren. Weil Anleger immer mehr Geld für die Häuser zahlen müssen, fallen seit Jahren die Renditen. Viele Investoren zahlen die hohen Preise, weil sie auf steigende Mieten spekulieren. Laut Immobiliendienstleister BNP Paribas Real Estate sind in den deutschen Metropolen die Spitzenmieten für Büros im Jahresvergleich um 3,5 Prozent gestiegen. "Auch bei den Durchschnittsmieten zeigen sich mittlerweile in den meisten Städten klare Aufwärtstendenzen", berichtet BNP.

Dennoch treibt immer mehr Investoren die Frage um, wie lange es mit den Immobiliengeschäften noch aufwärtsgeht. "Das ist die spannende Frage", sagt Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Gemessen an historischen Maßstäben sei der Zyklus jedenfalls "in einer reifen Phase". Die entscheidende Größe neben der konjunkturellen Entwicklung ist das niedrige Zinsniveau. "Im Vergleich zu anderen Anlagen ist die Immobilie noch relativ attraktiv", sagt Traud. Sollten die Zinsen deutlich steigen, wären allerdings Anlagen wie Bundesanleihen wieder interessanter, gleichzeitig würden steigende Finanzierungskosten die Renditen in der Immobilienwirtschaft trüben. Schon am 26. Oktober könnte die EZB einen neuen Kurs in ihrer Geldpolitik einleiten. Mit steigenden Leitzinsen rechnen die meisten Experten spätestens im Jahr 2019. "Investoren sollten das Risiko steigender Zinsen nicht ausblenden", sagt Traud.

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