Immobilienkredite:Wie die Immobilienfinanzierung künftig funktionieren soll

Bau eines Eigenheimes

Damit fängt es an: Ein Bagger schachtet das Fundament für ein Eigenheim in Frankfurt aus.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die überarbeitete Kreditrichtlinie für Wohnimmobilien soll möglichst noch im März verabschiedet werden.
  • Senioren und junge Familien sollen nicht weiter von der Kreditvergabe abgeschnitten werden.
  • Ob es eine feste Untergrenze fürs Eigenkapital beim Haus- oder Wohnungskauf geben soll, ist allerdings noch unklar.

Von Cerstin Gammelin und Benedikt Müller, Berlin/München

Für künftige Häuslebauer soll es "sehr schnell" Rechtssicherheit geben, ob sie für geplante Neubauten, Umbauten oder Renovierungen einen Kredit beantragen können. Das sagte Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Union, am Montag in Berlin. Zuvor hatten sich Abgeordnete im Finanzausschuss des Bundestages bei einer öffentlichen Anhörung darauf verständigt, die neuen gesetzlichen Regelungen zur Kreditvergabe für Wohnimmobilien womöglich nicht wie bisher geplant als Bestandteil eines umfassenden, aber komplizierten Finanzaufsichtsgesetzes, sondern separat zu verabschieden. SPD und Union wollen sich am Mittwoch endgültig verständigen. Hintergrund ist, dass die geplanten Eingriffsrechte der Finanzaufsicht Bafin in die Kreditvergabe durch Banken im Falle von Immobilienblasen vor allem in der Union heftig umstritten sind - und von den Banken weitgehend abgelehnt werden.

Nicht umstritten in SPD und Union ist dagegen, dass in normalen Zeiten möglichst viele Bürger Zugang zu Krediten haben sollen. Die überarbeitete Kreditrichtlinie für Wohnimmobilien soll möglichst noch im März verabschiedet werden. Auch die Opposition ist dafür. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, sprach von einer "recht klaren Lage", diskutiert würden "nur noch Details". Die Abgeordneten sind sich einig, dass Senioren und junge Familien nicht weiter von der Kreditvergabe abgeschnitten werden dürfen. Ältere Menschen ab Mitte 50 waren zuletzt aufgrund verschärfter Regeln kaum noch als kreditwürdig eingestuft worden, wenn sie Darlehen nicht innerhalb ihres aktiven Erwerbslebens aus dem Einkommen hatten zurückzahlen können. Junge Familien wurden wegen des oft noch geringeren Einkommens ausgeschlossen. Künftig sollen Banken bei ihren Entscheidungen "die Erwerbsbiografie" mit heranziehen - also bei Älteren das Vermögen oder bei Jüngeren das absehbare Einkommen.

Bei den "noch offenen Details" geht es allerdings um viel Geld für die Verbraucher. Schick pocht darauf, die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung, die Banken oft verlangen, transparent zu kommunizieren. Zudem will er Koppelprodukte einschränken. Davon wird gesprochen, wenn also am eigentlichen Kredit noch zusätzliche Vereinbarungen wie eine Restschuld-Versicherung angehängt werden. "Das ist für Verbraucher oft intransparent und teuer".

Finanzministerium schlägt Obergrenze für die Verschuldung vor

SPD-Berichterstatter Manfred Zöllmer zeigte sich am Montag trotz der Differenzen mit der Union "optimistisch", doch noch eine Einigung auf die Instrumente hinzubekommen, mit denen die Finanzaufsicht gegen überhitzte Immobilienmärkte vorgehen darf. Es werde "ein paar Änderungen geben", sagte er. Ziel sei es, den Wohnungsbau nicht zu behindern. Deshalb müsse es "Ausnahmen für regionale Besonderheiten" geben und "das Bilden von Eigentum" gefördert werden.

Der Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium sieht vor, eine Obergrenze für die Verschuldung einzuführen, Vorgaben zur Tilgung zu machen oder ein bestimmtes Verhältnis von Schulden und Einkommen vorzuschreiben.

Seit der Finanzkrise haben 15 europäische Länder solche Quoten eingeführt. Diese sollen verhindern, dass Banken den Immobilienkäufern zu riskante Kredite verkaufen. "Deutschland ist eher Nachzügler als Vorreiter, was Instrumente-Regelungen betrifft", sagt Oliver Beyer, Immobilienmarktexperte der Kanzlei Simmons und Simmons. Ob solche Quoten in Deutschland nötig sind und wie sie aussehen sollten, war am Montag Thema der Anhörung im Finanzausschuss.

Überhitzt oder nicht?

Laut dem Gesetzentwurf sollen die Instrumente-Regelungen erst greifen, wenn wirklich eine Immobilienblase droht und die Stabilität der Finanzmärkte gefährdet ist. "Doch es ist noch unklar, ab welchem Zeitpunkt von einer Überhitzung gesprochen werden kann und von welchen Parametern das abhängt", sagt Beyer. Alleine über die Frage, ob die Kaufpreise in den Städten übertrieben sind oder nicht, streiten Forscher derzeit.

Die Deutsche Kreditwirtschaft, ein Zusammenschluss der Banken und Sparkassen, sieht kaum Gefahren: Zwar seien die Preise in einigen Ballungsgebieten deutlich gestiegen. Dafür gebe es aber gute Gründe, etwa die vielen jungen Menschen, die in den vergangenen Jahren dorthin gezogen sind. Der Verband sieht deshalb keine Überhitzungen. "Einen konkreten Anlass zur Verabschiedung des Gesetzes gibt es insofern nicht." Die Banken und Sparkassen profitieren aber auch vom Geschäft mit Baufinanzierungen.

Deutlich skeptischer betrachtet die Bundesbank die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt: Sie sieht "starke Überhitzungen" in den Großstädten. Die Preise seien schneller gestiegen, als sich das etwa durch die Zuwanderung oder die niedrigen Zinsen noch erklären ließe, schreibt die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. Auch das Forschungsinstitut Empirica sieht die Gefahr, dass Kaufpreise in den Großstädten deutlich sinken könnten, wenn die Zinsen wieder steigen. Denn dann wären Kredite teurer, und Anleger hätten mehr Alternativen zu Immobilien.

Lücke in den Daten

Die geplanten Regeln sollen verhindern, dass sich Kreditkunden übernehmen - wenn etwa die Zinsen so stark steigen, dass sie ihre Monatsrate nicht mehr zahlen können und Haus und Hof zu verlieren drohen.

Banken und Sparkassen argumentieren dagegen, ihre Immobilienkredite seien nicht auf Kante genäht. Anders als etwa in Spanien oder Irland sind Bauzinsen hierzulande auf viele Jahre festgeschrieben. Erst wenn der Kunde eine Anschlussfinanzierung braucht, läuft er Gefahr, dass die Zinsen in der Zwischenzeit gestiegen sind. Doch bis dahin hat der Schuldner gewöhnlich einen Gutteil seines Kredits zurückgezahlt.

Tatsächlich zeigen die Statistiken der Bundesbank, dass Immobilienkäufer insgesamt niedrige Zinsen und längere Laufzeiten vereinbaren. Kreditvermittler wie Interhyp oder Dr. Klein berichten zudem, dass Kunden etwa 25 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital mitbringen - und hohe Tilgungsraten vereinbaren. Doch schaltet längst nicht jeder Immobilienkäufer einen Kreditvermittler ein. "In den offiziellen Kreditstatistiken werden Daten zur Tilgungsrate oder zum Eigenkapital-Anteil bislang nicht erhoben", sagt Peter Barkow von der Beratungsfirma Barkow Consulting. "Da klafft eine gewisse Datenlücke - ausgerechnet bei der größten Kreditklasse überhaupt." Das macht es noch schwerer, zu entscheiden, wann ein Eingriff der Finanzaufsicht angebracht wäre.

Ursprünglich hatte die Bundesbank ein Register aller Wohnimmobilien-Kredite gefordert, um Risiken besser einschätzen zu können. Doch im aktuellen Gesetzentwurf kommt dieser Plan nicht mehr vor. Die Banken kritisieren den hohen bürokratischen Aufwand.

Untergrenze fürs Eigenkapital

Die Koalitionäre in Berlin müssen nun beraten, welche Eingriffsrechte sie der Finanzaufsicht zugestehen wollen. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass die meisten Länder einen Mindestanteil an Eigenkapital vorgeschrieben haben, den Immobilienkäufer für einen Kredit mitbringen müssen. Zwar verlangen die meisten Banken dies hierzulande ohnehin schon. "Die Zeit der Hundert-Prozent-Finanzierungen auf dem Immobilienmarkt ist vorbei", berichtet Beyer. Trotzdem sei ein Mindestanteil an Eigenkapital im Ernstfall sinnvoll. "Denn bei höherem Margen-Druck könnten Banken verleitet sein, wieder höhere Risiken einzugehen", sagt Beyer.

Nun muss die Politik entscheiden, ob sie auf eine vernünftige Kreditvergabe der Banken vertraut - oder sie ein volkswirtschaftliches Risiko in den Bilanzen wähnt.

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