Immobilienkredite:Ein Schnäppchen für 900.000 Euro

Hypotheken werden teurer, die exorbitanten Hauspreise fallen rapide, das Vertrauen der Kunden sinkt - in Großbritannien geraten weitere Hypothekenbanken in Not.

Andreas Oldag

Es ist ein verzweifelter Kampf gegen die Immobilienkrise. Seit Monaten versucht Graham Walker, sein Haus zu verkaufen. Der 46-jährige Manager aus dem Stadtteil Totteridge im Londoner Norden hat allerdings ein Problem: Ein Käufer lässt sich nicht finden. Nun haben Walker und seine Frau Diana den geforderten Preis für das schmucke 5-Zimmer-Reihenhaus bereits um 95000 Pfund verringert. 700000 Pfund, etwa 900000Euro, verlangen die Walkers jetzt. Für deutsche Verhältnisse ist dies kein Schnäppchen. Doch in London, einer der teuersten Städte Europas, kosten Immobilien eben das Zwei- bis Dreifache wie auf dem europäischen Kontinent.

Immobilienkredite: Zu verkaufen: In Großbritannien geben die Immobilienpreise immer mehr nach.

Zu verkaufen: In Großbritannien geben die Immobilienpreise immer mehr nach.

(Foto: Foto: Bloomberg)

Nach einem beispiellosen Boom in den vergangenen zehn Jahren knirscht es heute allerdings gewaltig am britischen Immobilienmarkt. Hypotheken werden teurer, Hauspreise fallen, und das Vertrauen der Kunden sinkt. Großbritannien gerät in den Sog der internationalen Kreditkrise. Für viele Briten ist dies ein Schock: Ihr Immobilieneigentum, das für die Absicherung der Altersversorgung in Großbritannien viel wichtiger als in Deutschland ist, verliert rapide an Wert. Und niemand weiß derzeit, wie tief die Preise noch in den Keller sinken. In einer Studie der Bank HSBC warnen Experten davor, dass Großbritanniens Immobilienmarkt um bis zu 30 Prozent überbewertet ist. Nach Angaben der Notenbank Bank of England (BoE) sank die Zahl der bewilligten Hypotheken auf der Insel von 63000 im März auf 58000 im April. Das ist der niedrigste Stand seit neun Jahren.

Immobilienexperten rechnen damit, dass die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen im Laufe dieses Jahres um durchschnittlich sieben Prozent zurückgehen. "Ich bin seit 13 Jahren im Geschäft. Aber solch einen Abschwung habe ich noch nicht erlebt", stöhnt der Londoner Immobilienmakler Lloyd Coleman. Dabei gründete sich das Wirtschaftswachstum in Großbritannien wie in kaum einer anderen Volkswirtschaft Europas in den vergangenen Jahren auf einen boomenden Immobilienmarkt.

Virus breitet sich aus

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass auch das Geschäft mit Hypothekendarlehen eingebrochen ist. Jüngstes Opfer der Krise ist der Baufinanzierer Bradford & Bingley (B&B). Das in Yorkshire ansässige Institut rutschte in den ersten vier Monaten des Jahres in die roten Zahlen und musste sich jetzt von der US-Beteiligungsgesellschaft Texas Pacific Group frisches Kapital von 179 Millionen Pfund besorgen. Mit drei Millionen Kunden ist B&B zwar ein kleines Institut. Doch es bediente für die Briten einen wichtigen Markt, indem es vor allem Hypotheken an Kunden vermittelte, die ihre Immobilie weitervermieteten. Diese "Amateur-Spekulanten" ließen sich oftmals auf ein riskantes Geschäft ein: Sie kauften eine Immobilie mit möglichst geringem Eigenkapital und hofften auf einen Wertzuwachs. Die Mieteinnahmen setzten sie zur Tilgung ein.

Doch weil die Notenbank die Zinsen von 2002 bis Mai 2007 immer wieder erhöhte, sind die Hypothekenzinsen auf inzwischen durchschnittlich sechs bis sieben Prozent gestiegen. Deshalb geht dieses Geschäft nicht mehr auf: Die Mieteinnahmen reichen nicht aus, die Zinskosten zu decken. Viele Kunden von Bradford & Bingley gerieten in die Schuldenfalle. Und die Hypothekenabschlüsse sind bei B&B seit Beginn dieses Jahres um 30 Prozent zurückgegangen. Hinzu kam, dass sich das Institut mit der Übernahme von Hypothekenkrediten des ehemaligen Finanzdienstleisters GMAC des Autokonzerns General Motors offenbar verhoben hat.

Analysten warnen davor, dass sich der B&B-Virus auf andere Baufinanzierer in Großbritannien ausbreiten könne. Große Institute wie Nationwide, Alliance & Leicester und die zum Bankkonzern HBOS gehörende Halifax klagen ebenfalls über ein schleppendes Hypothekengeschäft. Wie ihre Kunden hoffen die Kreditgeber auf eine Zinssenkung der Notenbank, deren Gouverneure an diesem Donnerstag unter Leitung von Notenbankchef Mervyn King zusammenkommen. Doch King hat schon im Vorfeld der Sitzung angedeutet, dass an eine Zinssenkung angesichts der wachsenden Inflationsgefahr kaum zu denken ist. Derzeit liegt der Leitzins bei fünf Prozent. Vor kurzem hat die Notenbank davor gewarnt, dass die jährliche Teuerungsrate im Herbst auf bis zu vier Prozent steigen könnte.

Das Wrack Northern Rock

Indes stößt die Sanierung der angeschlagenen Hypothekenbank Northern Rock, die seit Anfang dieses Jahres unter staatlicher Obhut steht, auf weitere Probleme. Das Institut könne einen vom Staat abgesicherten Notkredit in Höhe von 24 Milliarden Pfund nicht wie geplant bis Ende 2010 zurückzahlen, heißt es. Northern-Rock-Finanzchefin Ann Godbehere sprach von einer Verzögerung von sechs Monaten. Analysten rechnen jedoch mit einem noch längeren Zeitraum. Die Bank aus Newcastle, einst wegen ihrer Standhaftigkeit "The Rock" (der Felsen) genannt und dann in "The Wreck" (das Wrack) umgetauft, schlitterte vergangenen September in die Krise. Die Bilder von Kunden, die vor den Filialen Schlange standen und ihr Erspartes retten wollten, gingen um die Welt.

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