Immobilienkauf:Verschwommene Durchsicht

Am Anfang ist alles ganz klar: Der eine will verkaufen, der andere kaufen. Doch was passiert, wenn sich ein Vertragspartner nicht an die Vereinbarungen hält?

Von Andrea Nasemann

Zu hoher Preis

Gerd B. wollte sich auf eigene Beine stellen, nicht mehr länger einen Großteil seines Einkommens für die Miete ausgeben. Kurz entschlossen kaufte er eine Zwei-Zimmer-Wohnung für 78.000 Euro. Als er seine Immobilie genauer unter die Lupe nahm, kam ihm der Verdacht, dafür zu viel bezahlt zu haben und gab deshalb ein Gutachten in Auftrag. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Wohnung lediglich 32.000 Euro wert war. Gerd B. war empört und wollte sein Geld zurück. Das Gericht stand auf seiner Seite. Der Kaufvertrag verstoße gegen die guten Sitten und sei sittenwidrig, weil zwischen Leistung und Gegenleistung ein krasses Missverhältnis bestehe. Dies habe der Verkäufer, der im Immobiliengeschäft tätig und daher sachkundig war, auch gewusst (Oberlandesgericht Oldenburg, 15 U 15/02).

Mängel nicht verschweigen

So eindeutig ist die Sachlage meistens nicht, wenn es Probleme beim Grundstückskauf gibt. Handelt es sich allerdings um gravierende Mängel, kann der Kaufvertrag angefochten werden. Dies ist etwa der Fall, wenn im Haus unangenehme Gerüche wegen eines defekten Abwasserkanals auftreten oder eine Wand in einem Einfamilienhaus von Schimmel befallen ist. In beiden Fällen hatten die früheren Besitzer die Mängel arglistig verschwiegen (Oberlandesgericht Bamberg, 4 U 196/01 und 3 U 165/01).

Haftung des Maklers

Nicht nur der Verkäufer muss alles offenbaren, was für die Kaufentscheidung von Bedeutung ist. Auch Makler, Anwälte, Steuerberater oder Notare werden in die Pflicht genommen. Schätzt etwa ein Makler den Verkehrswert eines Grundstücks falsch ein, kann er vom Verkäufer zur Kasse gebeten werden. Er haftet dann für die Differenz zwischen dem erzielten und dem erzielbaren Marktpreis (Oberlandesgericht Schleswig, 14U 136/99). Auch derjenige, der ein unrichtiges Verkehrswertgutachten erstellt hat, haftet (Bundesgerichtshof, XZR 244/00).

Behauptet der Makler vor dem Notar, dass die Finanzierung gesichert sei, obwohl dies nicht stimmt, ist er schadensersatzpflichtig (Oberlandesgericht Düsseldorf, 7U123/99).

Haftung des Notars

Anwälte und Steuerberater haften, wenn sie Fristen versäumen. Aber auch wenn sie falsche Gestaltungshinweise geben oder ungünstige Vertragsklauseln vorschlagen. Der Notar kann zur Verantwortung gezogen werden, wenn er einen Vertrag mit unwirksamen Regelungen beurkundet oder die Abwicklung eines von ihm aufgesetzten Vertrags unzureichend überwacht hat.

Hat der Notar die Kaufpreisrate für ein Grundstück zu früh fällig gestellt, muss er die zusätzlichen Finanzierungskosten seines Klienten ersetzen (Bundesgerichtshof, IX ZR 266/00).

Sicherheit durch das Gesetz

Da der Kauf einer Immobilie nicht ohne Risiken ist, sieht das Gesetz ein umfangreiches System an Sicherungen vor. So sorgt der Notar dafür, dass für den Käufer eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen wird. Er holt die Genehmigungen und Erklärungen über Vorkaufsrechte ein sowie die Erklärungen zur Lastenfreistellung des Objekts. Liegen alle Dokumente vor und steht der Übertragung der Immobilie nichts mehr im Weg, teilt der Notar mit, an wen der Kaufpreis zu zahlen ist. Der Käufer braucht dann erst zu überweisen, wenn er sicher davon ausgehen kann, dass er der Eigentümer sein wird. Vorteil für den Verkäufer: Erst wenn das Geld auf dem Konto liegt, erfolgt die Eigentumsumschreibung.

Gegenseitige Pflichten

Zahlt der Käufer den Kaufpreis nicht rechtzeitig, fallen Verzugszinsen an. Der Verkäufer kann sogar vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz für seine Kosten und den entgangenen Gewinn fordern. Der Käufer muss dann die für ihn eingetragene Auflassungsvormerkung löschen lassen. Kommt umgekehrt der Verkäufer seinen Pflichten nicht nach - weil er zum Beispiel den Termin für die Besitzübergabe nicht einhält - kann der Käufer den Schaden ersetzt verlangen, der durch die Verspätung entstanden ist, etwa die Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung.

Gescheiterte Schlüsselübergabe

Lässt sich der Verkäufer nach dem Kauf Zeit mit der Schlüsselübergabe, bleibt dem Käufer nur, eine angemessene Frist zu setzen. Erst wenn diese ergebnislos abgelaufen ist, wird der Vertrag rückabgewickelt: Was bereits gezahlt wurde, muss zurückgegeben werden. Hat der Käufer die Immobilie schon eine gewisse Zeit genutzt, muss er dafür Wertersatz leisten. Dieser orientiert sich an der ortsüblichen Miete.

Kosten zurückfordern

Scheitert der Grundstückskauf, kann der Käufer - sofern der Verkäufer das geplatzte Geschäft zu verantworten hat - schriftlich Ersatz fordern, mit Kopien von Rechnungen, Kontoauszügen und Zinsbescheinigungen. Bei erheblichen Pflichtverletzungen des Verkäufers kann der Käufer die Kosten für Notar, Grundbuchamt, Makler und Grunderwerbsteuer verlangen, ebenso die Kosten der Finanzierung, Umzugskosten und nutzlos aufgewendete Renovierungskosten. Beschafft sich der Käufer ein gleichwertiges Grundstück, schuldet der Verkäufer die Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbartem Kaufpreis und dem Kaufpreis für das Ersatzgrundstück.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: