Immobilien:Tausche große gegen kleine Wohnung

Mietwohnungen in Hamburg

Altbau-Wohnungen in Hamburg.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)
  • In vielen Städten fehlt bezahlbarer Wohnraum, gerade für Familien. Gleichzeitig leben viele Senioren in Wohnungen, die eigentlich viel zu groß für sie sind.
  • Experten fordern daher eine bessere Nutzung des Wohnbestandes. Helfen könnten beispielsweise Tauschprojekte, die in manchen Städten bereits angeboten werden.

Von Stefan Weber

Die Wohnung, in der Maria Dämmrich zu Hause ist, war einmal genau passend - vor 25 Jahren, als sie hier mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebte. Heute ist sie Witwe, die Kinder sind aus dem Haus und sie wohnt allein auf 110 Quadratmetern. "Zwei der vier Zimmer nutze ich eigentlich überhaupt nicht", sagt die 74-Jährige.

So wie Maria Dämmrich geht es vielen älteren Menschen: Nach dem Auszug der Kinder (und möglicherweise auch dem Tod des Partners) leben sie in Wohnungen, die sie selbst als deutlich zu groß empfinden. Nach Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer regelmäßigen Befragung von mehr als 12 000 Privathaushalten in Deutschland, leben derzeit im urbanen Raum mehr als 1,76 Millionen alleinstehende Personen in Eigentumswohnungen oder Häusern mit vier und mehr Zimmern. Zudem verfügen etwa 2,34 Millionen ZweiPersonen-Haushalte über Wohnungen und Häuser mit mehr als fünf Räumen.

Im Mietwohnungsbestand ist die Überversorgung mit Wohnraum zwar nicht ganz so groß. Aber immerhin gibt es knapp 1,3 Millionen Ein- und Zwei-PersonenHaushalte im städtischen Raum, die Wohnungen mit vier und fünf Zimmern haben - und das in vielen Fällen bereits seit Jahren. Soziologen bezeichnen dieses Phänomen als "Remanenzeffekt": Menschen verharren in Wohnungen, auch wenn sich die familiäre Situation etwa durch den Auszug der Kinder geändert hat. In der Folge steigen die Wohnflächen pro Kopf.

In Zeiten wie diesen, in denen insbesondere in größeren Städten die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum das Angebot bei Weitem übersteigt und neuer Wohnraum nicht schnell genug geschaffen werden kann, plädieren viele Experten für eine bessere Nutzung des Bestandes. Das kann durch Dachaufstockungen geschehen, wie sie beispielsweise der Immobilienkonzern Vonovia seit jüngster Zeit verstärkt vornimmt. Oder eben durch Wohnungsrotation. "Würden nur zehn Prozent der insgesamt 4,1 Millionen selbst genutzten Wohnungen als Einliegerwohnung oder zur Untervermietung genutzt, ständen kurzfristig mehr als 410 000 Wohnungen in städtischen Räumen zur Verfügung", analysiert das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in einem Gutachten zur Verbesserung der Situation auf dem Wohnungsmarkt. Allerdings ist der Umbau in eigenständig vermietbare Einliegerwohnungen meist mit größeren Änderungen verbunden. Die Schaffung eines separaten Eingangs, eigener Sanitäranlagen und einer eigenen Küche - all das bedeutet einen erheblichen Aufwand, sowohl finanziell als auch organisatorisch. Viele ältere Menschen schrecken davor zurück, vor allem wenn sie nicht auf Einnahmen aus einer Vermietung angewiesen sind.

Größere Reserven stecken möglicherweise in Mietwohnungen, die nicht in vollem Umfang genutzt werden. "Würden derartige Wohnungen verstärkt durch Umzüge frei, könnten Potenziale etwa für Familien gehoben werden", stellt das IW fest. Dabei verweisen die Wissenschaftler auf eine Studie der Schader-Stiftung, wonach etwa ein Drittel der Menschen über 55 Jahren bereit ist umzuziehen, gerade auch, weil sie ihre Wohnung als zu groß empfinden.

Für ältere Menschen ist der Umzug oft ein sensibles Thema

Der Immobilienkonzern LEG, mit 130 000 Wohnungen einer der größten Vermieter in Nordrhein-Westfalen, hat in diesem Juni eine Initiative ("Wohnen für Generationen") gestartet, um das in seinem Bestand schlummernde Potenzial für Familienwohnungen zu heben. Er möchte älteren Mietern, die alleine in einer großen Wohnung leben, den Umzug in eine kleinere und möglicherweise besser zu finanzierende Wohnung in ihrem Umfeld schmackhaft machen. Dabei werden die Mietkonditionen auf die neue Wohnung übertragen.

Wer etwa bisher eine 90 Quadratmeter große Wohnung zu einem Quadratmeterpreis von 5,40 Euro (das ist die durchschnittliche Kaltmiete im Bestand der LEG) nutzt, zahlt künftig für eine vielleicht halb so große Wohnung den gleichen Preis pro Quadratmeter. Er halbiert also seine Kaltmiete. Zusätzliches Argument: Wohnungswechsler müssen ihre Umgebung und das soziale Gefüge in der Nachbarschaft nicht aufgeben, weil das neue Zuhause im Idealfall um die Ecke ist. "Mit unserer Initiative wollen wir ohne zeitaufwendigen Neubau rasch und unbürokratisch zusätzlichen Wohnraum für Familien in einem preisgünstigen Umfeld schaffen", sagt Thomas Hegel, Vorstandsvorsitzender der LEG.

Der Immobilienkonzern hat in seinem Bestand etwa 1000 Wohnungen ausgemacht, die als potenzielles Tauschobjekt infrage kommen: Sie sind mehr als 85 Quadratmeter groß und werden von allein lebenden Mietern bewohnt, die mindestens 65 Jahre alt sind. Weil ein Umzug speziell für ältere Menschen ein sehr sensibles Thema ist, hat sich LEG entschlossen, die Mieter nicht direkt anzuschreiben und auf dieses Angebot hinzuweisen. "Die Kommunikation läuft über unsere Service-Center vor Ort. Dort liegen Faltblätter mit den entsprechenden Informationen aus", erläutert ein Sprecher. Das Wohnungsunternehmen will keinesfalls den Eindruck aufkommen lassen, ältere Mieter würden aus ihren Wohnungen gedrängt.

Ganz neu ist die Idee nicht

Verbände, Mietervereine und Politik loben die Initiative. "Dieses Projekt ist ein Meilenstein für eine bedarfsgerechte und somit sozialere Allokation von Wohnraum", meint Staatssekretär Gunther Adler vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Er wünscht sich, dass sich möglichst viele Wohnungsunternehmen dieser Initiative anschließen. "Sie bietet Familien neue Perspektiven in Zeiten des Wohnungsmangels und gleichzeitig eine smarte Alternative zum aufwendigen und kostspieligen Neubau von Wohnungen."

Ganz neu ist die Idee nicht. Wohnungsgesellschaften wie etwa der Erbbauverein Köln bieten diese Form des "Senioren-Wohnungstauschs" (so nennt die Genossenschaft diesen Service) seit mehreren Jahren an. Die Resonanz ist überschaubar - obwohl sich der Erbbauverein mit bis zu 1500 Euro an den Umzugskosten beteiligt, bei der Suche nach einem Umzugsunternehmen behilflich ist und die neue Wohnung fertig tapeziert und gestrichen übergibt. Viele Mieter gäben sich mit einem veralteten Bad zufrieden und nähmen mühsames Treppensteigen in Kauf statt in eine modernisierte, barrierefreie und per Aufzug erreichbare Wohnung zu wechseln.

Auch in der Mieterschaft der LEG ist das Echo auf "Wohnen für Generationen" bisher noch gering. Erste Tauschaktionen haben zwar stattgefunden, aber dem Immobilienkonzern ist klar, dass dieses Thema Zeit braucht. Auch wird die Initiative am Ende nur ein kleiner Beitrag dazu sein, die Wohnungssituation insbesondere für Familien zu entspannen. Maria Dämmrich, die Mieterin in einem Drei-Familien-Haus am Niederrhein ist, das nicht der LEG gehört, möchte, solange es geht, in ihrer großen Wohnung bleiben - auch wenn das Treppensteigen immer mühsamer wird. "Einen alten Baum", sagt sie, "verpflanzt man nicht mehr."

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