Ikea in Deutschland:Die Droge

Wieso können wir von Ikea nicht genug haben?

Von Eike Schrimm

Vor 30 Jahren hat das schwedische Möbelhaus seinen ersten Laden in Deutschland eröffnet. Ausgerechnet in Eching, 20 Kilometer nördlich von München, 100 Kilometer vor den Alpen, sollte nun zwischen Geranien und Lüftlmalerei skandinavischer Lifestyle einziehen. Ganz schön gewagt, denn der Bayer fühlt sich dem Süden näher als dem Norden Europas. Aber nichts desto trotz: Es hat geklappt. Mittlerweile verdient der Möbelriese 20 Prozent seines Gesamtumsatzes in den 33 deutschen Filialen.

Ikea in Deutschland: Unglaublich: Mit diesem Wohnzimmer ging Ikea 1974 auf den deutschen Möbelmarkt.

Unglaublich: Mit diesem Wohnzimmer ging Ikea 1974 auf den deutschen Möbelmarkt.

(Foto: Foto: Ikea)

Aber wie hat das der Firmengründer Ingvar Kamprad bloß geschafft? Jeder ist doch mindestens einmal schon von Ikea enttäuscht worden: Entweder war der gewünschte Schrank ausverkauft, oder die Schlangen an der Kasse stundenlang oder es haben dann beim Aufbau einige Schrauben gefehlt.

Aber steht eine neue Möbel-Anschaffung vor der Tür, blättert man trotzdem und immer wieder den Ikea-Katalog durch. Schließlich werden den Deutschen griffbereit mehr als 60 Millionen Stück bis zur Haustür verteilt und dann bleibt er meistens im Haus, bis der nächste im August kommt.

Was macht also das Ikea-Feeling aus, das so sorgfältig und so erfolgreich verströmt wird? Ist es der niedrige Preis? Aber billige Möbel bietet auch der nächst gelegene Möbel-Riese auf der grünen Wiese. Also das Design? Das kann es auch nicht gleich gewesen sein. Wer nämlich den ersten deutschen Katalog von 1974 durchblättert, ist erstaunt über die brave Bürgerlichkeit: Häkeldeckchen auf dem Stubentisch, Zinnbecher in der Schrankwand oder Strohblumen auf der Garderobebank.

Dafür springt dem Kunden auf dem Katalogtitel ein flotter Spruch an: "Wer jung ist, hat mehr Geschmack als Geld". Stimmt. Und es wird 1977 noch treffender: "Lieber etwas billiger, aber dafür umso schöner." Genau. Oder 1983: "Wieder mal gegen den Strom." Gerne.

Dann ist leider Schluss mit dem markigen Jahres-Motto und der Schwede konzentriert sich auf dem Titel ganz auf seine Möbel. Immer steht das Sofa im Bildzentrum. Daneben, dahinter oder davor das Beistelltischchen, das Regal oder die Kommode. 2001 geht der Schwede sogar so weit, dass er nur noch die Polster-Rückenlehne und zwei Haarschöpfe in Groß zeigt.

Überraschung, die gewollt ist. Denn ein Ikea-Katalog soll jedes Jahr die Kunden neugierig machen. Deshalb will "sich Ikea auch nicht auf seinen Polstern ausruhen" - Kalauer von 1982 - sondern immer wieder Neues ganz vorn präsentieren.

Und die Firmen-Philosophie geht sogar soweit, dass kein namenloses Produkt das Haus verlässt. Eva Bordin Karlsson und Maj-Britt Olausson sind extra dafür angestellt, den Dingen einen schönen Namen zu geben - mit System: Sofas, Couchtische, Rattan- oder Musikmöbel bekommen schwedische Ortsnamen. Finnische Ortsnamen decken Esstische und Stühle ab. Norwegische Ortsnamen stehen Pate für Betten, Kleiderschränke oder Dielenmöbel.

Badezimmerartikel werden gleichgesetzt mit skandinavischen Seen, Flüssen und Meeresbuchten.

Weibliche Vornamen bekleiden Stoffe und Gardinen, Stühle und Schreibtische heißen wie Männer.

Die Namen für Leuchten stammen aus der Meteorologie, aus der Seemannsprache oder auch aus der Musik. Vielleicht liegt es also daran, dass wir von Ikea nicht einfach nur Ware mit nach Hause nehmen, sondern eben "Melodi". Und von solchen schönen Geschöpfen kann man eben nie genug bekommen.

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