Hypo Real Estate:Politiker relativieren Horrorszenario

Eine Billion Euro! Auf diese unvorstellbare Summe sollen sich die Risiken der Problembank HRE belaufen. Doch Politiker können sich das nicht vorstellen.

Thorsten Denkler, Berlin

Finanzpolitiker von SPD und FDP können sich nicht erklären wie die Zahl einer angeblichen Gesamtbilanzsumme von einer Billion Euro der vor einer staatlichen Übernahme stehenden Hypo Real Estate zustande komme.

Hypo Real Estate: Der Hauptsitz der Hypo Real Estate in München.

Der Hauptsitz der Hypo Real Estate in München.

(Foto: Foto: AP)

Hans-Ulrich Krüger (SPD), Mitglied im Kontrollgremium des Bundestages für den Bankenrettungsfonds Soffin, sagte zu sueddeutsche.de, keiner wisse, wie hoch der Abschreibungsbedarf am Ende wirklich sei. "Aber die Zahl von einer Billion Euro allein in Bezug auf die HRE ist Unfug." Sie hätte überdies nichts damit zu tun, was tatsächlich auf den Staat an tatsächlichen Belastungen zukommen könne.

Krüger sagte: "Die toxischen Papiere von heute können die stillen Reserven von morgen sein." Es sei wahrscheinlich, dass sie in den kommenden Jahren wieder an Wert gewinnen.

Geheimhaltung

Florian Toncar, für die FDP Mitglied im Kontrollgremium, sagte zu sueddeutsche.de: "Ich kann die Zahl nicht bestätigen." Über den Umfang der Geschäfte an der Bilanz vorbei sei dem Kontrollgremium von der Bundesregierung eine andere, wesentlich geringere Zahl genannt worden. Genauere Angaben wollte er nicht machen, er sei zur Geheimhaltung verpflichtet.

Gibt es bei der Hypo Real Estate (HRE) teils hochspekulative Anlagen außerhalb des offiziellen Rechenwerks? Darüber berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung (Freitag). Zusammen mit der offiziellen Bilanzsumme von etwa 400 Milliarden Euro ergebe sich eine Summe von knapp einer Billion Euro, die die Bank angeblich laufend mit neuen Krediten refinanzieren müsse.

"Vor einem Jahr hätte ich mir nicht vorstellen können, dass wir es mit einer solchen Dimension zu tun bekommen könnten", sagte der Bundestagsabgeordnete Jochen-Konrad Fromme (CDU), der dem parlamentarischen Kontrollgremium des Bankenrettungsfonds Soffin angehört, der Zeitung.

Es handele sich bei den jetzt aufgetauchten Lasten offenbar um Derivate, also um Finanzpapiere, die seit Mitte der achtziger Jahre immer populärer wurden. Sie berechtigen dazu, Produkte zu einem späteren Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Der Unterschied zwischen Soll und Haben belaufe sich bei der HRE auf mehrere hundert Milliarden Euro, heißt es im Umfeld von Finanzexperten der Bundestagsparteien.

Unklar ist, inwieweit diese Lasten schon in der Bilanz berücksichtigt wurden.

"Wir stecken in höllischen Verträgen"

Wenn der Staat nicht umgehend in das Münchener Geldinstitut einsteige, könnten die Folgen für den internationalen Finanzmarkt schlimmer sein als beim Zusammenbruch der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers, warnt jedenfalls CDU-Mann Fromme: "Wir stecken in höllischen Verträgen."

Der FDP-Politiker Toncar forderte die Bundesregierung auf, Abstand von einer möglichen Enteignung zu nehmen. Das Ziel, umfassende Kontrolle über die Bank zu erhalten, könne auch mit einer Kapitalerhöhung von 300 bis 400 Prozent erreicht werden. Die Besitzanteile des Bundes könnten über diesen Weg sogar noch höher liegen als bei einer Enteignung.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte angekündigt, einen Anteil von 75 Prozent plus einer Aktie an der Bank erwerben zu wollen, um eine Kontrollmehrheit zu erreichen.

Toncar sagte dazu, aktienrechtlich sei das die richtige Größenordnung. "Betriebwirtschaftlich aber sind 90 Prozent wünschenswert, weil das sie Bonität der HRE weiter erhöhe und so die Refinanzierung günstiger werde." Das sichere die Überlebensfähigkeit der Bank.

Technisch werde eine entsprechende Kapitalerhöhung keine Probleme mit sich bringen. "Außer dem Staat ist an dieser Bank im Moment niemand interessiert", sagte Toncar.

Der Kapitalbedarf der HRE liege bei etwa zehn Milliarden Euro. Wenn der Staat nur einen Teil dieser Summe gegen HRE-Anteile tausche, lande er sehr schnell bei einem Besitzanteil von 90 Prozent.

Kritik am Flowers-Angebot

Zum Angebot Christopher Flowers, Hauptaktionär der HRE, seine Aktien für drei Euro pro Aktie der Bundesregierung übertragen zu wollen, sagte Toncar: "Das ist das Doppelte des Börsenwertes, das kann man nicht machen". Der Verkaufspreis habe sich am Börsenwert zu orientieren.

Hans-Ulrich Krüger sagte sueddeutsche.de, Flowers versuche, möglichst viel Geld für sich herauszuholen. "Der Staat hat aber das Instrumentarium, dieses zu verhindern", sagte Krüger in Bezug auf eine mögliche Enteignung der HRE-Aktionäre. Er nannte es aber "einen ersten Schritt", das Flowers offenbar die Notwendigkeit einer staatlichen Übernahme anerkenne.

Der Großaktionär Christoph Flowers, der zusammen mit Fonds offenbar rund 40 Prozent der HRE-Aktien besitzt, hat erstmals seine Preisvorstellungen für einen Verkauf an den deutschen Staat genannt. Er will drei Euro pro Aktie - das ist das Doppelte des derzeitigen Börsenwerts.

Sein Argument: Die Entschädigung solle sich an dem Aktienkurs orientieren, der in den zwei Wochen vor dem Aufkommen der Verstaatlichungsgerüchte am 8. Januar gegolten habe. "Hier sprechen wir über knapp drei Euro pro Aktie", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitag).

Flowers hatte bei seinem Einstieg 22,50 Euro für die HRE-Aktie bezahlt. Am Donnerstagnachmittag lag der Kurs bei 1,64 Euro.

Die neuen Gerüchte verstärken den Druck auf den Bund und Finanzminister Peer Steinbrück, bald mit einem Zukauf das Steuer ganz in die Hand zu nehmen. Sogar eine Enteignung von Flowers ist, nach dem jetzt beschlossenen Gesetz, möglich.

Die HRE hat bereits 102 Milliarden Euro an Garantien und Kapital erhalten. Am Mittwoch hatte die Bundesregierung das umstrittene "Rettungsübernahmegesetz" auf den Weg gebracht, mit dem erstmals in der bundesdeutschen Geschichte Banken notfalls auch verstaatlicht und deren Eigentümer enteignet werden können.

Zunächst will sich der Bund über Kapitalmaßnahmen die Mehrheit an der HRE sichern. Allerdings steht dem noch der US-Finanzinvestor J.C. Flowers im Weg, der knapp 25 Prozent an der Bank hält.

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