Hypo Real Estate:Milliardenklage gegen HRE

Die Hypo Real Estate wird für die künftige Regierung zu einem immer größeren Risiko. Der frühere Chef Funke soll die Aktionäre schon seit 2007 systematisch getäuscht haben.

Klaus Ott

Genau ein Jahr nach der dramatischen Rettung der Hypo Real Estate (HRE) durch die Bundesregierung erreicht die Bewältigung der Krise ein neues Stadium: Kapitalanleger erheben beim Landgericht München neue, schwere Vorwürfe gegen den alten Vorstand um den früheren Bankchef Georg Funke und fordern immer mehr Schadenersatz für ihre nahezu wertlos gewordenen Aktien.

Der Kläger mit den größten Forderungen, der Jurist Christian Wefers aus Nordrhein-Westfalen, wird seine bereits bei Gericht anhängige Klage in der kommenden Woche deutlich ausweiten. Dadurch belaufe sich der Schaden, den er für zahlreiche Kapitalanlagefonds geltend mache, "nunmehr auf fast eine Milliarde Euro", sagte Wefers der Süddeutschen Zeitung.

Zahlreiche Fonds unter den Klägern

Der Jurist vertritt Fonds, die das Geld ihrer Anleger auch in HRE-Aktien investiert haben, als die Bank noch gut dastand. Die HRE-Pfandbriefbank Depfa hat damals an Staaten in aller Welt auf Jahrzehnte hohe Milliardenbeträge verliehen, sich einen großen Teil des dafür nötigen Geldes aber stets nur kurzfristig am Kapitalmarkt besorgt. Dieses Geschäftsmodell führte nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers beinahe auch zum Zusammenbruch der HRE, weil die Banken sich weltweit gegenseitig kaum noch Geld liehen.

Bei den klagenden Fondsgesellschaften gehe es um Hunderttausende, wenn nicht sogar mehrere Millionen Privatanleger, erklärte Wefers. Diese Kunden seien "doppelt geprellt worden: als Kapitalanleger und auch als Steuerzahler, weil der Staat die HRE retten musste".

Zu den Gesellschaften, die ihre Ansprüche an Wefers abgetreten haben, gehören auch die Fonds der Sparkassen und Landesbanken sowie des Versicherungskonzerns Allianz. Wefers hat bisher 200 Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Bei einer Verhandlung im August hatte das Landgericht dieser Klage aber nur geringe Erfolgsaussichten bescheinigt und einen für die HRE günstigen Vergleich angeregt. Seit dieser Verhandlung hat Wefers nach seinen Angaben aber zahlreiche "zusätzliche Informationen und Beweise" erhalten, mit denen er die bisherigen Ansprüche wie auch neue Forderungen untermauern könne.

So habe die HRE im vergangenen Jahr verschwiegen, dass die deutsche Bankenaufsicht bei einer Sonderprüfung auf gravierende Mängel bei der Bank gestoßen sei. Diese Information wäre für Anleger, die HRE-Aktien kaufen wollten, wichtig gewesen, trägt Wefers in der jetzt ausgeweiteten Klage vor. Diese Klage wird, um eine Verjährung zu vermeiden, bis zum kommenden Dienstag beim Landgericht eingereicht.

Geschäftsplan der Depfa - nur "Phantasie"

Am 29. September 2008 hatten der Bund und mehrere Banken die HRE mit Bürgschaften in Höhe von 35 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt. Inzwischen belaufen sich die staatlichen Garantien auf fast 100 Milliarden Euro. Außerdem muss der Bund mindestens zehn Milliarden Euro in die Bank einzahlen, um ihr Überleben zu sichern. Jetzt kommen neue Risiken hinzu. Finanzminister Peer Steinbrück hat bereits seinen Unmut über die Klagen geäußert, da dies zu Lasten der Steuerzahler gehen könnte.

Wefers wird bei Gericht vom Tübinger Anwalt Andreas Tilp vertreten. Tilp strebt einen Musterprozess an, in dem alle anhängigen Verfahren zusammengefasst werden. Beim Münchner Landgericht stapeln sich inzwischen Klagen aus ganz Deutschland gegen die HRE. Allein die Münchner Kanzlei Rotter vertritt 62 Anleger, die Geld zurückverlangen. Unter den Klägern ist auch die Union Investment, die Fondsgesellschaft des genossenschaftlichen Finanzverbundes, zu dem die Volks- und Raiffeisenbanken gehören.

Die HRE weist die Vorwürfe zurück. Die Gesellschaft habe sich stets korrekt verhalten und gehe deshalb davon aus, dass die Klagen ohne Erfolg blieben, sagte ein Sprecher.

Wefers entgegnet, schon vor zwei Jahren sei in der HRE die Schieflage absehbar gewesen. Der damalige Bankchef Georg Funke habe spätestens im September 2007 gewusst, dass das Geschäftsmodell der kurz darauf von der HRE übernommenen Depfa nicht tragfähig sei. Funke selbst habe den Geschäftsplan der Depfa im Gespräch mit Investoren als "Phantasie" bezeichnet.

Auch das sei den Aktionären verschwiegen worden. Funkes Anwälte wollten sich nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Der ehemalige Manager klagt beim Landgericht München gegen seinen Rauswurf bei der HRE und trägt dort vor, er habe stets korrekt gehandelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: