Hypo Real Estate:35 Milliarden - der Bund muss bluten

Staat im Risiko: Der bedrohte Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate erhält eine Bankbürgschaft über 35 Milliarden Euro. Der Staatshaushalt muss neu gefasst werden.

Das Bundesfinanzministerium übernimmt eine Bürgschaft für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate in Höhe von 35 Milliarden Euro. Diese Zusage sei nötig, um die Finanzhilfen der Privatbanken abzusichern, sagte der Sprecher von Finanzminiser Peer Steinbrück (SPD), Torsten Albig, am Montag in Berlin.

Hypo Real Estate: Vorerst gerettet: Eine Gruppe von Banken hat den angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate vor dem Aus bewahrt - und der Staat übernimmt das Risiko.

Vorerst gerettet: Eine Gruppe von Banken hat den angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate vor dem Aus bewahrt - und der Staat übernimmt das Risiko.

(Foto: Foto: AP)

Der Bund wäre von einer Inanspruchnahme der Bürgschaft von Anfang an betroffen, hieß es. Zur angestrebten "geordneten Abwicklung" sagte Albig, dies sei Sache des Unternehmens. Es sei keine Verstaatlichung angestrebt. Spekulationen über weitere Schieflagen seien höchst unverantwortlich, sagte Wilhelm.

Auch seien die Maßnahmen in enger Abstimmung mit der Bundesbank, der Finanzaufsicht Bafin sowie anderen europäischen Regierungen abgestimmt.

Ausmaß seit Donnerstag bekannt

Nach Angaben des Finanzministeriums sei die Krise am vergangenen Donnerstag in diesem Ausmaß nicht absehbar gewesen. Am Wochenende habe es "sehr intensive Beratungen" gegeben, auch die Finanzaufsicht Bafin war involviert.

Die Bundesregierung habe sich daraufhin bereit erklärt, "die Kreditunterstützung durch einen staatlichen Bürgschaftsrahmen abzusichern", sagte Albig weiter.

Die Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate ist nach Darstellung des Bundesfinanzministeriums das derzeit einzige zu lösende Problem in diesem Bankensegment.

Steinbrück in Sorge

Finanzminister Steinbrück hat sich nach SPD-Angaben besorgt über die jüngsten Entwicklungen in der weltweiten Finanzkrise gezeigt. Bei einer Sitzung des Präsidiums der SPD-Bundespartei habe Steinbrück über die vereinbarte Rettungsaktion für den Immobilienfinanzierer informiert und die Lage insgesamt als äußerst schwierig geschildet, sagten Teilnehmer der Sitzung.

Zugleich habe Steinbrück sich aber überzeugt gezeigt, dass die Lage in Deutschland unter Kontrolle sei. "Er hat den Eindruck erweckt, dass man das alles im Griff behalten kann", hieß es. Zugleich habe der Minister darauf verwiesen, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit sachlich über die Lage informieren müsse, um Aufregung oder Panik bei Sparern und Kleinanlegern zu verhindern. Die Kommunikation nach außen sei sehr wichtig, zitierten Teilnehmer aus dem Vortrag Steinbrücks.

Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm soll mit der Liquiditätshilfe eine Ausbreitung der Finanzkrise verhindert werden.

Sparziel der großen Koalition in Gefahr

Die Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate könnte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen: Das Milliardenpaket würde massiv das Ziel der großen Koalition gefährden, bis 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden zu erreichen.

Dem Vernehmen nach beträgt ein erster Teil des am Sonntag geschnürten Rettungspakets etwa 14 Milliarden Euro. Davon sollen die privaten Banken 60 Prozent, der Bund 40 Prozent übernehmen. Die zweite Risikoabschirmung von 21 Milliarden Euro soll der Bund allein tragen. Damit würde nach den Staatshilfen für die Mittelstandsbank IKB der Bund ein zweites Mal einspringen, um ein deutsches Institut für dem Aus zu retten.

Domino-Effekt vermeiden

Hintergrund dürfte auch hier die Befürchtung sein, dass ein Domino-Effekt auf dem Finanzplatz Deutschland verhindert werden soll. Auch geht es darum, die Sicherungssysteme der deutschen Kreditwirtschaft nicht zu überlasten. Nach Einschätzung von Branchenkreisen hätten die Banken Probleme, derart große Summen nachzuschießen. Die Spareinlagen der Verbraucher gelten als sicher.

Bundesbank und die oberste Finanzaufsicht BaFin hatten dem Finanzkonzern am Montagmorgen den Rücken gestärkt. Das geschnürte Rettungspaket zusammen mit einem Bankenkonsortium sichere die Marktfähigkeit des Immobilien- und Staatsfinanzierers.

Erst vergangene Woche hatten Bundesregierung, Bundesbank sowie Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erneut betont, dass das deutsche Bankensystem robust sei. Einem staatlichen Hilfspaket für die Finanzbranche nach dem Vorbild der USA hatten Steinbrück und Merkel mehrfach eine Absage erteilt.

Am Dienstag wird der Haushaltsausschuss des Bundestages nach Informationen aus dem Gremium in einer Sondersitzung über eine Beteiligung des Bundes an der Rettung der Hypo Real Estate beraten. Zuvor würden die Bundestagsfraktionen zu außerordentlichen Sitzungen zusammenkommen, sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Anwesend sein würden auch die Chefs der Bundesbank und der Börsenaufsicht Bafin, Axel Weber und Jochen Sanio. Bereits am Montagnachmittag werde Finanzminister Peer Steinbrück Haushaltspolitiker über seine Pläne unterrichten.

Obwohl eine Gruppe deutscher Banken Hypo Real Estate vor dem Aus gerettet hat, stürzte die Aktie des Dax-Konzerns am Morgen nach der Rettungsaktion nach Handelsbeginn um fast 70 Prozent ab.

Tagelange Krisengespräche

Die Hypo Real Estate war ins Wanken geraten, weil ihre Tochter Depfa ihren milliardenschweren Refinanzierungsbedarf nicht mehr decken konnte. Um einen Zusammenbruch zu verhindern, sprangen mehrere deutsche Banken ein und sicherten in der Nacht eine milliardenschwere Kreditlinie zu. Damit sieht die Hypo Real Estate ihre Finanzierung laut Angaben aus Finanzkreisen bis weit ins Jahr 2009 als gesichert an.

Lesen Sie weiter, inwieweit die Aktionäre betroffen sein werden.

35 Milliarden - der Bund muss bluten

Welche Banken an der Rettungsaktion beteiligt sind, wurde zunächst nicht bekannt.

Es sei kurz- und mittelfristiges Geld in "ausreichender Höhe" zur Verfügung gestellt worden, teilten Hypo Real Estate, Bundesbank und die Finanzaufsichtsbehörde Bafin in der Nacht zu Montag nach tagelangen Krisengesprächen mit.

Keine Dividende für die Aktionäre

"Die Bundesbank und die Bafin gehen davon aus, dass die Marktfähigkeit der Hypo-Real-Estate-Gruppe dadurch gesichert ist." Wie der Konzern mitteilte, ist der Finanzierungsbedarf der Gruppe mit dem Kredit auf absehbare Zeit gedeckt und das Unternehmen "vom Einfluss der derzeit weitgehend funktionsunfähigen internationalen Geldmärkte" abgeschirmt.

Der HRE-Vorstandsvorsitzende Georg Funke sagte: "Die neue Kreditlinie verwirklicht einen weitreichenden und innovativen Ansatz, mit dem wir unsere Finanzierungsstruktur so anpassen können, dass sie den derzeitigen Fehlfunktionen an den internationalen Geldmärkten gerecht werden. Die Hypo Real Estate Group wird diese Geldmärkte auf absehbare Zeit nicht mehr in Anspruch nehmen müssen."

Die Abschreibungen bei der Tochter Depfa würden sich wesentlich auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Gruppe auswirken. Die Aktionäre müsste in diesem Jahr auf eine Dividende verzichten. Schon für 2007 war sie wegen massiver Probleme im Zuge der weltweiten Finanzkrise um zwei Drittel gekürzt worden.

Experten sind nun erleichtert. Der Kölner Bankenexperte Thomas Hartmann-Wendels begrüßte die Rettungsaktion. "Dieser Kredit schafft Vertrauen", sagte der Professor im ARD-Morgenmagazin. Vertrauen sei sehr wichtig, weil es sonst zu einem Flächenbrand kommen könne, der schwer einzudämmen sei. Allerdings sei man von dauerhaften Lösungen weit entfernt. Zunächst müssten die akuten Probleme bekämpft werden, sagte Hartmann-Wendels.

Zuvor war aus Finanzkreisen bekanntgeworden, dass die Bank wegen der Marktturbulenzen mit ernsten Refinanzierungsproblemen kämpft und fieberhaft nach Lösungen sucht, um einen Liquiditätsengpass zu vermeiden. Es drohte erstmals ein Dax-Konzern tief in den Strudel der seit mehr als einem Jahr währenden Finanzkrise zu geraten. In den USA hatte die Regierung zuletzt zahlreiche Banken vor dem Kollaps retten müssen.

Finanzierungsprobleme bei Depfa

Bei den Krisengesprächen war nach Angaben von mit der Situation vertrauten Personen lange um die Ausfallbürgschaft gerungen worden. Dabei war von einem niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag die Rede. Eine weitere Möglichkeit, über die diskutiert worden sei, sei der Verkauf von Vermögenswerten wie etwa milliardenschwerer Kreditforderungen gewesen, hieß es von anderer Seite. Die Hypo Real Estate wollte sich nicht äußern.

Die Hypo Real Estate ist seit der Depfa-Übernahme ein bedeutender Staats- und Infrastrukturfinanzierer. Sie ist stärker als andere Institute von der Refinanzierung am Interbankenmarkt abhängig, da sie keine Kundeneinlagen hat. Mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers vor zwei Wochen ist die Kreditvergabe unter den Banken wieder weitgehend versiegt, da die Banken ihre Liquidität horten. Die Hypo Real Estate braucht jährlich für einen Teil - rund 50 Milliarden Euro - des Kreditportfolios der Depfa kurzfristige Mittel zur Refinanzierung.

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