Hypo Real Estate:"Die HRE saß in der Todeszone, wir nebenan"

Bafin-Präsident Sanio weist im Untersuchungsausschuss Vorwürfe zurück, im Fall HRE zu spät gehandelt zu haben - und fordert Reformen.

M. Hesse und D. Kuhr

Die Finanzaufsicht Bafin hat Vorwürfe zurückgewiesen, bei der Schieflage des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) zu spät gehandelt zu haben. Man habe gesetzlich keine Möglichkeit gehabt, früher einzugreifen, sagte Bafin-Präsident Jochen Sanio vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags in Berlin.

Hypo Real Estate: Bafin-Präsident Jochen Sanio vor dem Untersuchungsausschuss zur HRE: "Die HRE saß in der Todeszone, wir saßen nebenan."

Bafin-Präsident Jochen Sanio vor dem Untersuchungsausschuss zur HRE: "Die HRE saß in der Todeszone, wir saßen nebenan."

(Foto: Foto: dpa)

Die Bafin habe sich im vergangenen Jahr täglich über die Liquiditätssituation bei der HRE informieren lassen, sagte Sanio. "Das ist etwas Einmaliges. Mir fällt kein zweiter Fall ein, wo wir das gemacht haben." Aber obwohl die Bank zeitweise nur noch Liquidität für zehn oder elf Tage hatte, habe es keine Möglichkeit gegeben, die HRE zu schließen, sagte Sanio. Dafür gebe es in Deutschland keine gesetzliche Grundlage.

Andererseits hätte ein Schließlung aber auch nichts geändert, stellte der Bafin-Chef fest. "Dann wäre die Katastrophe eben drei Monate früher eingetreten." Die einzige wirksame Maßnahme wäre gewesen, der HRE Liquidität zu geben. "Doch diese Möglichkeit hat die Bafin nicht." Die Aufsicht habe daher nur beobachten können. "Die HRE saß in der Todeszone, wir saßen nebenan", sagte Sanio. Er forderte die Politik auf, die Gesetze zu ändern. "Man sollte daran denken, das Eingriffsstadium vorzuverlegen."

Der Bund und die privaten Banken hatten die HRE im vergangenen September mit Bürgschaften gerettet, die im Nachhinein jedoch erhöht werden mussten und sich jetzt auf mehr als 100 Milliarden Euro belaufen. Die HRE ist inzwischen verstaatlicht. Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es von Seiten des Bundes damals Versäumnisse gab und ob die letztlich gefundene Lösung den Steuerzahler unnötig belastet.

Wenn die HRE damals nicht gerettet worden wäre, hätte das "den Weltuntergang des Finanzsystems" bedeutet, sagte Sanio. "Sie wären am Montagmorgen aufgewacht, und Sie hätten sich im Film Apocalypse Now befunden." Seiner Ansicht nach war der Beitrag von 8,5 Milliarden Euro, auf den sich die Banken an dem Krisenwochenende letztlich einließen, "verdammt viel". Sie hätten nach der Lehman-Pleite ja selbst alle unter enormem Druck gestanden.

Bundesbank-Chef Axel Weber argumentierte am Donnerstag vor dem Ausschuss ähnlich: Wäre die HRE nicht gerettet worden, hätte es eine "Kernschmelze" gegeben. Die deutschen Finanzinstitute hätten nicht mehr als 8,5 Milliarden Euro übernehmen können, vor allem auch mit Blick auf die damalige Unsicherheit über ihre finanzielle Entwicklung. "Man ist an die Grenze dessen gegangen, was für die Institute verkraftbar war", sagte Weber.

Die Grünen wollen indes auch Bundeskanzlerin Angela Merkel als Zeugin vor den Untersuchungsausschuss bringen. "Angela Merkel hat die Konditionen der Rettung in einem entscheidenden Telefonat mit Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann ausgehandelt", begründete Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin den Antrag. Er forderte die anderen Fraktionen auf, dem Antrag zuzustimmen.

Für Irritationen sorgte am Donnerstag ein Bericht des Handelsblattes, wonach die Bundesban im vergangenen Herbst 2,3 Milliarden Euro bei der HRE angelegt hatte. Die Bundesbank wollte sich dazu nicht äußern. In Bankenkreisen wird die Zahl bestätigt. Dabei handelt es sich um Pensionsgelder der Bafin, des Bundes und der Bundesländer. Die Bundesbank ist gesetzlich verpflichtet, diese Mittel für die öffentlichen Auftraggeber anzulegen. Sie sieht darin keinen Interessenkonflikt zu ihrer Rolle als Aufseher der Banken. "Die Bundesbank befand sich in keinem Interessenkonflikt, weil die Bundesbank für die von ihr verwalteten Portfolien nur die Vorgaben der Mandatgeber umsetzt", heißt es in einer Mitteilung der Bundesbank.

Eine Bafin-Sprecherin bestätigte, dass die Pensionsverpflichtungen der Behörde komplett von der Bundesbank verwaltet werden. Gemeinsam haben beide im Jahr 2004 Richtlinien dafür erstellt, nach welchen Kriterien das Geld investiert werden darf. Danach muss die Bundesbank sichere Anlagen wählen, die mindestens eine Bonitätsbewertung von AA+ haben, das ist die dritthöchste Bewertung auf einer 18-stufigen Skala. Nur wenige festverzinsliche Wertpapiere wie Pfandbriefe und Bundesanleihen erfüllen diese Kriterien.

In Bankenkreisen heißt es, selbst wenn Bundesbank und Bafin im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen wären, dass sie ihr Geld besser aus HRE-Pfandbriefen abziehen sollten, wäre dies nicht möglich gewesen, weil sie so eine Flucht von Investoren aus Pfandbriefen ausgelöst hätten. Pfandbriefe gelten zwar selbst im Insolvenzfall als sicher, da die ihnen unterliegenden Sicherheiten von der Insolvenzmasse getrennt werden. Doch ist der Markt nie der Pleite eines so großen Emittenten ausgesetzt gewesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: