Hypo Real Estate:Der Wert toter Aktien

Eine Frage der Haltung: Obwohl ihre Anteile nahezu wertlos sind, protestieren Kleinanleger gegen die Verstaatlichung der Krisenbank HRE.

Thomas Fromm

5500 Euro hatte die Rentnerin Gisela Engelmann im Mai 2006 für ihre 100 Hypo-Real-Estate-Aktien bezahlt. Seitdem liegen sie in ihrem Depot bei der Sparkasse Fürstenfeldbruck, als "Notgroschen", wie sie sagt. Viel wert sind die Papiere der Krisenbank nicht mehr.

Hypo Real Estate Installation, dpa

Wer soll das bezahlen? Diese Frage stellen sich auch die Kleinaktionäre der HRE. Sie stemmen sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung, die Bank zu verstaatlichen.

(Foto: Foto: dpa)

Dennoch kommt Gisela Engelmann am nächsten Dienstag zur Hauptversammlung der Hypo Real Estate (HRE) nach München - als eine von vielen Kleinaktionären, die sich dagegen stemmen, dass der Bund die Bank verstaatlicht und sie selbst aus dem Eigentümerkreis gedrängt werden.

Natürlich ist da nichts mehr zu machen, natürlich ist die HRE schon so gut wie verstaatlicht. Aber ein letztes Mal wollen sie noch dabei sein, um ihre Meinung herauszurufen. "Ich sehe nicht ein, dass man die Aktionäre nicht einfach Aktionäre sein lässt, wenn sie das wollen", sagt Engelmann.

Kleinaktionäre zeigen Präsenz

Wer ihr zuhört, spürt: Es geht ihr nicht um eine Handvoll Aktien. Es geht um mehr, es geht um das Verhältnis des neuen Großaktionärs zu den Kleinen. Um den Staat auf der einen, Aktionären wie Gisela Engelmann auf der anderen Seite. Aktionäre, die zusammen heute immerhin noch an die 40 Prozent der HRE-Aktien halten.

Die Kleinaktionäre der Hypo Real Estate, lange Zeit hatte man nichts von ihnen gehört. Wer von HRE-Anteilseignern sprach, meinte vor allem den US-Großaktionär J.C. Flowers, jenen Investor, der lange Zeit 25 Prozent der HRE-Aktien hielt und heute immerhin noch mit 14 Prozent in München vertreten ist. Er ist das Feindbild, weil er nicht bereit ist, sich aus einer Bank zurückzuziehen, die nur noch mit Hilfen von über 100 Milliarden Euro am Leben gehalten werden kann.

Weil jeder weiß, dass Flowers kalt kalkuliert: Steigt der Staat ein, wird gerettet - vielleicht sogar erfolgreich saniert. Wenn saniert wird, sorgt das für Sicherheit. Und wo Sicherheit ist, steigt der Aktienkurs. Flowers will diesen Moment nicht verpassen. Schließlich hat er bei der HRE über eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt. Bei den meisten anderen Aktionären geht es um ein paar Hundert, ein paar Tausend Euro vielleicht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum sich die Kleinaktionäre gegen die Verstaatlichung wehren, obwohl ihre Anteile an der HRE nahezu wertlos sind.

Vom Markt enteignet

Der Fahrplan für die große Vollverstaatlichung steht schon seit Wochen fest. Der Bund will am Dienstag einen klaren Schnitt machen und über die Ausgabe neuer HRE-Aktien entscheiden lassen. Eine sogenannte Kapitalerhöhung, bei der außer dem Bund, der 5,6 Milliarden Euro in den Konzern pumpt, niemand teilnehmen darf, soll dessen Anteil von 47 auf über 90 Prozent hieven. Da Altaktionäre hier nicht mitmachen dürfen, schrumpft ihr Anteil am Gesamtkapital der HRE automatisch.

Das ist nur der Anfang: Der Bund kann so die restlichen Aktionäre mit einer Zwangsabfindung aus dem Unternehmen drängen. "Squeeze-Out" heißt das in der Sprache der Manager - "Herausquetschen". Nur wenn das nicht funktioniert, kann der Bund die restlichen Aktionäre enteignen. Gisela Engelmann, Flowers, die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) - sie alle haben eines gemeinsam.

Sie wollen weder rausgequetscht noch enteignet werden. "Ich verstehe nicht, warum die Aktionäre der HRE anders als die Aktionäre der Commerzbank voll und ganz aus dem Unternehmen herausgedrängt werden sollen", sagt Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.

Aktien-Zombies im Depot

Natürlich weiß jeder Aktionär im Grunde genau: Die HRE-Aktien, die er in seinem Depot hält, sind Aktien-Zombies seit die Bank im vergangenen Herbst beinahe zusammenbrach. Seitdem geistert die Aktie als Untote durch die Depots. Ihr Wert läge längst bei Null, gäbe es die Hilfen nicht, die 102 Milliarden Euro an Garantien vom Bund und aus der Privatwirtschaft, mit der das Institut künstlich am Leben erhalten wird.

So gesehen ist jeder einzelne Aktionär schon längst enteignet worden. Vom Markt. "Die Aktie ist eigentlich nichts mehr wert, darüber gibt es gar nichts zu diskutieren", sagt auch Anlegerschützer Petersen. Aber: Es sei die Art und Weise, wie der Staat die Aktionäre aus dem Eigentümerkreis dränge, die nicht richtig sei.

Die Bundesregierung sieht dies anders. Wo Hilfen von 102 Milliarden Euro geleistet werden, muss es mit der Rettung klappen. Es geht nicht nur um die Aktionäre, sondern vor allem darum, Steuergelder zu schützen und diejenigen, die sie zahlen. Denn sollte die HRE trotz aller Rettungsversuche doch noch kollabieren, wäre nicht nur das Geld der Aktionäre weg, sondern auch, was schlimmer wäre, das der Steuerzahler.

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