Hypo Alpe Adria und BayernLB:Verdächtiges in der Verkaufskette

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Ein Milieu, das Normalverdienern den Atem nimmt: Interne Bank-Dokumente zeigen, wie der Erwerb der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB ablief.

H. Leyendecker und K. Ott

Klar, die Papiere waren nicht ganz einfach geschrieben. Es gab die üblichen Fußangeln, mit denen sich die Prüfer absichern wollen, aber so kompliziert war der Sachverhalt auch nicht.

Er ließ sich auf eine schlichte Frage reduzieren: Warum sollte Bayerns Landesbank einer Investorengruppe um den Kaufmann Tilo Berlin viel Geld für Anteile an einer Bank zahlen, die man womöglich woanders günstiger bekommen konnte?

Diese Frage stellten im Frühjahr 2007 Spezialisten der Frankfurter Investmentbank Rothschild in einem als "streng vertraulich und persönlich" eingestuften Bericht dem damaligen Vorstand der BayernLB.

Rothschild beriet der Staatsbank bei der geplanten Übernahme der Kärntener Hypo Alpe Adria Bank International AG für ein Honorar in Höhe von acht Millionen Euro. Die Antwort ist bekannt: Die BayernLB kaufte dennoch für teures Geld die Hypo Alpe Adria; verlor insgesamt 3,7 Milliarden Euro und beendete im Dezember 2009 fast fluchtartig den Ausflug nach Kärnten. Für das Fiasko kommen die Steuerzahler auf.

Drängende Fragen

Seit Monaten ermitteln die "Arbeitsgruppe Finanzkrise" der Staatsanwaltschaft München I und Beamte des Bayerischen Landeskriminalamts gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der BayernLB wegen Verdachts der Untreue und anderer Delikte.

Je länger sich die Fahnder mit den Details der Transaktion beschäftigen, desto drängender werden die alten Rothschild-Fragen: Warum kaufte die Landesbank mit einem beträchtlichen Aufpreis der Berlin & Co Capital S.a.r.l rund 25 Prozent an der HGAA ab, obwohl die letzte und größte Tranche von 16 Prozent "direkt an die BayernLB weitergereicht" (Rothschild) wurde?

Was die Investmentbanker von Rothschild damals noch nicht wussten: Die Münchner Bank hatte den Berlin-Investoren sogar dreistellige Millionendarlehen gewährt, damit die Spekulanten Anteile an der Klagenfurter Hypo Alpe Adria kaufen konnten, um diese unmittelbar danach mit hohem Aufschlag an den Kreditgeber, die Landesbank, zu verkaufen.

Die Berlin & Co Capital verkaufte sogar Hypo-Alpe-Adria-Aktien an die BayernLB, die sie zu diesem Zeitpunkt dinglich noch gar nicht besaß. Das belegen Landesbank-Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung und dem österreichischen Magazin News vorliegen.

Womöglich ein abgekartetes Spiel

Die Münchner Ermittler gehen inzwischen Anhaltspunkten nach, der Deal der BayernLB mit der Investorengruppe um Tilo Berlin sei womöglich ein abgekartetes Spiel gewesen. Aufgrund der bisher festgestellten Abläufe bestehe der Verdacht, dass die Firma Berlin & Co Capital bewusst zwischengeschaltet worden sei, um einen Gewinn in einer "Verkaufskette" zu machen, steht in einem der Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft München an die Kollegen in Kärntens Hauptstadt Klagenfurt.

Viel günstiger wäre es die BayernLB gekommen, wenn sie von vornherein selbst die Hypo-Alpe-Adria-Anteile zu den Konditionen erworben hätte, die für Tilo Berlins Gruppe galten, lautet die Vermutung.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Werner Schmidt, Ex-Vorstandschef der BayernLB, wegen Veruntreuung von Bankvermögen; und gegen Berlin wegen Beihilfe hierzu.

Berlins Anwalt entgegnet, alles sei ganz sauber abgelaufen. Von einer "Zwischenschaltung" der Berlin & Co Capital könne "nicht die Rede sein". Der Standpunkt von Rothschild entspräche "nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen und vertraglichen Grundlagen" des damaligen Geschäfts. Auch Schmidt beteuert seine Unschuld. Die BayernLB und die Staatsanwaltschaft äußern sich hierzu nicht.

Spezialisten der "Sondergruppe 625 Wirtschaftskriminalität" des Landeskriminalamts haben nachgerechnet. Als Berlin & Co Capital die insgesamt 25 Prozent zwischen Dezember 2006 und Frühjahr 2007 in drei Tranchen bei der Hypo Alpe Adria kaufte, habe der Unternehmenswert zwischen 2,5 und 2,66 Milliarden Euro gelegen.

Bei der Unterzeichnung des Kaufvertrages durch die BayernLB im Mai 2007 sei aber plötzlich ein Unternehmenswert von 3,25 Milliarden Euro zugrundegelegt worden.

Die Investorengruppe, zu der einige Reiche in Deutschland und Österreich gehörten, habe mindestens einen Gewinn von 130 Millionen Euro gemacht. Gemessen am Kapitaleinsatz (650 Millionen Euro) und der Laufzeit (fünf Monate) kamen die Ermittler des Landeskriminalamts auf eine Traumrendite von 250 Prozent. Rothschild kam auf bis zu 87 Prozent.

"Keine geeigneten Gewährleistungszusagen"

Die Rothschild-Experten hatten den BayernLB-Vorstand in einem Bericht vom 10. Mai 2007 darauf verwiesen, dass Kärnten als Miteigner der Hypo Alpe Adria "wahrscheinlich" bereit sei, für einen geringeren Kaufpreis als Berlin & Co Capital Hypo-Alpe-Adria-Anteile zu verkaufen.

Das österreichische Bundesland sei "auch aus politischen Gründen" am Partner Bayern "sehr interessiert". Die Rothschild-Berater rügten auch, die Berlin & Co Capital biete "keine geeigneten Gewährleistungszusagen" für eventuell vorhandene Risiken in der Bank. Das alles fruchtete nichts. Aber warum?

Verschwörungstheoretiker werden womöglich eine einfache Erklärung haben: Der damalige BayernLB-Chef Schmidt und der Kaufmann Berlin waren alte Bekannte. Schon in den neunziger Jahren waren sie zusammen in der Baden-Württemberger Landesbank. Also Klüngel nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere zuungunsten einer dritten, wie kundige Rheinländer gern sagen? So einfach funktionieren solche Geschäfte vielleicht in Köln. Aber doch nicht in Bayern. Oder? Die Beschuldigten jedenfalls weisen alle Vorwürfe und Verdächtigungen vehement zurück.

Der Bankchef war perplex

Der Deal verschafft Einblicke in ein Milieu, das Normalverdienern leicht den Atem nimmt. Ein Villacher Steuerberater und Vertrauter des damaligen (2008 verstorbenen) Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider wurde kurz als Gutachter eingeschaltet. Mit Haider wurden zwölf Millionen Euro Honorar vereinbart, was geheim gehalten werden sollte, später aber durchsickerte.

Selbst der in ungewöhnlichen Geldangelegenheiten erfahrene Hypo-Alpe-Adria-Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Bankchef Wolfgang Kulterer war perplex, als er das erfuhr. Er sei "fast vom Hocker gefallen", sagte er Vertrauten. Er sei von 100.000 Euro ausgegangen, sagte Kulterer. Dass der Steuerberater später nur noch sechs Millionen Euro verlangte, ist kein Sieg der Gerechtigkeit.

Merkwürdig auch, dass die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt zwar Ermittlungen aufnahm, aber bald darauf die Akte schloss. Haider hatte die Staatsanwaltschaft wissen lassen, er habe die Honorar-Vereinbarung nicht für das Land Kärnten, sondern als Privatperson abgeschlossen. Dazu habe es keiner Genehmigung bedurft.

"Verkürzter Zahlungsfluss"

Der Regierungschef sprach von einem zulässigen und "verkürzten Zahlungsfluss" der Landesholding, die Kärntner Vermögen verwaltet, an seinen Vertrauten. Dem schloss sich die Staatsanwaltschaft mit der Begründung an, der Vorwurf des Geldwuchers scheide bereits "terminologisch" aus, und eine Veruntreuung von Landesvermögen sei nicht gegeben.

Die Münchner Ermittler gehen anders vor, systematisch statt terminologisch, und haben noch viele Fragen; auch zu Berlins Geschäft. Der Kaufmann erweckte in den vergangenen Jahren gerne den Eindruck, am Ende hätten sich bei der Transaktion eben Geschick, Mut und Risikobereitschaft ausgezahlt. Solche Begriffe stehen für die mehr als zweihundert Jahre alte Dynastie der Rothschilds und für deren Frankfurter Gründervater Mayer Amschel Rothschild.

© SZ vom 08.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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