Hohe Tarifabschlüsse:EZB warnt vor Preisauftrieb in Europa

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Die Europäische Zentralbank ist besorgt: Kräftige Lohnsteigerungen könnten zu einer höheren Inflationsrate führen. Luxemburgs Finanzminister Juncker ruft die Arbeitnehmer zur Mäßigung auf.

Nach einer langen Durststrecke freuen sich derzeit viele Arbeitnehmer in Deutschland über gestiegene Löhne. Die Europäische Zentralbank (EZB) zeigt sich jedoch besorgt.

Juncker in Sorge: Der luxemburgische Finanzminister ruft die Arbeitnehmer zur Mäßigung auf. (Foto: Foto: AFP)

Die kräftigen Lohnerhöhungen in einigen Mitgliedsstaaten dürften sich andere Länder, die weniger wettbewerbsfähig sind, nicht zum Vorbild nehmen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark bei einer Konferenz in Brüssel. Dies würde zu einer dauerhaft höheren Inflationsrate führen, die nur mit hohen wirtschaftlichen Kosten wieder unter das EZB-Ziel von zwei Prozent zu drücken wäre. "Eine solche Entwicklung muss vermieden werden", sagte Stark.

Besonders argwöhnisch schaut die EZB auf die Tarifentwicklung in Deutschland, wo im öffentlichen Dienst eine Erhöhung um rund fünf Prozent vereinbart wurde. Diese Entscheidung sei jedoch noch zu rechtfertigen, da die deutsche Volkswirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Jahren stark verbessert habe und die Staatsdiener einige Jahre stagnierender Gehaltsentwicklung hinter sich hätten.

Deutlicher wurde der Chef der Euro-Finanzministergruppe, Luxemburgs Finanzminister Jean-Claude Juncker. Er forderte die Arbeitnehmer zur Mäßigung auf. "Die Löhne müssen die Produktivität widerspiegeln - sie dürfen nicht darüber hinausgehen, das würde sonst sofort auf die Inflation durchschlagen", sagte Juncker bei der Konferenz.

Die Inflationsrate, die mit 3,5 Prozent im Euro-Raum den höchsten Stand seit der Währungsunion erreichte, bezeichnete Stark als Grund zur Sorge.

Auch das EZB-Ratsmitglied Miguel Angel Fernandez Ordonez sagte: "Wir sind immer beunruhigter über die Inflation." Die EZB werde ihre Zinsen so ausrichten, dass die Inflation sich in Richtung des EZB-Zielwertes von knapp zwei Prozent bewege, ergänzte der Notenbankchef Spaniens.

Stabilitätsziel leicht verfehlt

Da die Konjunkturaussichten wegen der Finanzkrise jedoch sehr unsicher sind, kann die Zentralbank nicht mit höheren Zinsen auf den wachsenden Preisdruck reagieren. Und daran wird sich erst einmal wohl auch nichts ändern. "Die Finanzkrise ist nicht an ihrem Ende angekommen", sagte Juncker. "Sie wird uns das ganze Jahr 2008 und einen guten Teil des Jahres 2009 beschäftigen."

Der Leitzins liegt seit Juni 2007 unverändert bei vier Prozent. Das derzeitige Zinsniveau trage zu Preisstabilität bei, sagte EZB-Direktor Stark. "Aber wir können nicht sicher sein und werden weiterhin die Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität sehr genau beobachten."

Zurückblickend auf nun fast zehn Jahre Währungsunion hob Stark hervor, dass im Jahresschnitt die Teuerungsrate etwas über zwei Prozent gelegen habe. Die EZB habe ihr Stabilitätsziel einer Teuerungsrate von etwas unter zwei Prozent allerdings leicht verfehlt. "Ohne den Euro würde Europa viel, viel schlechter dastehen", sagte Juncker. Die gemeinsame Währung habe die Euro-Zone vor Schocks abgeschirmt. "Die Ölpreissteigerungen wären ungedämpft auf die Preise übergeschwappt, das wäre absolut schädlich gewesen für die europäische Wirtschaft." Die Autofahrer müssten dann 20 bis 30 Prozent mehr am Zapfhahn bezahlen.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/tob/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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