Hohe Kosten für Dispokredite:Völlig überzogen

Banken leihen sich Geld so billig wie nie - doch von Verbrauchern, die ihr Konto überziehen, verlangen manche trotzdem mehr als 14 Prozent Zinsen. Versuche, die Dispozinsen zu deckeln, sind bislang gescheitert. Die Stiftung Warentest musste echte Detektivarbeit leisten, um die Zinssätze einiger Banken überhaupt herauszufinden.

Jannis Brühl, Berlin

Eigentlich sind es Kernkompetenzen von Panzerknackern: Geldhäuser unauffällig ausfragen, Notizen in Filialen machen und dort fotografieren. Die Verbraucherschützer wussten sich nicht anders zu helfen, weil viele Banken bei offiziellen Anfragen zu ihren Dispozinsen mauern. Teilweise "detektivische Methoden" mussten Mitarbeiter der Stiftung Warentest nach Angaben der Studienleiter anwenden, um herauszufinden, was 1566 deutsche Banken verlangen, wenn Kunden ihr Konto überziehen. Das Ergebnis bezeichnen Vertreter der Organisation als "Skandal".

Das Dispo-Limit beträgt im Normalfall zwei bis drei Monatsgehälter. Wer innerhalb dieses Rahmens überzieht, zahlt bei vielen Banken Zinsen im zweistelligen Prozentbereich, obwohl die Banken selbst für einen Bruchteil an Geld kommen. Wegen der Krise können sich Banken so billig Geld leihen wie nie.

Stiftung Warentest gesteht den Banken zu: Im Schnitt berechnen sie mit 11,7 Prozent immerhin 0,6 Prozentpunkte weniger als 2011. Allerdings seien für die Institute wichtige Zinssätze, zum Beispiel jener der EZB, deutlich stärker gefallen als die Dispozinsen. Er liege wie der kurzfristige Euribor, ebenfalls ein Referenzzins, deutlich unter einem Prozent.

Mit niedrigen Zinsen soll das Finanzsystem vor dem Austrocknen bewahrt werden. Nur geben die Banken diesen Vorteil nicht an die Kunden weiter. Zweistellige Zinssätze für Überziehungen wollen sie schon seit Jahren, doch durch die Niedrigzinsen verdienen sie bei jeder Überziehung mehr als zuvor, sagen die Verbraucherschützer.

Großbanken verlangen meist deutlich mehr als zehn Prozent: Deutsche, Santander, Hypo- und Commerzbank. Nur die Postbank liegt knapp unter zehn Prozent. Die Großen sind aber nicht die Teuersten. Die Extrembeispiele kommen aus der Provinz. "Besonders negativ fallen Volks- und Raiffeisenbanken auf", sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Die Sparkasse Elbe-Elster und die Raiffeisenbank Fischenich-Kendenich verlangen mehr als 14 Prozent, viele ihrer Schwesterbanken nur geringfügig weniger - obwohl sich doch gerade die Raiffeiseninstitute der Fairness verschrieben haben. Am wenigsten Zinsen müssen Schuldner der Deutschen Skatbank zahlen, der Direktbank einer thüringischen Volksbank : 5,25 Prozent. Auch die meisten anderen Direktbanken verlangen weniger als neun Prozent, ebenso fast alle regionalen Ableger der PSD-Bank. Dass die Zinsen viel zu hoch sind, war schon das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Verbraucherministeriums im Sommer gewesen.

Die Untersuchung zeigt auch: Viele Banken scheuen Transparenz, wenn es um Dispozinsen geht. Nur 357 Banken gaben den Testern überhaupt Auskunft. Die mussten die Konditionen von 588 Banken selbst ermitteln - notfalls, indem sie sie in der Filiale abfotografierten. Die Zinsen von mehr als einem Drittel der untersuchten Banken konnten sie gar nicht herausfinden. "Wir mussten die Aktion schließlich abbrechen", sagt Stephanie Pallasch, bei der Stiftung für das Thema Kredite zuständig.

Auf ihren Webseiten geben weniger als die Hälfte der untersuchten Geldhäuser Informationen zum Dispozins an. Deshalb fordert Primus: "Die Preisangabenverordnung sollte auch für das Internet gelten, nicht nur für die Filialen." Das Gesetz zwingt Banken, ihre Zinssätze öffentlich zu machen.

Aigner schmettert alle Deckelungs-Vorschläge ab

Der Bankenverband verweist darauf, dass Leitzinsen wie jener der Europäischen Zentralbank nur ein Faktor ist, der den Dispozins bestimme. Es könne also nicht einfach gefolgert werden, dass die Bank den kompletten Unterschied zwischen Leitzins und Dispozins einfach als Gewinn einstreiche. Auf den Vorwurf, arme Menschen würden sich mit Dispokrediten hoch verschulden, kontern die Banken: Sie seien nur als kurzfristige Kredite gedacht. Geld für größere Anschaffungen sollten sich Kunden über lieber zinsgünstigere Konsumentenkredite beschaffen.

Pallasch fordert eine "feste Kopplung an EZB-Zins oder Euribor". Doch die Opposition ist bisher mit allen Änderungsvorschlägen gescheitert. Erst vergangene Woche waren die SPD-geführten Länder im Bundesrat mit dem Versuch gescheitert, Dispozinsen zu deckeln. Die Linkspartei fordert ganz konkret: Der Dispozins solle maximal fünf Prozent über dem Basiszins liegen, der Überziehungszins acht Prozent - er fällt an, wenn über das Dispolimit hinaus überzogen wird. Der Basiszinssatz der Bundesbank liegt derzeit bei 0,12 Prozent. Am Donnerstag wird im Bundestag darüber debattiert - mit geringen Erfolgsaussichten. (Gesetzantrag als PDF) "Banken bereichern sich in unangemessener Weise an Dispo- und Überziehungszinsen", sagte auch die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch. Wenn der Markt versage, müsse die Politik aktiv werden.

Die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit: Bei einem Treffen mit Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner Anfang Oktober hatten Banken zugesagt, ihre Kunden besser über die Höhe der Zinsen zu informieren. Aigners Argument gegen eine Deckelung: Banken mit derzeit niedrigen Zinsen würden ihren Satz umgehend bis zur zulässigen Grenze erhöhen.

Was können Verbraucher tun, bis die Politik sich einigt? Stiftung Warentest rät, nur kurz und für geringe Beträge in den Dispo zu gehen. Braucht man wirklich einen Kredit, lieber Ratenkredite nutzen, die gibt es für fünf bis sechs Prozent. Mit vielen Banken könnten Kunden auch über den Satz verhandeln. Wenn das nichts hilft: einfach die Bank wechseln.

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