Hoffnung auf niedrigere Zinsen treibt die Kurse:Dow Jones auf Rekordhoch

Der amerikanische Aktienindex Dow Jones hat seinen bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2000 übertroffen. Doch Kritiker bezweifeln seine Aussagekraft für die US-Wirtschaft.

Helga Einecke

Die Aktien an der Wall Street starteten mit leichten Kursgewinnen. Der Blick der Anleger richtete sich dabei auf neue Konjunkturdaten. Danach wuchs die amerikanische Wirtschaft im zweiten Quartal etwas schwächer als erwartet. Dies stützte die Hoffnung, dass die amerikanische Notenbank ihre - seit einigen Monaten anhaltende - Zinspause in eine Zinswende wandelt.

Hoffnung auf niedrigere Zinsen treibt die Kurse: Der Dow Jones auf Rekordniveau.

Der Dow Jones auf Rekordniveau.

(Foto: Foto: AP)

Die Erwartung auf stabile oder gar niedrigere Zinsen stützt die Aktienkurse, weil die Dividendenpapiere zu festverzinslichen Anlagen in Konkurrenz stehen. "Der Markt lebt auf, die Zinssätze sind sehr gering, der Ölpreis sinkt. Das ist gut für die Aktien, die Rallye geht weiter", kommentierte ein Händler den Trend.

Kritiker halten den Dow Jones nicht mehr für repräsentativ

Der Aktienindex Dow Jones gilt als das weltweit wichtigste Börsenbarometer. Auch wenn ihn einige Kritiker in heutigen Zeiten für nicht mehr repräsentativ halten, ist seine Karriere doch eine einmalige Erfolgsstory und ein Spiegelbild der Globalisierung und des Aufstiegs des amerikanischen Kapitalismus.

Alles begann vor hundert Jahren. In einem Keller der Wall Street in New York saßen die drei Wirtschaftsreporter Charles Dow, Edward Jones und Charles Bergstresser und gründeten die Dow Jones Company. Sie lieferten handgeschriebene Börsennotizen, die Vorläufer des heutigen Wall Street Journal, per Kurier an die Banken. Jones war der Nachrichtenjäger, Dow der ruhigere Denker, Bergstresser der Finanzier.

40,94 Punkte am ersten Handelstag

Am 26. Mai 1896 zählte Dow erstmals die Kurse von einem Dutzend Industrie-Aktien, teilte sie durch zwölf - und fertig war der Dow Jones. Er kam an seinem ersten Handelstag auf 40,94 Punkte. Ziel der Aktion war ein größerer Durchblick an der Börse, weil das Auf und Ab der einzelnen Kurse zu verwirrend war und den Anlegern und Händlern keinen einheitlichen Trend bot.

Bis heute ist das bestechende an diesem Kursbarometer seine Einfachheit. An der Konstruktion hat sich im Prinzip nichts geändert. Feinheiten wie Aktiensplits oder Wechsel von Firmen werden inzwischen aber durchaus berücksichtigt. Vor allem hat sich die Zahl der erfassten Werte auf 30 erhöht. Anfangs spielten Baumwolle, Tabak, Zucker, Kohle und Gas eine Rolle, dann die Eisenbahn, Dampfschiffe, Autos, Flugzeuge.

Dow Jones auf Rekordhoch

Später kamen der Einzelhandel, Unterhaltung und Computer hinzu. Die veränderte Zusammensetzung des Dow Jones verläuft also parallel zur Geschichte der Industrialisierung. Von Anfang an mit dabei ist bis heute lediglich das Unternehmen General Electric.

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Verblüffend erscheint die Verlaufskurve des Dow Jones, die trotz einiger Einbrüche - prozentual am schlimmsten beim Börsenkrach des Jahres 1929 - beharrlich nach oben weist (Grafik). Von seinem ersten Wert von 40,94 bis zur Marke von 5000 braucht er hundert Jahre, die 10 000 waren bereits vier Jahre später erreicht.

Die Prognosen reichen bis zu 40.000 Punkten

Die Schwelle von 11.000 durchbrach er danach schon mindestens zwanzig Mal die 12.000 scheinen nicht weit. Neuerliche Höhenflüge werden ihm vorhergesagt, die Prognosen der Experten reichen bis zu 40.000 Punkten.

Es ist auch ein kleines Wunder, dass im Zeitalter von Computerbörse und Milliardengeschäften per Mausklick das älteste Kursbarometer nicht als ebenso überholt gilt wie das Parkett. Fachleute sagen, der Dow Jones beherrsche zwar die Schlagzeilen der Finanzpresse und eigne sich für das Partygespräch.

Er stünde aber nicht einmal für ein Viertel des amerikanischen Aktienmarkts, während zum Beispiel der Dax fast drei Viertel des deutschen Aktienmarkts repräsentiere. Sie empfehlen als besseren Börsenmaßstab für die Vereinigten Staaten den S&P-500-Index, der die Breite des Marktes abbilde. Als nicht repräsentativ, weil technologielastig, gilt dagegen der Nasdaq Composite.

Schuhputzer und Dienstmädchen spekulierten an der Börse

Davon will John Prestbo, Generaldirektor der Dow Jones Indexes, nichts wissen. Mit Blick auf die Vergangenheit erzählte er, der Index sei außerhalb der Wall Street populär geworden, als in den goldenen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts Schuhputzer und Dienstmädchen an der Börse spekulierten.

Parallel zum Aufstiegs Amerikas zur wirtschaftlichen und politischen Supermacht sei dann der internationale Bekanntheitsgrad gewachsen. Prestbo lehnt es vehement ab, den Dow Jones für museumsreif zu erklären. Vielmehr enthalte der Index die Aktien von 30 Top-Unternehmen, deren Namen viele Anleger kennen. Er sei deshalb "ein Index mit menschlichen Proportionen".

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