Höchstgrenze für den Franken:Wagemutig in Zürich

Mit einem waghalsigen Manöver hat die Schweizerische Nationalbank sich und das Land in ein Abenteuer gestürzt. Der Ausgang ist alles andere als sicher: Künftig wird es noch weniger von eigenen Entscheidungen abhängen, was in der Schweiz passiert.

Wolfgang Koydl

Theatralik, Dramatik, ja überhaupt die überschäumende Zurschaustellung von Gefühlen ist die Sache der Schweizer nicht. Auch jetzt, da ihre Nationalbank mit der Fixierung einer Kurs-Untergrenze zwischen Euro und Franken eine Zeitenwende einläutete, die den internationalen Finanzmärkten zumindest kurzzeitig den Atem stocken ließ, nickten die Eidgenossen nur bedächtig mit dem Kopf: Mutig sei der Schritt ja schon gewesen, aber halt auch notwendig.

Höchstgrenze für den Franken: Bisher haben die Devisenmärkte den Wert des Euro gegenüber dem Franken genau an der Stelle festgenagelt, welche die Schweizer Banker bestimmt haben. Doch was geschieht bei neuen Katastrophenmeldungen?

Bisher haben die Devisenmärkte den Wert des Euro gegenüber dem Franken genau an der Stelle festgenagelt, welche die Schweizer Banker bestimmt haben. Doch was geschieht bei neuen Katastrophenmeldungen?

(Foto: AP)

Es ist die Untertreibung des Jahres: Denn mit ihrem waghalsigen Manöver haben Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand und sein Direktorium die Eidgenossenschaft in ein Abenteuer gestürzt, dessen Ausgang alles andere als sicher ist. Streng genommen haben sie ihre Währung zwar nicht an den Euro gekoppelt. Wahr ist aber, dass die Schweiz nun ihr Schicksal noch mehr mit der EU und ihrer gemeinsamen Währung verknüpft hat als bisher - ohne dass sie ihr Mitspracherecht nachhaltig verstärkt hätte.

Künftig wird es noch weniger von eigenen, in Bern oder Zürich getroffenen Maßnahmen, Entscheidungen und Beschlüssen abhängen, ob in der Schweiz die Preise anziehen oder die Renten sinken, die Zinsen in den Keller rutschen oder die Mieten in den Kosmos steigen. Ausschlaggebend wird letzten Endes nur der unkalkulierbare Verlauf der Achterbahn-Fahrt des Euro auf den globalen Finanzmärkten sein. Oder, um ein Bild zu wählen, das dem Alpenland näher liegt: War der erfahrene Schweizer Bergführer bisher alleine in die Steilwand eingestiegen, so hat er sich nun an eine Gruppe täppischer Touristen angeseilt, die mit T-Shirt und Sandalen klettern gehen.

Derzeit herrscht relative Ruhe in der Eurozone, und die Devisenmärkte haben denn auch den Wert des Euro gegenüber dem Franken bisher genau an der Stelle festgenagelt, welche die Schweizer Banker bestimmt haben. Doch was geschieht bei neuen Katastrophenmeldungen? Wenn Griechenland bankrott geht, Deutschland nicht mehr zahlen will, eine europäische Großbank vom Schuldenstrudel erfasst wird? Werden dann die Dämme halten, die man in Bern errichtet hat? Oder wird eine Stampede verschreckter Spekulanten in den sicheren Franken flüchten - allen martialischen Worten der eidgenössischen Währungshüter zum Trotz? Auf 72 Milliarden Dollar beläuft sich das Volumen der Transaktionen zwischen Euro und Franken - am Tag. Käme es zu einem Ansturm auf den Franken, müsste die Schweizer Nationalbank astronomische Summen aufbringen, um schwache Euros zu kaufen - Tag für Tag, für einen von niemandem vorhersehbaren Zeitraum. Nicht von ungefähr verglich ein Schweizer Finanzexperte dieses Unterfangen mit dem Versuch, das Meer leertrinken zu wollen.

Theoretisch, und wohl auch praktisch, könnte die Zentralbank diesem Druck eine ganze Zeit lang standhalten. Sie müsste nur in immer größerer Menge Franken drucken und damit den Markt fluten. Doch die Folge wäre eine Inflation, und dass diese Preissteigerungen gleichsam wegen der ungeliebten Europäischen Union importiert wurden, würde die Sache politisch nicht leichter machen.

Bislang steht das Land geschlossen hinter den Währungshütern. "Erleichtert" sind nicht nur Wirtschaftsverbände und Unternehmen, die wegen des starken Frankens ihre Ware nur schwer im Ausland absetzen können. "Zufrieden" sind auch Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Denn den Arbeitnehmern werden zunehmend längere Arbeitszeiten oder kürzerer Lohn zugemutet - als Preis dafür, dass ihre Firmen nicht ins billigere Ausland ziehen.

Die Furcht vor einer Rezession eint die Nation. Auch das Bild, dass die kleine Schweiz nun alleine gegen die geballte Macht der Finanzmärkte kämpft, schmeichelt dem einen oder anderen Eidgenossen. Insgeheim freilich ist ihm schon ein wenig bange. Auch wenn er es selbstverständlich nie offen zeigen würde.

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