Heinz Gindullis:"Wer gefeuert wird, dem gebe ich einen aus"

Heinz Gindullis, Gründer des Berliner Clubs Cookies, über krisengeplagte Gäste und warum seine Mutter nicht will, dass er Alkohol verkauft.

A. Mühlauer u. H. Wilhelm

Heinz Gindullis trägt Schwarz. Dabei hat Cookie, wie ihn nicht nur Freunde nennen, gar keinen Grund dazu. Glaubt man dem Nachrichtenmagazin Spiegel, ist das Cookies der "aufregendste Nachtclub der Republik". Diesen Samstag feiert Gindullis den 15. Geburtstag seines Lebenswerks. Na ja, was heißt hier Leben? Er ist gerade mal 35 Jahre alt.

Heinz Gindullis, Foto: oh

Heinz Gindullis, Gründer des Berliner Club "Cookies" hat in Berlin als Tellerwäscher angefangen.

(Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Gindullis, reden wir über Geld. Wie viel haben Sie in diesen Club gesteckt?

Heinz Gindullis: Zu viel. 140.000 Euro hat allein die Lüftung gekostet! Das war ein gutes Drittel der Gesamtsumme. Der ganze Club ist doppelt so teuer geworden, wie ich dachte. Man darf nicht so genau darüber nachdenken, sonst macht man es nicht.

SZ: Ihr Club liegt mitten in Mitte, Friedrichstraße Ecke Unter den Linden. Im Vergleich zu anderen Städten dürfte die Miete günstig sein.

Gindullis: Klar, wenn ich in London, New York oder Paris einen Club eröffnen wollte, müsste ich mir einen Finanzhai mit ins Boot holen. Das möchte ich auf keinen Fall. Hier in Berlin bin ich mein eigener Herr, keiner redet mir rein.

SZ: Diese Woche feiert das Cookies sein 15-Jähriges. Zwischen 1994 und heute ist der Club sechsmal umgezogen. Wie haben Sie angefangen?

Gindullis: Ich habe in Berlin als Tellerwäscher und Barkeeper gearbeitet und Geld zurückgelegt, 3000 Mark. Damit hab ich meine erste Bar gebaut, im Keller der Auguststraße 26b. Ein winzig kleiner Raum, vier mal vier Meter.

SZ: Wie kam es dazu?

Gindullis: Ein Freund hat mich überredet. Aber der ist dann abgesprungen, weil er keine Lust hatte, den Keller auszuräumen. Der war voller Müll. Ich hab die Nachbarn gefragt, ob sie etwas dagegen hätten, wenn ich da einmal die Woche eine Cocktailbar mache. Alle fanden es toll. Das war damals so. In Mitte gab es viele leerstehende Häuser, irgendeiner hat eine Etage aufgebrochen und da eine Bar aufgemacht.

SZ: Viele Bars sind nach ein paar Monaten wieder verschwunden.

Gindullis: Das Besondere an meiner Bar war, dass ich Cocktails gemacht habe. Die anderen hatten nur einen Kasten Bier, den billigsten Rotwein. Ich mochte beides nicht, also gab es Cocktails. Verdammt gute.

SZ: Sie sprechen mit leichtem englischen Akzent. Wo kommen Sie ursprünglich her?

Gindullis: Ich habe die ersten zwölf Jahre meines Lebens in London gelebt - mein Vater war Künstler und wollte sein Glück dort versuchen. Danach sind wir mit meiner Mutter nach Mannheim gezogen, später dann nach Nürnberg zu meiner Großmutter. Dort kam ich gar nicht klar. Es war mir einfach zu spießig. Meine Schwester zog nach Berlin, ich habe sie besucht und bin einfach geblieben. Die Möglichkeiten waren so großartig.

SZ: Wie knapp war das Geld?

Gindullis: Oh, das ist aber privat! Ach stimmt, wir reden ja über Geld. (denkt nach) Also, ich habe das Geld meiner Familie bereits seit meinem achten Lebensjahr verwaltet. Meine Mama war eine alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern. Ich bin der Mittlere, ich habe das gesamte Geld für die Woche verwaltet, damals in London. Ich hatte ein Händchen dafür. In schlechten Zeiten 22 Pfund, in guten 34. Das war hart.

"Stammgäste müssen erkannt werden"

SZ: Was konnten Sie sich leisten?

Gindullis: Samstags bin ich zum Markt gefahren, ab Nachmittag gab es Rabatt. Da hat man eine Kiste Tomaten für ein Pfund bekommen. Meine Mutter konnte nicht mit Geld umgehen, sie kann es bis heute nicht (lacht). Überhaupt nicht. In Nürnberg ging es uns dann etwas besser. Da erbte meine Mutter zwei Häuser mit vielen Wohnungen. Die Mieteinnahmen habe ich dann verwaltet. Mit 14 Jahren. Learning bei doing war das.

SZ: Was hat Ihnen Ihre Mutter mit auf den Weg gegeben?

Gindullis: Ich bin mit sehr vielen Idealen aufgewachsen: Vegetarisches Essen und eine bestimmte Religion: Meine Mutter gehört einer religiösen Gemeinschaft an, der Brahma Kumaris. Es geht hauptsächlich darum, Gutes zu tun, um Schlechtes auszugleichen, das man getan hat.

SZ: Haben Sie deshalb einen Club aufgemacht?

Gindullis: Natürlich. (lacht)

SZ: Waren Sie immer sicher, dass es klappt?

Gindullis: Nein, es kann auch jederzeit schiefgehen.

SZ: Bis heute?

Gindullis: Ja. Die erste Kellerbar war winzig, wie gesagt. Da kamen vor allem Freunde und Nachbarn. Das Haus wurde dann saniert und ich musste raus. Und das, was ich gespart hatte, habe ich dann in die nächste Bar investiert. Es ging immer weiter und wurde immer teurer. Die Kosten sind mittlerweile so hoch, aber die Gäste erwarten leider die gleichen Preise wie vor fünf Jahren.

SZ: Was macht einen guten Club aus?

Gindullis: Die Gäste müssen sich so fühlen, als wäre es ihr Wohnzimmer. Zum Beispiel müssen Stammgäste erkannt werden, wenn sie kommen. 40 bis 50 Prozent unserer Gäste kommen umsonst rein, weil wir sie kennen. Und die Musik muss immer eine konstante Qualität haben. Und man muss immer kleine Überraschungen machen.

SZ: Zum Beispiel?

Gindullis: Vor ein paar Wochen ist ein Freund von mir aufgetreten mit seinem Orchester: vier Herren, alle über 75 Jahre alt, mit Metall-Instrumenten. Ich hatte Herzklopfen, weil ich nicht wusste, ob das beim Publikum ankommt. Aber es hat geklappt, die Gäste waren überrascht.

SZ: Gab es Zeiten, in denen es hart war?

Gindullis: Doch, letztes Jahr. Der neue Club war eben sehr teuer, und wir haben zu viele Freigetränke ausgegeben.

SZ: Wie haben Sie reagiert?

Gindullis: Beim Einkauf und Personal sparen, und natürlich bei den Freigetränken. Es geht einfach nicht, dass ein Drittel des Umsatzes für Freidrinks draufgeht. Und ich habe die Kommunikation geändert.

SZ: Das heißt?

Gindullis: Facebook, MySpace war ich immer sehr reserviert gegenüber, weil ich wollte, dass das Cookies was Exklusives bleibt. Aber man muss das machen, sonst bekomme ich nicht die jungen neuen Gäste. Früher ging man in ne Bar und fragte, wo gehst du heute hin, heute erfährt man im Internet, was heute los ist, und sagt sich: Okay, ich geh da hin.

SZ: Man kann nicht nur cool sein, man muss auch Geld machen.

Gindullis: Ja, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn du nicht cool bist, dann hast du kein Geld, aber wenn du mit dem Geld nicht wirtschaften kannst, dann hast du auch keine Coolness. Was ist wichtiger? (denkt nach) Eigentlich die Coolness, dass der Laden sexy ist - weil wenn das nicht da ist, hab ich keine Lust mehr, Clubbing zu machen.

SZ: Wie oft sind Sie selbst im Club?

Gindullis: Mir macht es Spaß, hier zu sein, das ist super. Da bekommst du gleich live mit: Ist die Party gut oder schlecht.

"Ich bin im Berghain mal nicht reingekommen"

SZ: Ist man nicht irgendwann zu alt?

Gindullis: Ich kenne jemanden mit einem Riesenclub, der ist 71 Jahre alt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich auch in dem Alter noch viel arbeiten, ich hab ja mit Labelfinder auch eine andere Idee.

SZ: Was ist das?

Gindullis: Seit vier Jahren bauen mein Geschäftspartner Julian Hildebrandt und ich thelabelfinder.com auf, das ist eine Website, auf der man weltweit nach Modelabels suchen kann und die Shops findet, die die Marke verkaufen.

SZ: Wie soll das bitte Geld bringen?

Gindullis: Bis jetzt noch nicht. Die Labels können sich kostenlos für eine Basisversion anmelden. Und für die Ladenbesitzer gibt es eine Premium-Version, für die sie sich gegen Geld registrieren lassen können. Da können sie sich ausführlich präsentieren. Das machen jetzt 640 Läden und alle Bogner-Stores weltweit.

SZ: Ausgerechnet Mode! Wo doch Reporter schreiben, dass Sie so herrlich unhip gekleidet seien.

Gindullis: Ah! Ich weiß noch, wie das erste Mal über mich geschrieben wurde. Cookie ist kein Szene-Typ, er sieht eher aus wie der nette junge Mann von nebenan. Damals war ich sehr enttäuscht. Heute finde ich das gut.

SZ: Wie spüren Sie im Club eigentlich die Wirtschaftskrise?

Gindullis: Nicht so stark wie ich gedacht hätte. Am Anfang des Jahres gab es kaum noch Firmenevents, und das Catering war auf null. Ich hab sehr viele Gäste getroffen, die gefeuert wurden. Leute von Werbeagenturen. Plötzlich waren alte Stammgäste wieder dienstags und donnerstags da, weil sie gefeuert worden sind. Das tut weh.

SZ: Müssen Sie die trösten?

Gindullis: Die lädt man auf'n Drink ein, na klar. Aber hey Vorsicht, das bitte nicht schreiben, sonst kommt jeder zu mir, und sagt, dass er gefeuert wurde. (lacht)

SZ: Warum merken Sie die Krise nicht?

Gindullis: Weil Berlin schon immer arm war. Arm, aber sexy. Ist so, ganz klar. Ich fühl mich aber sehr wohl hier.

SZ: Woanders könnten Sie mehr verdienen.

Gindullis: Das ist nicht das Cookies. Wenn ich teurer werden würde, würde ich ein anderes Publikum bekommen. Ich fühle mich nicht wohl neben 30 Investmentbankern. Unser Publikum ist sehr gemischt. Wir haben Leute aus der Mode, Wirtschaft, Politik. Bei mir tanzen alle, auch Arbeitslose.

SZ: Wer kommt hier nicht rein?

Gindullis: Wenn jemand protzig ist und angibt, wird er es schwerhaben. Oder wenn er sagt: Ich kenne Cookie. Ich stand mal selber an der Tür und da kam jemand und sagte: Ich war der beste Freund von Cookie, wir sind gemeinsam in die Schule gegangen. Und wenn du mich nicht hier reinlässt, wirst du morgen keinen Job mehr haben. Da haben mein Türsteher Frank und ich einen Scherz gemacht. Er gab sich für mich aus und sagte: Tut mir leid, ich bin Cookie. Der Typ wurde bleich und zog ab.

SZ: Wo sind Sie mal nicht reingekommen?

Gindullis: Ist doch stadtbekannt.

SZ: Wir kommen aus München.

Gindullis: Ich bin im Berghain mal nicht reingekommen. Alle in der Schlange kannten mich und haben mich ausgelacht, haha, Cookie kommt nicht rein. Und in die Bar Tausend bin ich mal nicht reingekommen. Aber ich bin dann auch nicht der, der sagt, hey ich bin Cookie. Der Türsteher hat mich gefragt, ob ich auf der Gästeliste bin, ich hab gesagt nein, da hat er die Tür zugeknallt. Okay, dachte ich, dann heute nicht.

SZ: Kommt Ihre Mutter zum Jubiläum am Samstag?

Gindullis: Weiß ich noch nicht. Sie wird nächste Woche 71, ist aber noch topfit. Gut möglich, dass Sie mich überrascht.

SZ: Ist Ihre Mutter stolz auf das, was Sie geschafft haben?

Gindullis: Ja. Aber am liebsten hätte sie es, wegen ihrer Religion, dass ich keinen Alkohol verkaufe, sondern frisch gepresste Säfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: