Hedgefonds in der Finanzkrise:Die Stunde der Geier

Wenn das US-Finanzsystem komplett zusammenbricht, gibt es nur Verlierer. Doch von dem augenblicklichen Börsendebakel dürften vor allem einige Hedgefonds und Beteiligungsfirmen profitieren.

Martin Hesse

Als David Einhorn im vergangenen Oktober erstmals kritische Worte über Lehman Brothers verlor, kostete die Aktie der Investmentbank etwa 60 Euro. Einhorn spekulierte zu diesem Zeitpunkt bereits auf einen fallenden Kurs. Knapp ein Jahr später ist die Wette des Hedgefonds-Managers aufgegangen.

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Spekulationen auf Kursverfall: Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften könnten von der Finanzkrise profitieren.

(Foto: Foto: dpa)

Unabschätzbarer Schaden am Finanzsystem

Einhorn dürfte zu den wenigen Anlegern gehören, die von der historischen Pleite profitiert haben. Einerseits. Doch Einhorn selbst sagte noch im Juni: "Wir würden nicht gewinnen, wenn Lehman zusammenbrechen und das ganze Finanzsystem mit sich reißen würde."

Wie groß der Schaden am Finanzsystem ausfallen wird, vermag niemand abzuschätzen. Doch Einhorns Hedgefonds Greenlight Capital verlor in diesem Jahr bereits mehr als vier Prozent, da er nicht immer wie bei Lehman auf fallende, sondern oft auf steigende Kurse setzt. Das gilt für die meisten Hedgefonds, die ja nicht nur in Aktien sondern auch in Kredite, Rohstoffe oder Devisen investieren.

"Das Problem aller Anleger ist, dass man sich im Moment in kaum einem Markt verstecken kann", sagt Viktor Walker, Hedgefonds-Berater bei Signina Capital. Gemessen an dem Credit Suisse/Tremont Hedgefonds-Index haben die Fonds 2008 durchschnittlich 3,55 Prozent verloren. Lediglich Leerverkäufer, die auf fallende Kurse wetten, gewannen seit Januar gut zehn Prozent.

Spekulationen auf Preisverfall

Wie Einhorn spekulierte auch John Paulson frühzeitig auf einen Preisverfall am US-Immobilien- und Kreditmarkt. Der frühere Investmentbanker verdiente damit bereits 2007 mehr als drei Milliarden Dollar. William Ackman, Gründer des Fonds Pershing Square Capital, setzte vor gut einem Jahr auf einen Kursrutsch der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac, die jetzt verstaatlicht wurden. Jim Rogers, Mitgründer des legendären Quantum Hedgefonds, erhöhte vergangenen November seine Wette auf fallende Kurse amerikanischer Investmentbanken und prognostizierte einen Wertverfall von 70 Prozent.

Analysten zufolge hat es Lehman Spekulanten leicht gemacht. "Wenn ein Finanzinstitut über Monate vergeblich versucht, Kapitalgeber zu finden, signalisiert es, dass es am Ende ist", sagt Philip Gisdakis, Kreditmarktexperte bei Unicredit. Das sei eine Einladung an Hedgefonds. Zu den Gewinnern der Krise könnten außerdem Spekulanten zählen, die Kredite kaufen, die derzeit am Markt mit hohen Abschlägen gehandelt werden (distressed debt). Allein Lehman hat Hunderte Milliarden Kredite und Anleihen ausstehen, die derzeit zu etwa 30 Prozent ihres Nennwertes gehandelt werden.

Schwierige Zeiten für normale Anleger

"Private-Equity-Fonds und Staatsfonds werden in der nächsten Zeit massiv in den Markt für distressed debt einsteigen", sagt Peter Laib, Dachfonds-Manager bei der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Adveq. Bei den Staatsfonds stelle sich aber die Frage, wie sie reagieren, nachdem sie sich mit ihren ersten Beteiligungen an Finanzdienstleistern eine blutige Nase geholt hätten. Singapur, China und arabische Staatsfonds hatten im Winter mehr als 45 Milliarden Dollar in Finanzdienstleister investiert, deren Wert sich seither mehr als halbiert hat.

Deshalb könnten Beteiligungsfirmen am Kreditmarkt vorerst eine größere Rolle spielen. Im Juli kaufte der Finanzinvestor Lone Star ein großes Kreditpaket der Investmentbank Merrill Lynch. Die Beteiligungsfirma TPG hat gerade sechs Milliarden Euro für ähnliche Zwecke bei Investoren eingesammelt. Auch Blackstone, KKR und andere wollen Milliarden in Distressed Debt investieren. Anders als Banken müssen diese geschlossenen Fonds die Papiere bei Kursschwankungen nicht abschreiben, sondern können sie bis zum Laufzeitende halten.

Gewöhnliche Aktienanleger können von der aktuellen Finanzkrise dagegen nur auf zwei Arten profitieren: Entweder sie sind noch vor Ausbruch der Krise rechtzeitig ausgestiegen oder sie finden nach dem Kursrutsch den richtigen Zeitpunkt, um billig wieder einzusteigen. Wann das ist, weiß derzeit aber niemand.

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