Hebelwirkung des EFSF:Schachern um den Schirm

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Alle reden vom Hebeln, aber keiner wird konkret. Fest steht nur: Bis zum EU-Gipfel am Wochenende wird knallhart verhandelt. Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass die Euro-Länder darüber streiten, wie der Rettungsschirm ausgebaut werden soll. Auch ein Minigipfel zwischen Sarkozy und Merkel brachte keinen Durchbruch. Inzwischen hat Finanzminister Schäuble die umstrittenen Leitlinien an die Bundestagsfraktionen verschickt - doch ein wichtiger Punkt fehlt noch.

Andeutungen, Gerüchte um Hebel, aber bloß keine Bestätigungen und keine Fakten: Kurz vor dem EU-Gipfel ist nur eines klar - die Euro-Länder streiten weiter über den richtigen Weg, um die Schlagkraft des Rettungsschirms EFSF zu erhöhen. Die Bundesregierung hat kurz vor dem Krisengipfel in Brüssel eingeräumt, dass es Differenzen zwischen den Euro-Staaten über die künftige Nutzung des Rettungsschirms gibt. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa und beruft sich dabei auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags.

Nun hat Finanzminister Schäuble die Leitlinien zur Stärkung des Euro-Rettungsschirms vorgelegt - doch die erhoffte Klarheit bleibt aus. (Foto: Bloomberg)

Am Vorabend hatte sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zwei Stunden lang mit Kanzlerin Angela Merkel und EU-Spitzen in Frankfurt getroffen. Doch bestätigt wurde lediglich, dass der Minigipfel am Rande der Verabschiedung von EZB-Chef Jean-Claude Trichet stattgefunden hat, mehr nicht. Über Inhalte der Gespräche wurde nichts bekannt - ein deutliches Zeichen dafür, dass der erhoffte Durchbruch ausblieb.

Hintergrund dürfte auch der anhaltende Streit zwischen Deutschland und Frankreich sein. Berlin favorisiert bisher eine Versicherungs- beziehungsweise eine Art Teilkasko-Lösung. Paris strebt dagegen dem Vernehmen nach weiter eine Banklizenz für den EFSF sowie eine "Hebelwirkung" und höhere Finanzierungshilfen über die Europäische Zentralbank (EZB) an - der EFSF soll also eine "Banklizenz" bekommen. Dies lehnt Deutschland strikt ab.

In der Nacht auf Donnerstag verschickte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die umstrittenen Leitlinien zur Stärkung des Euro-Rettungsschirms an die Bundestagsfraktionen. Dabei handelt es sich um den bisherigen Verhandlungsstand, der heißdiskutierte Hebel wird darin noch nicht behandelt.

Im Anschreiben des Finanzministeriums zu der Übersendung eines Entwurfs für die Leitlinien an Bundestagsabgeordnete heißt es lediglich: "Ob und in welcher Ausgestaltung die Möglichkeit der Effizienzsteigerung tatsächlich in die Leitlinien aufgenommen wird, ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch offen." Das Schreiben stammt aus dem Büro von Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter. Derzeit seien mehrere Varianten im Gespräch, die eine Teilabsicherung von zukünftigen Anleihen gefährdeter Euroländer erlauben würden.

Nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sollten sich die Euro-Länder auf dem kommenden Krisengipfel auf einen "Hebel" einigen. Er bezeichnete den bevorstehenden Gipfel von EU und Euro-Zone als "einen der kritischsten Gipfel in der Geschichte der Europäischen Union". "Wir haben eine Hebelung des EFSF vorgeschlagen. Und ich hoffe, darauf wird man sich am Sonntag einigen", sagte Barroso.

Das anhaltende Hickhack um den Rettungsschirm macht sich auch beim Dax bemerkbar: Der Leitindex lag am Morgen 1,6 Prozent im Minus bei 5816 Punkten, nachdem er am Mittwoch noch leicht zugelegt hatte.

Anreize für Investoren sollen vervielfacht werden

Bei der strittigen Frage einer höheren Schlagkraft des EFSF geht es im Kern darum, mehr Anreize für den Kauf von Staatsanleihen von Euro-Ländern zu schaffen. Das Ausleihvolumen des EFSF selbst von 440 Milliarden Euro und das Garantievolumen der Euro-Länder von 780 Milliarden Euro sollen aber nicht weiter erhöht werden. Nach dem Teilkasko-Modell würde der EFSF-Fonds nur einen Teil der Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder und nicht 100 Prozent absichern. Auf beide Weisen könnte der Anreiz für Investoren und damit die Finanzhilfen vervielfacht werden.

Der Streit dürfte auch der Hintergrund des kurzfristig anberaumten Minigipfels in Frankfurt gewesen sein. Damit ist ein wesentlicher Punkt des angestrebten umfassenden Lösungspakets im Vorfeld des EU-Gipfels weiter offen. Das Paket soll neben der höheren EFSF-Schlagkraft auch Wege zur Stabilisierung Griechenlands aufzeigen sowie zur Kapitalisierung europäischer Banken.

Bei den Leitlinien, die Schäuble nun verschickt hat, geht es um die konkrete Ausgestaltung der neuen Instrumente für den erst kürzlich erweiterten Rettungsschirm EFSF. Den Leitlinien und damit auch dem Modell für eine höhere EFSF-Schlagkraft muss vorher aber noch der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen. Die Koalitionsfraktionen wollten sich bereits an diesem Donnerstag in Sondersitzungen mit den Leitlinien befassen. Die FDP will eine Lösung mittragen.

Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor. Offen ist, wann ihm der Haushaltsausschuss vor dem Gipfel zustimmen wird. Auch könnte die Opposition versuchen, eine Abstimmung des gesamten Bundestages im Plenum durchzusetzen. Grüne und SPD fordern dies mit Verweis darauf, dass eine mögliche Einführung eines Hebels das Verlustrisiko für die deutsche Haftungssumme von 211 Milliarden Euro ansteigen lasse. Die SPD beklagt außerdem, dass die Regierung sie getäuscht habe: Sie habe vor der Zustimmung des Bundestages zum EFSF im September versichert, dass er nicht ausgeweitet werde.

Troika-Mitglieder diskutieren noch

Doch einer, der sonst als Verfechter der Rechte des Parlaments gilt, überrascht mit seiner ablehnenden Haltung: Bundestagspräsident Norbert Lammert weist diese Forderung zurück. Wie der Fonds die Mittel einsetze, werde mit den Leitlinien festgelegt, "die der Zustimmung des Haushaltsausschusses bedürfen", erklärte Lammert. Dadurch sei die parlamentarische Mitwirkung gewährleistet. Nur wenn die Verpflichtungen höher ausfallen sollten, müsste der Bundestag sich erneut mit ihnen befassen.

Griechenland muss unterdessen weiter um die Auszahlung der nächsten Hilfstranche von acht Milliarden Euro bangen. Der Abschlussbericht der sogenannten Troika aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission verzögert sich, wie aus Koalitionskreisen verlautete.

Es soll allerdings noch Unstimmigkeiten unter den "Troika"-Partnern geben. Nach den ursprünglichen Plänen war der Bericht eigentlich noch am Mittwoch erwartet worden. Es geht um die inzwischen sechste Kredittranche aus dem im Mai 2010 von den Europäern und dem IWF geschnürten ersten Rettungspaket für Athen von insgesamt 110 Milliarden Euro. Auf Grundlage des Abschlussberichtes wollten die Finanzminister der Euro-Zone bisher noch an diesem Freitag über die Freigabe der Hilfen entscheiden - und damit unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Sonntag.

Der EFSF-Fonds kann künftig auch Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen - sowohl von Regierungen als auch von Investoren. Auch soll er vorsorglich Kreditlinien bereitstellen und Geld, mit dem Euro-Länder angeschlagene Finanzinstitute stützen können. Dafür wollte Paris früheren Angaben zufolge den EFSF auch direkt anzapfen. Bei der angestrebten Banken-Kapitalisierung sollen die Institute sich zunächst aber bei Aktionären und Finanzinvestoren um frisches Kapital bemühen. Darauf legt vor allem die Bundesregierung wert. Erst in einem nächsten Schritt sollen Staaten einspringen. Insgesamt geht es bei den neuen EFSF-Instrumenten auch darum, Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone zu verhindern.

© dpa/dapd/AFP/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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