Haushaltsüberschuss:Die erfolgreiche Diät der Hungerkünstler

Vor allem die Länder, in denen der Aufschwung angekommen ist, schreiben schwarze Zahlen - sogar im Osten Deutschlands.

Nina Bovensiepen

Für Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin ist es eine Entscheidung zwischen einem Sixpack Bier und einem Liter Milch. Wer arm sei, aber seine Finanzen im Griff habe, kaufe sich alle zwei Tage einen Liter Mich, erklärte der SPD-Politiker kürzlich in einem Interview. "Oder man hat seine Finanzen nicht im Griff und kauft sich jeden Tag ein Sixpack Bier", sagte Sarrazin.

Konjunkturaufschwung Ost

Die gute Konjunktur beschert einigen Bundesländern Haushaltsüberschüsse.

(Foto: Foto: AP)

Für die Unterscheidung, welche deutschen Bundesländer eher vernünftige Milchkonsumenten sind und wer sein Geld verprasst, galten lange zwei Faustregeln: Der Süden haushaltet besser als der Norden, der Westen besser als der Osten. Doch so einfach ist das nicht mehr.

So gelang etwa Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr eine kleine Sensation. Das Land, das lange als Armenhaus der Republik galt, musste keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

Sicher, das ostdeutsche Bundesland sitzt immer noch auf einem enormen Schuldenberg. Selbst wenn die Haushälter dem selbst auferlegten Ehrgeiz treu bleiben, dürfte es noch etwa rund 100 Jahre dauern, bis Mecklenburg-Vorpommern komplett schuldenfrei ist. Doch ein Anfang ist gemacht.

Andere Länder schließen ebenfalls zu den früheren Musterknaben Bayern und Baden-Württemberg auf. Laut dem Monatsbericht von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) meldeten auch Hamburg, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und eben Mecklenburg-Vorpommern zur Jahresmitte Überschüsse in den Kassen.

Eisernes Sparen in Mecklenburg-Vorpommern

Im Nordosten der Republik hat dieser Erfolg vor allem mit einem rigiden Sparkurs zu tun. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) will bis 2009 die Arbeitsplätze von 9000 Landesbediensteten streichen, das ist ein Viertel der Stellen.

Vor allem den ärmeren, strukturschwachen ostdeutschen Ländern bleibt meist gar nichts anderes übrig, als eisern zu sparen. Weil die Jungen häufig in den Westen gehen, sinken die Einwohnerzahlen. Damit gehen auch die Steuereinnahmen und die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zurück - letztere sind ebenfalls an die Bevölkerungszahl gekoppelt. Und irgendwann laufen auch noch die Mittel aus dem Solidarpakt aus.

Die erfolgreiche Diät der Hungerkünstler

Ein anderes Bild bieten im Osten Sachsen und Thüringen. Dank rühriger Ministerpräsidenten, gezielter Ansiedlungspolitik und zumindest einem verbliebenen Rest von Industrie kommt hier allmählich etwas vom Aufschwung an.

Konjunktur Aufschwung

Die baden-württembergische Region Nürnberg gehört zu den wirtschaftsstärksten Bundesweit. Das Bild zeigt die Messe Nürnberg.

(Foto: Foto: DPA)

Noch mehr gilt das natürlich für Bayern oder Baden-Württemberg.

"Die gute Konjunktur wirkt sich für prosperierende Länder jetzt überproportional aus", sagt der Ökonom Winfried Fuest vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Wenn nämlich im Aufschwung die Löhne steigen, legen die Steuereinnahmen gleich noch ein bisschen mehr zu.

Der Grund: Im oberen Einkommensbereich gelten höhere Steuersätze. Aus der Lohn- und Einkommensteuer erhalten die Länder einen ebenso großen Anteil wie der Bund: 42,5 Prozent - somit kommt der Aufschwung direkt in ihren lassen an.

Berlin tilgt erstmals wieder Schulden

Bundesländer, die mit Umbrüchen kämpfen, wo der Strukturwandel voll im Gange ist und viele Menschen arbeitslos sind, haben davon indes wenig. Bremen oder Nordrhein-Westfalen etwa. Auch Berlin ist noch ordentlich in den Miesen. "Berlin ist als Hauptstadt im Aufschwung, aber wirtschaftlich ist es in einer Notlage", sagt Wirtschaftsforscher Fuest.

Allerdings tut sich seiner Meinung nach etwas. Großkonzerne gebe es zwar keine in Berlin, aber Kreative siedelten sich zunehmend an.

Und noch ein Pfund habe die Hauptstadt, mit dem sich wuchern lässt: "Berlin hat einen sehr soliden Finanzsenator", sagt Fuest über Sarrazin.

Der verkündete vor einiger Zeit, dass Berlin 2007 erstmals aus eigener Kraft wieder ein paar hundert Millionen Euro Schulden tilgt - das hat es seit 1949 nicht mehr gegeben.

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