Haus für Kinder:"Auch eine separate Kinderküche ist Gold wert"

Treten Pädagogen und Architekten früh in Dialog, entsteht Gutes. Auch die Eltern sollen sich wohlfühlen.

Interview von Stephanie Schmidt

Das Zusammenspiel guter und kindgerechter Architektur bei Kindertagesstätten ist eines der Themen, mit denen sich Bettina Rühm, Diplomingenieurin für Architektur und Fachautorin, beschäftigt. Am 3. Oktober erscheint ihr Buch "Neue Kindergärten, Krippen, Horte: Neubau - Umnutzung - Freiraumplanung" bei der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) in München. Darin stellt sie 28 geglückte Projekte vor.

SZ: Seit Jahren besuchen Sie Kitas in verschiedenen Ländern und schauen sich genau an, wie diese innen und außen gestaltet sind. Woher rührt Ihre Begeisterung für diese Art von Bauten?

Bettina Rühm: Aus der eigenen positiven Erfahrung heraus. Ich habe zwei inzwischen erwachsene Kinder. Für sie hatte ich einen vorbildlichen Kindergarten gefunden. Alles war dort sehr gut - von den Räumen und der Lage bis hin zum pädagogischen Konzept, das Kreativität und Selbständigkeit der Kinder förderte. Das war in den Neunzigerjahren überhaupt keine Selbstverständlichkeit. So kam ich auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben, was gelungene Kindertagesstätten ausmacht.

Worin besteht die Herausforderung bei der "Bauaufgabe Kita"?

Man muss viele verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut bringen. Eine Kita sollte kindgerecht und zugleich architektonisch ansprechend sein. Kitas und Bildung gehören zusammen: Kinder lernen durch Erleben und Experimentieren, unabhängig davon, welches pädagogische Konzept praktiziert wird. Wie riecht dieses Material? Wie fühlt sich jenes an? Die Kleinen sollen das erkunden können. Man braucht also unterschiedliche, möglichst naturbelassene Materialien. Kitas müssen aber auch übersichtlich und sicher sein: Kinder müssen sich gut orientieren können und von überall aus gut zu beaufsichtigen sein.

Kinder, Erzieher, Eltern - worauf kommt es an, damit sich die Nutzer in der Kita wohlfühlen?

Die Räume sollten groß und lichtdurchflutet sein, die Wände helle Oberflächen haben. Für Farbe sorgen die Kinder dann schon selbst. Ein Zuviel davon führt zu Reizüberflutung. Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten und sollten auf verschiedenen Raumhöhen spielen können. Günstig sind zum Beispiel Podeste, Kuschelhöhlen oder Galerien. Ein neuralgischer Punkt ist die Garderobe. Hier besteht großer Platzbedarf, doch oft werden Garderoben zu klein geplant. Die Sitzbänke müssen genügend Tiefe haben, und nach vorne braucht es Bewegungsfläche. Oft sind es Kleinigkeiten, die große positive Veränderungen bewirken können. So sollte man in der Garderobe Sitzmöglichkeiten für die Eltern vorsehen, damit sie besser helfen können. Schallschluckende Wände sind in Räumen für Kinder und für das Personal wichtig. Und bei Eingang und Foyer stellt sich die Frage: Wirken diese Bereiche einladend? Verfügt das Vordach des Eingangs über genügend Tiefe, sodass hier auch ankommende Eltern mit mehreren Kindern bei Regen Schutz finden?

Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrem neuen Buch gesetzt?

Darin stelle ich Kitas aus dem deutschsprachigen Raum vor, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und Südtirol entstanden sind. Mir ist dabei wichtig, die Vielfalt zu zeigen, zum Beispiel beim Grundriss, der linear oder sternförmig sein kann, um zwei Varianten zu nennen; außerdem gibt es Kinderhäuser in ländlicher und innerstädtischer Lage. Zu einem Drittel befasst sich mein Buch mit Neubauten, zu einem Drittel mit gelungener Freiflächengestaltung und zu einem Drittel mit Erweiterungen und Umnutzungen. Man muss nicht unbedingt immer einen perfekten Neubau hinstellen. Es gibt wahre Schätze unter den Bestandsbauten. Ein Projekt, das ich vorstelle, ist zum Beispiel eine ursprünglich leer stehende Kirche, die in eine Kita umgewandelt wurde.

2011 haben Sie bereits ein Buch über Kitas publiziert. Was hat sich verändert?

Meine subjektive Beobachtung ist, dass sich inzwischen bei der Planung die Zusammenarbeit zwischen Architekt und den Kita-Nutzern verbessert hat. Konstruktiver Dialog, das heißt, dass der Architekt seinen Entwurf erklärt, und die Kita-Leiterin ihm ihre Beobachtungen aus dem Kindergartenalltag erläutert, von dem viele Architekten kaum etwas wissen. Die beteiligten Parteien sollten dazu bereit sein, voneinander zu lernen, das hat viel mit gegenseitiger Wertschätzung zu tun. So kommt am Ende eine deutlich bedarfsgerechtere Lösung heraus als ohne diesen Dialog. Ich empfehle jedem Architekten, der mit der Thematik nicht vertraut ist, für einen Tag in einem Kindergarten zu hospitieren, damit er die Abläufe genauer kennenlernt.

Was könnte man noch besser machen?

Ich habe großen Respekt davor, was Architekten beim Kita-Bau in jüngster Zeit geleistet haben. Viele moderne Kinderhäuser haben heute einen eigenen Speisesaal. Hier können sich die Kleinen besser auf das Essen konzentrieren als in Gruppenräumen. Leider werden Speisesäle nicht immer eingeplant oder geraten manchmal zu klein. Auch eine separate Kinderküche ist Gold wert. Dort können die Kleinen an Kochprojekten mitwirken. Sehr wichtig finde ich den Sonnenschutz. Es gibt spannende Lösungen, wie man Räume vor Hitze schützen kann, ohne dass sie zu dunkel werden, zum Beispiel mit semitransparenten, vertikalen Markisen. Doch leider wird in den Sonnenschutz oft zu wenig investiert. Und Folgendes klingt unspektakulär, ist aber wichtig: Man braucht genug Stauraum und Schränke, die bis zur Decke reichen können, damit Erzieher zum Beispiel Bastelmaterial verstauen können. Auch in diesem Bereich wird häufig gespart.

Wie sollten attraktive Outdoor-Bereiche aussehen?

Abwechslungsreich bepflanzt und mit bewegter Topografie. Eine Wiese, ein schnöder Sandkasten und ein paar Spielgeräte, das ist bei Kitas oft die Realität. Da werden dann wertvolle Möglichkeiten verschenkt. Denn Kinder sollen die Natur kennenlernen und auch draußen Anregungen zur Kreativität finden. Ein heruntergefallener Ast kann daher ruhig auch einmal liegen bleiben. Es braucht keinen Luxusgarten, aber für den Außenbereich benötigt man eine abwechslungsreiche Topografie - da gibt es viele Möglichkeiten. Man kann einen Hügel aufschütten oder eine Art Amphitheater bauen und verschiedene Klettermöglichkeiten schaffen, zum Beispiel mit Seilen oder Baumstämmen. Wertvoll ist auch ein Naturgarten mit Wildblumen, die Bienen und Schmetterlinge anlocken, mit Beeren zum Naschen und kleinen Wasserläufen.

Welche Beobachtungen haben Sie bei Kinderhorten gemacht?

Ein guter Hort bietet ausreichend Platz für Bewegung, sollte aber auch Hausaufgaben-Räume und - idealerweise - eine Werkstatt oder andere Kreativräume enthalten. Das ist in der Praxis nur selten gegeben. Schulkinder brauchen einen Ausgleich zum langen Sitzen im Unterricht.

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