Handelsimmobilien:Griff zur "Erlebnis-Karte"

Berlin den 06 04 2014 Foto Eröffnung der Shopping Meile BIKINI Berlin in Berlin Mitte Tiergarten

Insbesondere in der Textilbranche sind Online-Shops auf dem Vormarsch. Das ist nicht für alle Firmen ein lukratives Geschäft.

(Foto: Reiner Zensen/Imago)

Das wachsende Online-Geschäft beeinflusst den stationären Handel. Wegen der Konkurrenz durch Internet-Shops verkleinern Unternehmen ihre Flächen und setzen auf Events.

Von Ruth Vierbuchen

Sein Konzept für einen eigenen Online-Shop hat André Pleines, Geschäftsführer Expansion der auf preiswerte Bekleidung spezialisierten Mode-Kette Takko, bereits seit mehr als zwei Jahren in der Schublade liegen. Dort wird das Konzept vorerst auch bleiben. Der Hintergrund: Mit dem Onlinehandel verdienen zahlreiche Unternehmen wegen der vielen Retouren - das heißt der Rücksendung bestellter Ware - so gut wie kein Geld.

Bei durchschnittlichen Kosten von etwa zehn bis 20 Euro pro Rücksendung - die Ware muss neu verpackt werden, und oft sind die Artikel sogar beschädigt - ist der Einstieg in den Onlinehandel für ein Unternehmen wie Takko, das mit hart kalkulierten Preisen arbeitet, kein lukratives Geschäft. Auch für den irischen Mode-Anbieter Primark, der jedes Mal für Furore sorgt, wenn er einen Laden eröffnet, ist der Verkauf via Internet kein Thema.

Nach der Studie "Trends in der Handelslogistik 2014" des EHI Retail Institute in Köln und des Fraunhofer IML in Dortmund ist die Neigung der Kunden, online bestellte Artikel wieder zurückzusenden, viel ausgeprägter als die Neigung, die im Geschäft gekaufte Ware umzutauschen. Das gilt besonders bei Mode, da die Ware erst zu Hause angeschaut und anprobiert werden kann. Hinzu kommt, dass sich viele Kunden eine Auswahl an Modellen, Größen und Farben schicken lassen und alles, was nicht gefällt, zurückschicken.

Für Susanne Klaußner, Vorstandsvorsitzende der Erlanger GRR AG, die auf Fachmärkte sowie Nahversorgungs- und Fachmarktzentren spezialisiert ist, sind Mieter wie Takko daher ideal, weil der Onlinehandel keine große Rolle für sie spielt und sie als Mieter beständig sind. Das gilt auch für die großen bonitätsstarken Mieter aus dem deutschen Lebensmittelhandel wie Rewe, Edeka oder Real. Sie betreiben zwar Pilotprojekte mit Online-Shops und Lieferservice in den Ballungsräumen. Doch liegt der Online-Anteil im Lebensmitteleinzelhandel laut Handelsverband Deutschland (HDE) bei weniger als einem Prozent.

Und daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern. Auch aus den USA, die oft eine Vorreiter-Rolle haben, weiß Professor Dirk Morschett von der Schweizer Universität Fribourg, dass der Internethandel mit Lebensmitteln nicht in Schwung kommt. Doch auch, wenn die hohen Retouren dem Onlinehandel zusetzen und es Bereiche gibt, wo die Bundesbürger den persönlichen Einkauf bevorzugen, so belegen die dynamischen Raten, mit denen der Onlinehandel wächst, dass Computer und Smartphones den Einkauf revolutionieren. Laut HDE ist der Onlinehandel 2014 um 17 Prozent auf 39 Milliarden Euro gewachsen - bei einem Einzelhandelsumsatz von insgesamt 459,3 Milliarden Euro.

Professor Morschett schätzt, dass der Onlinehandel in Deutschland bis 2025 einen Umsatz von 70 bis 90 Milliarden Euro oder einen Anteil von 14 bis 17 Prozent am Einzelhandelsumsatz erreichen wird. Allerdings ist die Entwicklung unterschiedlich, je nach Branche. Zu den Ersten, die durch das Wachstum von Amazon unter Druck gerieten, gehörten Buchkaufhäuser wie Thalia, eine Tochter der Hagener Douglas Holding, die im Geschäftsjahr 2011/12 in die Verlustzone rutschte. Als Konsequenz überprüfte sie ihre Standorte und dachte über Flächenverkleinerungen nach. Vor allem setzt Thalia auf eine Multichannel-Strategie, sprich den Ausbau des Onlinehandels neben ihren Buchkaufhäusern.

Mancherorts dürften sich Geschäfte in Logistikflächen mit Abholstation verwandeln

Laut Marktforschungsunternehmen Konzept & Markt schätzen die Kunden neben der 24-Stunden-Öffnung am Internethandel die hohe Transparenz, die es erlaube, Artikel und Preise vieler Anbieter zu vergleichen. Gerade dadurch allerdings gerät der stationäre Einzelhandel mit seinen teuren Verkaufsflächen unter Druck. So musste auch die Metro-Tochter Media Saturn im Jahr 2011 feststellen, dass die Internet-Shops für Preistransparenz sorgten und sich auf diese Weise zeigte, dass ihre Fachmärkte nicht so preisgünstig waren, wie die Werbung mit Slogans "Wie Geiz ist geil" suggerierte. So war das Unternehmen in die roten Zahlen geraten.

Neben dem forcierten Ausbau des Onlinehandels setzte Media Saturn auf Kostensenkung und investierte in wettbewerbsfähige Preise. Zudem kündigte Metro-Chef Olaf Koch an, dass die neuen Verkaufsflächen künftig kleiner sein würden. Im Durchschnitt haben sie jetzt 3000 Quadratmeter. Bei Filialen, deren Mietverträge auslaufen, sollen mit Blick auf die Lagequalität detaillierte Standortanalysen vorgenommen werden.

Entsprechend registrieren Investoren und Entwickler wie die Hamburger HBB GmbH, die auf Stadtteillagen und Mittelstädten spezialisiert ist, in einigen Branchen bei den Mietern eine eher verhaltene Flächennachfrage, wie Reinhard Mussehl aus dem Bereich Projektentwicklung Retail beobachtet. Laut Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung in München, sind die Veränderungen bei der Flächennachfrage bislang noch nicht mit bloßem Auge zu sehen, doch rechnet er mittelfristig damit, dass sich der Schrumpfungsprozess beschleunigt. Vor allem Kleinstädte mit schwachem Handelsangebot seien stark betroffen.

Laut Manuel Jahn, Head of Real Estate Consulting bei GfK Geomarketing, liegt der Online-Anteil im Modemarkt bereits bei gut 25 Prozent und bei Büchern sogar um die 40 Prozent. Da dieser Online-Umsatz den stationären Geschäften verloren geht, werden sich die Läden verändern: Sie werden kleiner, und in manchen Fällen dürften sich die Verkaufsräume in Logistikflächen mit Abholstation wandeln - nämlich dann, wenn die Kunden online bestellen und die Ware im Geschäft abholen. Der stationäre Einzelhandel muss es nach den Worten von Professor Morschett deshalb schaffen, "zum Erlebnis für den Kunden zu werden", denn der müsse heute zum Einkaufen nicht mehr ins Geschäft gehen.

Herwig Eggerstedt, geschäftsführender Gesellschafter von "Das Futterhaus", einem Franchise-Unternehmen, das auf Tiernahrung und -bedarf spezialisiert ist, sieht etwa das Angebot von ausgefallenen Dienstleistungen als Möglichkeit, sich erfolgreich gegen das Internet abzugrenzen. Auch Shopping-Center-Spezialisten wie Unibail Rodamco, MFI, ECE und Sonae Sierra setzen verstärkt auf diese Karte. Zudem tun sie alles, um den Erlebnischarakter ihrer Einkaufszentren mit ansprechender Architektur, mehr Gastronomie und Freizeitaktivitäten zu steigern. Hier hat das Internet seine natürlichen Grenzen.

Als "stationäre Variante" des Onlinehandels will indes die Fachmarktkette Schuh Mücke mit ihren 80 000 Schuhen den Internethandel mit seinen eigenen Waffen - dem riesigen Sortiment - schlagen. Der Vorteil für das Unternehmen: Die Kaufinteressenten können die Schuhe gleich anprobieren. So geht Manuel Jahn davon aus, dass gute Standorte und starke Konzepte des stationären Einzelhandels auch in zehn Jahren ihre Position behaupten oder sogar ausbauen können.

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