Hamburger Hafencity:Wohntürme am Wasser

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Assoziationen an ein Kreuzfahrtschiff könnte der Strandkai künftig erwecken. Besonders dann, wenn man ihn von der Elbe aus betrachtet. Simulation: Aug. Prien/moka-Studio (Foto: N/A)

Am Strandkai entstehen bis zu 500 Appartements. Geplant sind auch Geschäfte und Kulturangebote.

Von Sabine Richter

Der Strandkai, prominente wie exponierte Lage in der Hamburger Hafencity, bekommt ein Gesicht. Der Architektenwettbewerb für die Wohngebäude auf der Landzunge in der Norderelbe ist entschieden; beteiligt hatten sich 33 Architekturbüros.

Die Siegerentwürfe rissen Jörn Walter, der seit vielen Jahren Hamburgs Oberbaudirektor ist, geradezu zu Begeisterungsstürmen hin. "Das ist ganz großer Städtebau", sagte Jörn Walter. Die Stadt am Wasser bekomme "ein neues, ein zukunftsweisendes Gesicht". Wenn im Jahr 2020 alles fertig ist, dürften die vier äußerst markanten Gebäude die Silhouette der Hamburger Innenstadt in der Tat neu prägen.

Ausgelobt hatte den Wettbewerb ein Hamburger Konsortium aus den beteiligten Entwicklern und Investoren Aug. Prien Projektentwicklung, Deutsche Immobilien AG, Baugenossenschaft Hansa, Bauverein der Elbgemeinden, Gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf-Bille sowie die Lawaetz-Stiftung. Die Unternehmen planen eine Investition von etwa 250 bis 300 Millionen Euro. "Es kommt darauf an, wie teuer es unten wird", sagte Prien-Geschäftsführer Frank Holst und meinte damit, dass die technisch anspruchsvolle Wasserlage mit der Sanierung der Kaimauer und vielen weiteren Details noch exakt geplant werden müsse. Deshalb sei mit einem Baubeginn auch erst 2016 zu rechnen.

In zwei siebengeschossigen Blöcken und zwei 55 Meter hohen Wohntürmen sollen bis zu 500 Wohnungen entstehen - und zwar nicht ausschließlich teure Eigentumswohnungen, wie die Lage vermuten lässt, sondern neben etwa 140 frei finanzierten Mietwohnungen auch an die 150 Genossenschaftswohnungen. Die Planer antworten damit auch auf die wachsende Kritik an der ungewöhnlich hohen Zahl an Luxuswohnungen, die in Hamburg und insbesondere in der Hafencity entstanden sind. Man scheut das Image des Reichen-Ghettos, und so durften bereits die Baugenossenschaften Bergedorf-Bille am Kaiserkai und die Baugenossenschaft Hansa am Grasbrookpark in der Hafencity bauen. Auch im östlichen Abschnitt am Baakenhafen entsteht demnächst in großer Zahl günstiger Wohnraum.

Angesichts des teuren Baugrunds und der technisch aufwendigen Wasserlage werden aber auch die Genossenschaftswohnungen nicht wirklich günstig sein; die Rede ist von einer Kaltmiete von gut zwölf Euro pro Quadratmeter, für die frei finanzierten Mietwohnungen von 20 Euro. Die Eigentumswohnungen in den Türmen sollen sich preislich am nebenan gelegenen Luxus-Wohnturm "Marco Polo" orientieren, der mit die teuersten Wohnungen Hamburgs beherbergt.

Die Siegerentwürfe für den Genossenschaftsblock in der Mitte des Strandkais stammen von den Büros LRW und der Be Hamburg GmbH. Den Bau, welcher der Spitze des Strandkais am nähesten liegt, wurde von der Léonwohlhage Gesellschaft von Architekten gezeichnet.

Die etwa 180 geplanten Eigentumswohnungen liegen in den beiden Wohntürmen. Den östlichen, durch umlaufende Balkone geprägten Turm hat der Hamburger Architekt Hadi Teherani entworfen. "Wir wollen ein frisches Gebäude bauen, das an verschiedene Schiffsdecks erinnert", sagte er. Den westlichen Turm mit dem auffälligen Dach entwarf das Düsseldorfer Büro Ingenhoven. "Wir haben versucht, den Außen- und Innenraum bestmöglich miteinander zu verbinden. Jede Wohnung soll einen großen Anteil an gut nutzbaren, windgeschützten und der Sonne zugewandten Terrassen bekommen", sagt Architekt Christoph Ingenhoven. In den Erdgeschossbereichen der vier Gebäude sollen Geschäfte, Gastronomie und Kultureinrichtungen einziehen; Letztere gehören zu den Vorgaben der Stadt. Unter anderem plant man dort ein "Kinder-Kultur-Haus". Bauherr ist die Lawaetz-Stiftung.

Berlin musste in Sachen Olympia zurückstecken. Dennoch werden große Bauprojekte realisiert

Die Strandkaispitze soll auf eine Länge von 93 Metern nicht mit Wohnungen bebaut werden; denkbar sei dort eine Mischung aus Ausstellung, Museum und Mitmachmöglichkeiten für die Öffentlichkeit, heißt es. Diese Flächen werden, wie in der gesamten westlichen Hafencity, von dem spanischen Architekturbüro EMBT Arquitectes Associats gestaltet.

Die Bewohner der vier Gebäude werden enge Tuchfühlung zu einem weiteren potenziellen Neubaugebiet haben. Denn das gegenüberliegende Industriegebiet auf dem Kleinen Grasbrook, derzeit ein pulsierender Universalhafen, soll zu Hamburgs Olympiazentrum mit olympischem Dorf werden - wenn die Stadt Hamburg, die ihre Kandidatur für die Olympischen Spiele 2024 angemeldet hat, den Zuschlag bekommt. 2017 fällt die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees.

Die Fantasie der Stadtplaner hat Olympia jedenfalls schon kräftig beflügelt. "Der Kleine Grasbrook bietet sich aus stadtentwicklungspolitischer Sicht geradezu ideal an", sagte der Oberbaudirektor bei der Präsentation der Pläne. Olympische Sommerspiele würden sich als "perfektes Gelenk sehr gut einfügen", zumal auf der Elbinsel mit der Internationalen Gartenschau und der Bauausstellung IBA bereits wesentliche Vorarbeit geleistet worden sei.

In Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft könnten dort Zwei- bis Vierzimmerwohnungen errichtet werden, die sich nach den Olympischen Spielen als normale Wohnungen nutzen ließen. "3000 Wohnungen für das olympische Dorf und in der Nachnutzung bis zu 6000 Wohnungen sind denkbar", hob auch Alexander Otto, Hamburgs führender Olympiabotschafter und "oberster Spendensammler" - er hat eine Olympiainitiative der Hamburger Wirtschaft gegründet - die langfristigen Vorteile für die Hamburger hervor.

Jörn Walter sieht die Olympischen Spiele als Teil der Stadtentwicklung. "Olympia darf nicht der Ausgangspunkt für die städtebauliche Entwicklung, sondern muss ihr Katalysator sein". Die Entwicklung des Geländes zu einem Wohnquartier könne zwar auch ohne Olympische Spiele umgesetzt werden. "Aber Olympia ist die größte Veranstaltung auf der Welt und setzt Kräfte frei, die normalerweise nicht mobilisiert werden können. Wir könnten zeigen, dass es möglich ist, auf dem Grasbrook einen energetisch autonomen und CO₂-neutralen Stadtteil zu errichten. Ganz zu schweigen von neuen Mobilitätskonzepten, die hier umgesetzt werden könnten."

Trotz seiner Olympia-Niederlage - der Deutsche Olympische Sportbund hat sich unlängst entschieden, sich lieber mit Hamburg als mit Berlin für die Olympischen Spiele zu bewerben - geht es in der Hauptstadt in puncto Wohnungsbau voran. Auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof dürfen keine Wohnungen gebaut werden, aber auf dem Areal des Flughafens Tegel. An seinem östlichen Rand werden auf etwa 50 Hektar etwa 5000 Wohnungen errichtet - hier wäre das olympische Dorf entstanden. Das Wohngebiet werde "in jedem Fall"entstehen, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Nur dass es jetzt nicht auf einen Schlag, sondern in Abschnitten bebaut werde. "Wir halten weiter an den Planungen in Tegel fest, auch ohne Olympia", bestätigt Senatspressesprecher Martin Pallgen. Das Land Berlin wird im ersten Halbjahr 2016 einen städtebaulichen Wettbewerb veranstalten und das Ergebnis bis Ende 2017 in Planungsrecht umsetzen. Mit den Erschließungsarbeiten kann dann im Jahr 2018 begonnen werden. Der Bau der Wohnhäuser und der sozialen Infrastruktur soll 2019/2020 beginnen. Das "Kurt-Schumacher-Quartier" soll bis zu 50 Prozent geförderte Wohnungen haben, die von landeseigenen Wohnungsbauunternehmen errichtet werden.

Auch die Planungen für die "Urban Tech Republic", den Industrie und Forschungspark auf dem Gelände des Flughafens, werden fortgeführt, beschloss der Senat Mitte März. Im Kern geht es um die Nachnutzung der ehemaligen Terminalgebäude als Wissenschafts- und Forschungsstandort und die Unternehmensansiedlung im direkten Umfeld der Flughafengebäude.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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