Gutshof tiefgreifend renoviert:Kabarett und Krustenbraten

Mit der Sanierung von Gut Nederling bei München erfüllte sich der Regisseur Peter Landstorfer einen Traum.

Wally Schmidt

"Eine Portion Verrücktheit ist in mir vorhanden. Sonst hätte sich mein Lebenstraum nicht erfüllt." Der Schauspieler, Regisseur und Autor Peter Landstorfer war im Jahr 1998 durch Zufall auf einen verfallenen Gutshof in dem ehemaligen Weiler Nederling im Münchner Stadtteil Moosach aufmerksam geworden.

Gutshof tiefgreifend renoviert: Wie neu wirkt der 200 Jahre alte, denkmalgeschützte Bauernhof, den Peter Landstorfer mit großem finanziellen Aufwand saniert hat. Wo einst eine Scheune stand, ließ der Autor einen Theatersaal errichten, in dem heute Kabarettisten und Schauspieler auftreten.

Wie neu wirkt der 200 Jahre alte, denkmalgeschützte Bauernhof, den Peter Landstorfer mit großem finanziellen Aufwand saniert hat. Wo einst eine Scheune stand, ließ der Autor einen Theatersaal errichten, in dem heute Kabarettisten und Schauspieler auftreten.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

"Aus der Ruine könnte man etwas machen", dachte sich der damals 36-Jährige. Mit enormem Aufwand sanierte er den Einfirsthof, erweiterte ihn und wandelte das gesamte Gebäude in ein Privattheater um. Wo vor vielen Jahrzehnten einmal die Scheune war, geht in einem eleganten Theatersaal seit fünf Jahren der Vorhang auf.

Nichts erinnert die Zuschauer heute daran, dass auf Gut Nederling vor 100 bis 200 Jahren jede Menge Tiere zu Hause waren. So registrierte man bei der Volkszählung am 1. Dezember 1875 genau 28 Einwohner, neun Pferde und 43 Stück Rindvieh. Bis 1958 gab es eine Schweinezucht. Danach wandelte die Stadt das ganze Anwesen in einen Stützpunkt für das Gartenbauamt um.

Nach langwierigen Verhandlungen kaufte Landstorfer, der auch Rechtsanwalt ist, im Jahr 2002 den südlichen Bereich des historischen Gehöftes an der Ecke Baldur-/Nederlinger Straße. Nur drei Monate später rückten die Bagger an. Für den Münchner begannen 362 stressige Tage, wie er resümiert.

Neuer Boden - in der Erde

Denn ein 200 Jahre altes, unter Denkmalschutz stehendes Gebäude zu modernisieren, komme einem kleinen bis mittleren Abenteuer gleich. Wohl bei fast jedem Bauwerk dieses Alters liege das finanzielle Risiko in der Grundsanierung von Wänden, Decken und Böden. Auch der sogenannte "Dießener Hof", wie Landstorfers Immobilie jahrhundertelang hieß, hatte es buchstäblich in sich.

Alles musste komplett erneuert werden. Als Erstes benötigte man für die Außenmauern ein Fundament. "Denn das gesamte Gebäude stand nur 35 Zentimeter tief im Boden." So mussten die Arbeiter per Schaufel bis in eineinhalb Meter Tiefe graben, um den ganzen Hof freizulegen. Dann errichteten sie unterirdisch eine Betonschale, um das Mauerwerk vor Feuchtigkeit zu schützen. Nach ein paar Wochen konnten sie endlich alles zuschütten.

Doch damit nicht genug, auf der Westseite des Anwesens ging die unterirdische Plackerei weiter. Für den Anbau war eine sechs Meter tiefe Baugrube notwendig. Bevor die Hochbauarbeiten beginnen konnten, musste man eine Bohrpfahlwand tief in die Erde rammen, um eine Absenkung des direkt angrenzenden Gutshofs zu vermeiden. "Das hat viel Zeit und viel Geld gekostet - und danach war nichts zu sehen. Das war deprimierend", erinnert sich der Bauherr. Ein Teil steckt auch unter dem Gutshof. Dessen gesamter Boden war feucht und lehmig. Er musste bis in eineinhalb Meter Tiefe komplett entfernt und durch neuen Boden ausgetauscht werden.

Saal, keine Halle!

Als diese drei wichtigen Vorbereitungen im Untergrund endlich beendet waren, ging es an die Restaurierung der Decken und Wände. Der uralte Putz an den Ziegelwänden wurde sorgfältig bis auf Mauerwerk entfernt. Dann begann die Reinigung der Ziegelritzen. Am Ende trugen die Bauarbeiter spezielle Restaurierungs- und Abdichtungsmittel auf die Ziegelsteinwände auf. Die Wände bekamen innen und außen einen neuen Putz und erstrahlen nun in frischen Farben.

Heute trinkt man im Erdgeschoss an der gemütlichen Theaterbar aus Holztischen und -stühlen ein Bier oder einen Prosecco, ein Stockwerk darüber lässt man sich einen Krustenbraten oder ein Münchner Tellerfleisch schmecken. Die "Nederlinger Stube" ist komplett mit altem Tiroler Zirbelholz eingerichtet. Der zweite Speiseraum wirkt mit seinem mediterranen Flair elegant. "Ich wollte bei der Inneneinrichtung bewusst einen krassen Unterschied", erläutert Landstorfer sein innenarchitektonisches Konzept.

Selfmade-Künstler

Der Theatersaal selbst wurde an den Bauernhof angebaut, früher stand dort die Scheune. Sie war im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört worden. Mit seinen 240 grauen und silbernen Stühlen wirkt der Theatersaal elegant, seine Atmosphäre prägt auch der Vorhang in dunkelblauem Samt; die Wände leuchten in frischem Gelb. Landstorfer ließ eine zweite Ebene für die Zuschauer errichten. "Ich wollte einen Balkon. Sonst wäre es kein Theatersaal, sondern nur eine Halle", erklärt der 47-Jährige.

Die Bühne ist acht Meter lang und knapp 100 Quadratmeter groß. Auf ihr wird ein buntes Programm dargeboten. Es gibt Lesungen, Kabarett, Konzerte und jede Menge Volkstheater. Jörg Hube, Veronika von Quast, Monika Gruber und die Couplet AG standen hier im Münchner Nordwesten schon auf der Bühne. Zweimal im Jahr tritt das "Landstorfer Ensemble" auf. 22 Stücke hat der rührige Theatermacher schon selbst verfasst. "Ich schreibe meine Stücke, inszeniere sie und spiele mit." Zehnmal pro Jahr nimmt das Bayerische Fernsehen im Theater Gut Nederling Stücke des "Chiemgauer Volkstheaters" auf.

Letztendlich "wäre es günstiger gewesen, das Haus abzureißen und wieder neu aufzubauen", resümiert Landstorfer. Doch der Hausherr bereut es nicht, das Anwesen saniert zu haben. "Aber ich glaube, dass man nur einmal im Leben solche Energie aufbringen kann." So muss die Restaurierung des benachbarten Herrenhauses, das die Stadt ihm erst nach der Eröffnung des Theaters verkauft habe, erst einmal warten.

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